Union-Antrag mit AfD-Stimmen beschlossen – Merz unter Druck

Die Bundestagsabstimmung über die jüngsten Entschließungsanträge der CDU/CSU hat eine hitzige Debatte ausgelöst. SPD, Grüne und Linke sehen darin einen Tabubruch, Kanzler Scholz spricht von einem „schlechten Zeichen“ für das Land. Die Union verteidigt ihr Vorgehen – doch die nächste Abstimmung könnte noch brisanter werden.
Die Union bringt ihren Fünf-Punkte-Plan für eine Verschärfung der Bekämpfung der irregulären Migration durch den Bundestag.
Die Union bringt ihren Fünf-Punkte-Plan für eine Verschärfung der Bekämpfung der irregulären Migration durch den Bundestag – mit Stimmen der AfD.Foto: Michael Kappeler/dpa
Von 30. Januar 2025

Auch am Tag nach der Abstimmung über zwei Entschließungsanträge der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag geht die Debatte über die Mehrheitsfindung weiter. Am Mittwoch, 29.1., hatte das Parlament mit einer knappen Mehrheit von 348 zu 345 Stimmen für jenen Antrag gestimmt, der den von CDU-Chef Friedrich Merz jüngst präsentierten „Fünf-Punkte-Plan“ zur Asylpolitik zum Inhalt hatte. Ein weiterer Antrag, in dem es um einen 27-Punkte-Plan zur inneren Sicherheit ging, fiel mit deutlicher Mehrheit durch.

AfD will auch Antrag der Union zum „Zustrombegrenzungsgesetz“ mittragen

Eine rechtliche Verbindlichkeit entfaltet auch das Votum für den Fünf-Punkte-Plan nicht. Der Antrag stellt im Grunde eine Aufforderung des Parlaments an die Bundesregierung dar, diesen umzusetzen. Entspricht diese der Aufforderung nicht, hat das keine Konsequenzen.

Dennoch sieht man insbesondere in den Reihen von SPD, Grünen und Linkspartei keinen Anlass, wieder zur Tagesordnung überzugehen. Dass die knappe Mehrheit für den Fünf-Punkte-Antrag nicht ohne Stimmen der AfD – und genau genommen ohne die Stimmen von fraktionslosen Ex-AfD-Abgeordneten – zustande gekommen wäre, ist für sie ein Tabubruch.

Vor allem war die Abstimmung über die Entschließungsanträge vom Mittwoch eine Art Generalprobe für jene, die am Freitag ansteht. Dann geht es um ein tatsächliches Gesetz mit Rechtswirkung. Nach dem Ja zum Fünf-Punkte-Plan erscheint eine Mehrheit für das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz noch sicherer. Neben der AfD und der FDP hat auch das BSW angekündigt, diesen Unionsentwurf mitzutragen. Unsicher ist, ob das Gesetz im Bundesrat eine Mehrheit findet.

Eine Abgeordnete der Union stimmte dagegen – weitere blieben der Abstimmung fern

Im Wesentlichen folgten die Abstimmungen zu den Entschließungsanträgen am Mittwoch den Parteilinien. Gegen den Fünf-Punkte-Plan stimmte aus der Union die Erfurter Abgeordnete Antje Tillmann. Sie kandidiert nicht mehr für den Bundestag. Acht weitere enthielten sich der Stimme – darunter die ebenfalls nicht mehr antretenden Abgeordneten Marco Wanderwitz und dessen Lebensgefährtin Yvonne Magwas.

Im Fall des 27-Punkte-Konzepts zur inneren Sicherheit stimmten ebenfalls nicht alle Unionsabgeordnete für die Vorlage. Unterstützung für den Antrag, der unter anderem erweiterte Überwachungsbefugnisse und eine Rücknahme der Einbürgerungsreform vorsah, kam vom FDP-Abgeordneten Tim Wagner. Außerdem stimmten die fraktionslosen Parlamentarier Dirk Spaniel und Thomas seitz dafür.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat in Anbetracht des Abstimmungsergebnisses seine Besorgnis zum Ausdruck gebracht. Dass erstmals im Deutschen Bundestag ein Antrag mit einer Mehrheit beschlossen worden sei, die auch die AfD getragen habe, sei

ein schlechtes Zeichen. Für das Parlament. Und auch für unser Land.“

Auf X versah er den Beitrag mit dem Hashtag #MitteStattMerz.

Lang: „Merz ab heute ein Getriebener der AfD

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sprach angesichts der knappen Mehrheit für den unverbindlichen Unionsantrag von einem „historischen Tag“, von dem ein „schwerer Schaden für unsere Demokratie“ ausgehe. CDU und CSU hätten eine „erste Mehrheit jenseits der demokratischen Mitte in der Geschichte des Bundestags seit 1949“ organisiert.

Auch aus den Reihen der Grünen kam Kritik. Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge spricht von einer „Zäsur für unsere Demokratie“.

Die frühere Parteivorsitzende Ricarda Lang äußerte auf der gleichen Plattform: „Friedrich Merz ist ab heute ein Getriebener der AfD.“

Vonseiten der Linkspartei äußerte deren Abgeordnete Heidi Reichinnek, es handele nicht um Zufallsmehrheiten. CDU-Chef Merz habe die Mehrheit mit der AfD nicht nur in Kauf genommen, sondern angestrebt. Ein ernsthaftes Gesprächsangebot habe es nicht gegeben. Stattdessen habe Merz einen rechtswidrigen und rassistischen“ Antrag vorgelegt – und angesichts der fehlenden Akzeptanz die Stimmen der AfD mobilisiert. Die Abgeordnete äußerte weiter an die Adresse des CDU-Chefs:

„Sie machen sich zum Steigbügelhalter damit. Und Sie haben dieses Land heute zum Schlechteren verändert.

Laschet sieht nach Ja zum Antrag der Union keine Infragestellung der „Brandmauer“

Der frühere CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet sieht hingegen keine Veränderung der politischen Grundausrichtungen. Die „Brandmauer“ zur AfD stehe, erklärt er gegenüber „Politico“. Es gebe keine Gespräche, keine Koalitionen, keine Kooperationen und nicht einmal Kommunikation. Die Bundestagswahl werde eine neue Ausgangsposition schaffen:

„Die nächste Regierung wird aus der Mitte des Parlaments gewählt.“

Laschet mahnte eine Zusammenarbeit vonseiten der SPD und der Grünen beim „Zustrombegrenzungsgesetz“ an. Diese wäre „prinzipiell gut“, und es wäre am Freitag auch „leicht möglich“, hier eine gemeinsame Basis zu finden. Der Merz-Vorgänger fügte hinzu:

„Ich meine, wir sollten alle noch mal reden, ob man das nicht gemeinsam muss.“

Eine andere Form von Kritik an Merz und seinem Vorstoß kommt aus der Praxis. So hält der Bundesvorsitzende des Verbands der Strafvollzugsbediensteten (BSBD), René Müller, einen Gewahrsam für alle vollziehbar ausreisepflichtigen Asylbewerber für nicht machbar. Dafür fehlten Plätze und Personal, erklärte Müller gegenüber der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ).

Praktiker bezweifeln Umsetzbarkeit der Merz-Vorhaben

Schon jetzt seien die Gefängnisse überfüllt, so Müller, es müssten notfalls Bedienstete aus dem Justizvollzug in Abschiebehaftanstalten umgruppiert werden. Dies gehe jedoch zu Lasten der Sicherheit des Personals in den regulären Haftanstalten. Es wäre „eine Katstrophe“, würde der Justizvollzug die Umsetzung des Vorhabens zu bestreiten haben. Derzeit wird die Zahl der abgelehnten Asylbewerber ohne Duldung mit 17.500 angegeben, Merz selbst spricht von 40.000.

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DSGB) hingegen hält die Anhaltung zumindest bei straffällig gewordenen Flüchtlinge oder Gefährdern für sinnvoll. So ließe sicherstellen, dass diese nicht untertauchten oder sich der Rückführung entzögen. Hauptgeschäftsführer André Berghegger äußerte in derselben Zeitung:

Diese Personen in Gewahrsam zu nehmen, darf nicht an begrenzten Kapazitäten oder fehlender Abstimmung zwischen den Behörden scheitern.“

Andreas Roßkopf von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) wiederum warnt mit Blick auf das geplante „Zustrombegrenzungsgesetz“ vor mangelnden Kapazitäten bei der Bundespolizei. Diese solle dem Entwurf die Möglichkeit bekommen, Haft und Gewahrsam bei aufgegriffenen Personen zu beantragen. Dadurch würden „wir als Bundespolizei an unsere Grenzen kommen“.

Darüber hinaus macht Roßkopf deutlich, dass die von Merz angestrebte dauerhafte Kontrolle der Landesbinnengrenzen ebenfalls nicht mit den derzeitigen Kapazitäten zu machen sei. Für den Schutz der 3.800 Kilometer langen Grenze brauche man „erheblich mehr Personal sowie modernste Ausstattung wie Drohnentechnik, mobile Kontrollstellen, Kennzeichenerfassungstechnik und moderne Fahndungsfahrzeuge“.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion