Konservative in der Union fordern von Merkel Nachgeben im Asylstreit
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Konservative Unionspolitiker fordern von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), im Asylstreit mit der CSU nachzugeben. „Wir müssen zum Handeln kommen“, sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete und Sprecher des konservativen Berliner Kreises in der Union, Klaus-Peter Willsch, dem „Handelsblatt“. Deswegen unterstütze er die Position von Innenminister Horst Seehofer (CSU): „Die Menschen erwarten zu Recht, dass wir für Ordnung an unseren Grenzen sorgen“, sagte Willsch.
Seehofer will bestimmte Flüchtlinge an der deutschen Grenze zurückweisen. Merkel lehnt eine Entscheidung darüber in einem nationalen Alleingang ab und will mit anderen EU-Ländern über Lösungen verhandeln. Nachdem der Streit in der vergangenen Woche eskalierte, verständigten sich Merkel und Seehofer am Montag darauf, dass die Kanzlerin bis Ende des Monats Verhandlungen auf europäischer Ebene führt.
SPD-Fraktionsvize Högl warnt vor flächendeckender Grenzschließung
SPD-Fraktionsvize Eva Högl hat vor einer flächendeckenden Schließung der Grenzen gewarnt und Äußerungen des Bundesinnenministers als Fehlinformationen kritisiert. Es gebe bereits jetzt Zurückweisungen, wenn die Menschen an der Grenze kontrolliert werden, sagte Högl am Dienstag im Deutschlandfunk. „Das ist nicht so, wie Horst Seehofer das gestern gesagt hat, dass niemand zurückgewiesen wird. Das ist schlicht falsch.“
Bei einer Erfassung an den Grenzen würden bereits jetzt Wiedereinreisesperren durchgesetzt werden. Doch nicht alle wieder einreisenden Menschen würden auffallen, dazu wären geschlossene Grenzen nötig, sagte Högl, die Mitglied des Innenausschusses ist. Die Position der SPD sei eine andere. „Wir können die Grenzen nicht flächendeckend dichtmachen.“ Man müsse eine gemeinsame europäische Politik machen, die die Verantwortung für Geflüchtete in Europa gut verteile und eine gemeinsame Verantwortung für die Grenzsicherung an den Außengrenzen sei, sagte Högl. Vor allem müsse man aber erreichen, dass man die Binnengrenzen weiterhin offenhalten und trotzdem Sicherheit gewährleisten könne. Dies sei durch eine europäische Lösung zu erreichen. „Es ist sehr unverantwortlich, dass Horst Seehofer, Söder und die CSU die Verhandlungsposition Deutschlands im Europäischen Rat so schwächen durch das Chaos, was sie hier veranstalten“, so die SPD-Politikerin. (dts)
Zurückweisungsdeals mit begrenzter Wirkung
Bis Ende des Monats hat Angela Merkel im Asylstreit mit der CSU noch Zeit, um auf europäischer Ebene Ergebnisse zu liefern. Einen Durchbruch in der seit Jahren blockierten EU-Asylreform dürfte die Kanzlerin bis zum EU-Gipfel Ende Juni kaum schaffen. Im Gespräch sind deshalb bilaterale Vereinbarung mit Italien und Griechenland, die eine Zurückweisung von Asylsuchenden an der deutschen Grenze ermöglichen sollen.
Warum Deals mit Italien und Griechenland?
Die Mittelmeerstaaten sind Hauptankunftsländer für Flüchtlinge in der EU. Nach den EU-Asylregeln wären Migranten verpflichtet, dort auch ihren Asylantrag zu stellen. Reisen sie dennoch in andere EU-Staaten weiter, können sie zurückgeschickt werden. Die Verfahren sind aber langwierig und voller bürokratischer Hürden.
Sind Abkommen zur beschleunigten Rücknahme möglich?
Ja. Artikel 36 der europäischen Dublin-Verordnung zu Asylfragen erlaubt „Verwaltungsvereinbarungen“ zwischen den Mitgliedstaaten. Sie sind möglich zur „Vereinfachung der Verfahren“ und „Verkürzung der Fristen“ bei Anträgen der Länder zur „Aufnahme oder Wiederaufnahme“ eines Asyl-Antragsstellers.
Hat Brüssel ein Wort mitzureden?
Vor dem Abschluss von Rücknahmevereinbarungen muss die EU-Kommission konsultiert werden. Sie prüft, ob die Absprache mit europäischen Vorgaben vereinbar ist. Ist dies nicht der Fall, bekommen die Länder eine Frist, ihre Pläne zu ändern. Konkret will sich die EU-Kommission derzeit nicht äußern. Sie weicht seit Tagen Fragen rund um den „heiklen“ deutschen Asylstreit aus und verweist auf „fehlende Klarheit“ zu den Plänen.
Was meinen Experten?
„Man kann nicht einfach sagen: Ich schließe meine Grenze“, sagt der Asylrechtsexperte Yves Pascouau von der Universität im französischen Nantes. Ein Mitgliedstaat habe die Pflicht, „jeglichen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen“ oder auch ein Gesuch auf Familienzusammenführung. Eine postwendende Zurückweisung komme dann nicht in Frage. „Wir sind nicht im Wilden Westen“, sagt Pascouau.
Würde ein bilaterales Rücknahmeabkommen die Rechtslage nicht ändern?
Nur begrenzt, sagt Walther Michl, Europarechtsexperte der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität. „Sobald jemand an der Grenze ‚Asyl‘ sagt, hat er Rechte, die nicht eingeschränkt werden können.“ Bilaterale Vereinbarungen könnten aber Rückführungen weniger bürokratisch machen und beschleunigen. Italien könne etwa ohne weitere Prüfung die deutsche Angabe anerkennen, dass ein Flüchtling schon im europäischen Fingerabdruck-Identifizierungssystem Eurodac registriert wurde.
Wäre damit die von der CSU geforderte Abweisung an der Grenze möglich?
Kaum. Denn Deutschland hat weder mit Italien noch zu Griechenland eine Landgrenze. Die Flüchtlinge müssten also für eine gewisse Zeit aufgenommen werden, bis sie per Flugzeug nach Italien oder Griechenland gebracht werden könnten. Denkbar sind auch Bus-Transfers. Dann müssten aber auch dazwischenliegende Länder wie Österreich grünes Licht geben.
Werden sich Italien und Griechenland auf solche Abkommen einlassen?
Beide Regierungen haben sich bisher nicht dazu geäußert. Michl vermutet, dass sie Gegenleistungen von Merkel fordern würden. Nachdem Italien gerade das Flüchtlingsschiff „Aquarius“ an seinen Häfen abgewiesen hat, könnte sich die Regierung in Rom unter Beteiligung der fremdenfeindlichen Lega-Partei womöglich Unterstützung für diesen Kurs erhoffen, sagt der Jurist. „Für Rom könnte der Preis sein, dass es eine Festung Europa gibt.“
Könnte Merkel Rom und Athen in anderen Bereichen entgegenkommen?
Beide Länder ächzen unter einem riesigen Schuldenberg und verzeichnen mit die höchste Arbeitslosigkeit bei jungen Menschen in der EU. Griechenland wurde seit 2010 schon mehrfach vom Staatsbankrott gerettet, sein drittes Hilfsprogramm läuft im August aus. Athen hofft danach auf Schuldenerleichterungen, die Deutschland bisher ablehnt. Wirtschaftliche Zugeständnisse Merkels könnten einen Deal in der Migrationsfrage erleichtern.
Schuster schlägt Transitzentren als Lösung vor
Im Asylstreit um die Zurückweisung von Flüchtlingen hat der CDU-Innenexperte Armin Schuster Transitzentren an der Grenze als Lösung ins Gespräch gebracht. „Wir brauchen dringend Transitzentren in Grenznähe. Sie wären eine Lösung“, sagte Schuster der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Dienstagsausgabe).
Darüber sollte Kanzlerin Angela Merkel nun mit den anderen EU-Staaten beraten: „Wir sollten mit unseren europäischen Partnern Vereinbarungen über schnelle Rückführungen aus solchen Einrichtungen schließen.“ Der Obmann im Innenausschuss des Bundestages verwies auf entsprechende Transitbereiche an Flughäfen. „Transitzentren wären nichts anderes, nur eben an der Landgrenze“, sagte Schuster. Dort würde die Zuständigkeit geprüft und bestimmte Flüchtlinge könnten zurückgewiesen und binnen weniger Tage rückgeführt werden. Schuster forderte die SPD auf, ihren Widerstand gegen Transitzentren aufzugeben: „Die SPD sollte sich ein Beispiel an Sigmar Gabriel nehmen und konsequentere Lösungen mittragen.“ Schuster schloss nicht aus, dass Deutschland im Alleingang handelt, wenn die anderen EU-Staaten in den kommenden zwei Wochen der Kanzlerin in der Frage der Zurückweisung nicht entgegen kommen: „Wenn Kanzlerin Merkel den Partnern trotz eigener Angebote nichts abgewinnen kann, dürfen wir nationales Handeln nicht von vornherein ausschließen.“ (dts/dpa/afp)
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