Atomausstieg: Union will 300 Zeugen zum Untersuchungsausschuss laden

Beim Untersuchungsausschuss zum Atomausstieg will die Union 300 Zeugen befragen, um mögliche Manipulationen der Entscheidung des Bundeswirtschaftsministeriums zu beleuchten. Die SPD kritisiert die hohe Zahl als unrealistisch.
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Atomkraftwerk (Archiv)Foto: über dts Nachrichtenagentur
Von 4. Oktober 2024

Der Untersuchungsausschuss zum deutschen Atomausstieg beschäftigt sich mit der Frage, ob die Öffentlichkeit und das Parlament umfassend und transparent informiert wurden oder ob es zu Informationsmanipulationen gekommen ist, um den Atomausstieg zu beschleunigen. Jetzt will die Union, die den Untersuchungsausschuss zum Atomausstieg initiierte, offenbar 300 Personen als Zeugen befragen. Das berichtet der „Spiegel“.

SPD: 45 Zeugen reichen

Bei der SPD stößt das auf Kritik. Die „absurd hohe Zahl“ zeuge davon, dass die Union „ohne klare Linie in den Ausschuss“ gehe, so Jakob Blankenburg, SPD-Obmann für das Gremium. „Diese Zeugen alle in den wenigen verbleibenden Sitzungen in dieser Legislatur zu befragen, ist faktisch unmöglich.“ 45 Zeugen wären realistisch in dem Zeitraum und reichten aus, um den Sachverhalt aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten, so Blankenburg.

Nicht nur der Anzahl der Zeugen, auch die Auswahl wird von der SPD kritisiert. Fachfremde Beamte aus dem Wirtschaftsministerium, die etwa für Fahrzeugindustrie oder Wirtschaftsbeziehungen zuständig sind, würden auf der Zeugenliste stehen.

„Ergebnisoffene Prüfung“ ohne Tabus?

Der Untersuchungsausschuss auf Antrag der CDU/CSU-Fraktion läuft seit 4. Juli 2024 und soll sich mit den Umständen des deutschen Atomausstiegs befassen. Vorsitzender ist der hessische CDU-Abgeordnete Dr. Stefan Heck, sein Stellvertreter der baden-württembergische SPD-Abgeordnete Robin Mesarosch. Dem Untersuchungsausschuss gehören elf Abgeordnete des Deutschen Bundestages sowie deren Stellvertreter an.

Dem Antrag der Unionsfraktion zufolge soll sich der Ausschuss „ein umfassendes und detailliertes Gesamtbild verschaffen von den Entscheidungsprozessen in der Bundesregierung zur Anpassung der Energieversorgung Deutschlands“.

Außerdem soll untersucht werden, „ob und gegebenenfalls auf welcher Grundlage die von Bundesminister Dr. Robert Habeck mit Blick auf die seinerzeit nach Kriegsbeginn diskutierte, mögliche Verlängerung der Laufzeit der Kernkraftwerke (…) stattgefunden hat“.

Habeck hatte eine „ergebnisoffene Prüfung“ versprochen, bei der es „keine Tabus“ geben sollte.

Atomausstieg schon lange vereinbart: erst Schröder, dann Merkel

Der Atomausstieg wurde erstmals in den frühen 2000er Jahren von der rot-grünen Regierung unter Kanzler Gerhard Schröder vereinbart. Das Atomkonsens-Abkommen mit den Energieversorgern legte die schrittweise Abschaltung fest. 2011, nach dem Unfall von Fukushima, beschloss die Regierung unter Angela Merkel (CDU) den endgültigen Ausstieg bis 2022, der schließlich bis 2023 umgesetzt wurde. Aufgrund der Energiekrise im Kontext der Nord Stream Sprengung und des Ukrainekriegs wurde die Laufzeit nach einem Kanzler-Machtwort von Olaf Scholz im Oktober 2022 noch einmal bis zum April 2023 verlängert.

Der endgültige Atomausstieg Deutschlands wurde am 15. April 2023 vollzogen. Es war das endgültige Aus für die letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland, deren Abschaltung ursprünglich zum 31. Dezember 2022 vorgesehen waren: Isar 2 in Bayern, Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg und Emsland in Niedersachsen. Die AKWs wurden nicht nur abgeschaltet, sondern  unwiderruflich stillgelegt. Es wurde umgehend mit dem Rückbau und Entkernung begonnen.

Untersuchungsausschuss: Transparente und korrekte Entscheidung

Der Untersuchungsausschuss zum Atomausstieg soll nun beleuchten, ob die Entscheidungen transparent und korrekt waren. Es soll geklärt werden, ob das Bundeswirtschaftsministerium und das Bundesumweltministerium tatsächlich eine ergebnisoffene Entscheidungsfindung zum Weiterbetrieb der deutschen Kernkraftwerke veranlasst haben.

Ein Bericht des Magazins „Cicero“ vom 25. April 2024 hatte dafür gesorgt, dass die Union dies als nicht gegeben vermutet und den Ausschuss forciert hatte.

„Cicero“ hatte zuvor auf die Herausgabe von Akten zum Vorgang geklagt und vor Gericht gewonnen. Den Dokumenten nach sollen Mitarbeiter im Umweltministerium von Steffi Lemke (Grüne) und engste Vertraute des grünen Wirtschaftsministers Robert Habeck in manipulativer Weise Erkenntnisse über Potenziale des Weiterbetriebs von Kernkraftwerken aufbereitet haben.

Interne Bedenken unterdrückt, um Laufzeitverlängerung der AKWs zu verhindern?

Diese Dokumente des Bundeswirtschaftsministeriums sollen laut dem Magazin Hinweise darauf liefern, dass die Entscheidung zum Atomausstieg 2022 möglicherweise manipuliert wurde.

Die Expertenstäbe der Ministerien Lemkes und Habecks sollen ihrer Leitung ausschließlich Erkenntnisse vorgelegt haben, denen zufolge eine Laufzeitveränderung unnötig und auch von den Kraftwerksbetreibern gar nicht erst gewünscht sei. Robert Habeck sei also falsch informiert worden. „Der mit Grünen-Parteisoldaten besetzte Führungszirkel des Wirtschafts- und des für nukleare Sicherheit zuständigen Umweltministeriums hat alle wesentlichen Schritte unter sich ausgemacht“, befand „Cicero“. Wenn die Fachreferate beider Ministerien doch mal ihre Einschätzung mitteilen durften, sei diese meist übergangen worden – „oder gezielt verfälscht“.

Als Protagonisten kristallisierten sich der Staatssekretär Stefan Tidow aus Lemkes Ministerium und sein Staatssekretärskollege im Wirtschaftsministerium, der mittlerweile entlassene Patrick Graichen, heraus, die hinter den Kulissen Absprachen getroffen haben sollen.

Beide Staatssekretäre waren sich von vornherein einig, folgerte „Cicero“ aus den freigeklagten Dokumenten:
Ein Abrücken vom Atomausstieg darf es nicht geben. Fachliche Argumente, die dafürsprechen, sollten gar nicht erst bekannt werden. Nicht einmal dem eigenen Minister.“

Mit Material von Agenturen (dts)



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