Aschaffenburg: Was über den Aufenthalt des Täters in Deutschland bekannt ist

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hat neue Details zum Aufenthalt des afghanischen Messerattentäters bekannt gegeben. Seiner Einschätzung nach lag die Verantwortung dafür, den Mann nicht frühzeitig abzuschieben, beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF).
Was genau geschah, müssen nun die Ermittlungen zeigen.
Was genau geschah, müssen nun die Ermittlungen zeigen.Foto: Daniel Löb/dpa
Von 23. Januar 2025

Einen Tag nach den Messermorden im fränkischen Aschaffenburg kommen immer mehr Einzelheiten über den Aufenthalt des mutmaßlichen Täters in Deutschland ans Licht.

Mehreren Medienberichten zufolge handelt es sich um den 28-jährigen Afghanen Enamullah O. Nach Informationen der „Bild“ stammt er aus Kundus. Bevor O. die deutsche Grenze überquert habe, habe er sich in Bulgarien, Österreich und Frankreich aufgehalten.

Nach einer gemeinsamen Presseerklärung des Polizeipräsidiums Unterfranken und der Staatsanwaltschaft Aschaffenburg war Enamullah O. „psychisch vorbelastet“ und „bereits in der Vergangenheit mehrfach polizeilich in Erscheinung“ getreten. „Hinweise auf eine radikale Gesinnung des Tatverdächtigen ergaben sich hingegen bislang nicht“, hieß es am Abend. „Die genauen Hintergründe der Tat und ein mögliches Motiv sind bislang unklar und Gegenstand der laufenden Ermittlungen.“

Herrmann: „Verantwortung liegt allein beim BAMF“

Am Mittag nach dem Tattag, 22. Januar 2025, traten der bayerische Ministerpräsident Markus Söder und sein Innenminister Joachim Herrmann (beide CSU) in München vor die Presse. Herrmann ging dabei auf seine neuesten Erkenntnisse über den Täter ein, ohne dessen Namen zu nennen.

Herrmann hatte schon am späten Nachmittag des Tattags bestätigt, dass der Tatverdächtige am 19. November 2022 in Deutschland eingereist sei. Seinen Asylantrag für Deutschland habe O. am 9. März 2023 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gestellt.

Dieser Antrag sei am 19. Juni 2023 als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung nach dem Dublin-Verfahren angeordnet worden: O. hätte zurück nach Bulgarien gehört, dem ersten EU-Land, auf das der Afghane seinen Fuß gesetzt hatte. Über diesen Umstand habe das BAMF den Asylantragsteller auch informiert.

Die Ausländerbehörden des Freistaates Bayern hätten jedoch erst am 26. Juli von der Abschiebungsentscheidung des BAMF erfahren. Warum so spät, sei unklar. Da die regelgerechte Überstellungsfrist nach Bulgarien jedoch schon wenige Tage später, nämlich am 3. August 2023, abgelaufen sei, habe es nicht genug Zeit für eine Abschiebung gegeben.

Fünf Tage später, am 8. August 2023, habe das BAMF erklärt, dass die Frist zur Abschiebung abgelaufen sei. Im Fall O.s müsse deswegen nun doch das „nationale Verfahren“ für einen Asylantrag angewendet werden.

Bis Dezember 2024 sei vom BAMF aber „nichts weiter gekommen“, betonte Herrmann. „Die Verantwortung dafür liegt allein beim BAMF“ (Video auf YouTube).

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) auf der Münchener Pressekonferenz zum Messerdoppelmord von Aschaffenburg. Foto: Bildschirmfoto/YouTube/Welt

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) auf der Münchner Pressekonferenz zum Messerdoppelmord von Aschaffenburg. Foto: Bildschirmfoto/YouTube/Welt

Enamullah O. mehrfach polizeibekannt

Am Vorabend hatte Herrmann in Aschaffenburg bestätigt, dass O. es während seines nunmehr gut zweijährigen Aufenthalts in Deutschland wenigstens dreimal mit der Polizei zu tun bekommen hatte – und zwar „wegen Gewalttaten“.

Jedes Mal sei der Mann in psychiatrische Behandlung eingewiesen worden. Und jedes Mal sei er wieder entlassen worden. In O.s Unterkunft habe die Polizei im Rahmen der Ermittlungen „Medikamente gefunden, die zu seiner psychiatrischen Behandlung passen würden“.

Laut „Bild“ hatten die Behörden O. zuletzt in einem kleinen Zimmer in einem Hotel im unterfränkischen Alzenau untergebracht, etwa 25 Kilometer vom Tatort entfernt. Der Afghane solle bereits 2023 wegen Drogenbesitz festgenommen worden sein.

Auffälliges Verhalten in Alzenauer Unterkunft

Nach weiteren Recherchen der „Bild“ (Bezahlschranke) soll Enamullah O. seinen Nachbarn im Hotel immer wieder durch Lärmbelästigung, Alkohol- und Drogenkonsum aufgefallen sein. Trotz mehrfacher Beschwerden einer Hotelmitbewohnerin habe es aber nie eine Rückmeldung vom Landratsamt gegeben, so „Bild“-Reporter Jörg Völkering.

Eine ebenfalls im Hotel wohnende Ukrainerin habe ihm zudem erzählt, so Völkering, dass O. erst nach Alzenau „verlegt“ worden sei, nachdem es während eines Deutschkurses in Aschaffenburg zu einem „Vorfall mit einem Messer“ gekommen sei. Zuvor habe der Asylbewerber wohl in Aschaffenburg gelebt.

Eine andere ukrainische Hotelbewohnerin habe zudem davon berichtet, dass sie im August 2024 die Polizei gerufen habe, nachdem O. einer Landsfrau „immer wieder in die Haut“ geschnitten habe. Kurze Zeit danach habe O. aber noch immer sein Zimmer im zweiten Stock bewohnt. Das „Bild“-Video zeigt Aufnahmen von der Festnahme eines herumtänzelnden Mannes durch Polizeibeamte im August 2024, bei dem es sich um O. handeln soll.

Seit Dezember 2024 ausreisepflichtig

Nach Angaben der „Bild“ soll O. im November 2024 die Abschiebung nach Bulgarien zum Jahresende angedroht worden sein. Von wem genau, bleibt unklar.

Innenminister Herrmann hatte in Aschaffenburg erklärt, dass der Tatverdächtige kurze Zeit später, nämlich am 4. Dezember 2024, „schriftlich gegenüber der Zentralen Ausländerbehörde“ angekündigt habe, das Land wieder freiwillig zu verlassen. Dabei habe er zugesagt, sich selbst beim afghanischen Generalkonsulat um die erforderlichen Papiere zu kümmern.

Am 9. Dezember 2024 habe das örtliche Amtsgericht angeordnet, O. von einer gerichtlich bestellten Betreuerin betreuen zu lassen. Hintergrund seien die psychischen Probleme des Mannes gewesen.

Am 11. Dezember habe das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) das Asylverfahren „endgültig eingestellt“ und den Afghanen aufgefordert, Deutschland zu verlassen. Obwohl O. damit offiziell ausreisepflichtig war, sei er allerdings „weiter offensichtlich auch in psychiatrischer Behandlung“ gewesen (Video auf YouTube).

Einen Anlass zur Inhaftierung habe es nicht gegeben, da der Tatverdächtige ja bereits Anfang Dezember eine freiwillige Ausreise zugesagt habe, ergänzte Herrmann am 23. Januar auf Anfrage der Presse. Im Übrigen lägen trotz Antragstellung immer noch keine Ausreisepapiere vonseiten des afghanischen Generalkonsulats in Frankfurt am Main für O. vor.

Hermann kritisiert Bundesregierung

Herrmann kritisierte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dafür, dass es trotz anderslautender Versprechungen seinerseits bisher nur einen einzigen Abschiebeflug nach Afghanistan gegeben habe: „Den Erklärungen und Zielvorstellungen des Bundes sind keine Taten gefolgt.“

Dabei, so Herrmann, gebe es allein in Bayern 187 Afghanen, die „erhebliche Straftaten“ begangen hätten. Sie alle seien dem Bundesinnenministerium bekannt. „Der Bund muss dringend jetzt die Möglichkeiten schaffen, dass abgeschoben werden kann“, verlangte Herrmann.

OB Herzing: „Keine Spirale der Gewalt und des Hasses in Gang setzen“

Jürgen Herzing (SPD), der Oberbürgermeister von Aschaffenburg, legte am Vormittag des 23. Januar als „Zeichen der Anteilnahme“ vor etwa 250 Trauernden einen Kranz am Tatort im Schöntalpark ab. Er sprach von einer „entsetzlichen Tat, einem unbegreiflichen Gewaltakt“ und erinnerte an ähnliche Bluttaten in Magdeburg, Solingen oder Würzburg:

Wir sehen die Parallelen. Dennoch sollten wir trotz aller Trauer und Wut nicht Spekulation und Hass verbreiten.“

Die „furchtbare Tat eines Einzeltäters“ dürfe „keine Spirale der Gewalt und des Hasses in Gang setzen“, mahnte das Stadtoberhaupt. Den Opfern und ihren Angehörigen gelte „unsere tief empfundene Anteilnahme“.

Bürgermeister Erik Leiderer (l.) und Oberbürgermeister Jürgen Herzing bei der Krankniederlegung am 23. Januar 2025 im Schönteilpark Aschaffenburg. Foto: Bildschirmfoto/YouTube/BR

Bürgermeister Erik Leiderer (l.) und Oberbürgermeister Jürgen Herzing bei der Kranzniederlegung am 23. Januar 2025 im Schönteilpark Aschaffenburg. Foto: Bildschirmfoto/YouTube/BR

„Absolute Sicherheit nicht möglich“

Herzing räumte ein, dass sich viele Menschen gerade in den Abend- und Nachtstunden nicht mehr sicher im Schöntalpark fühlten. Es mache ihm selbst und allen anderen Menschen Angst, dass eine „absolute Sicherheit“ nicht möglich sei. „Aber wir können und dürfen die Tat eines Einzelnen niemals einer gesamten Bevölkerungsgruppe anrechnen, auch wenn wir wütend sind und Rachegedanken haben“. Es bedürfe stattdessen der Besonnenheit und des Zusammenhalts (Video auf YouTube).

Am kommenden Sonntag werde ab 10:30 Uhr in der Aschaffenburger Stiftskirche eine Trauerfeier mit viel Politprominenz zum Gedenken an die Opfer stattfinden. Die Stadt hat für die Hinterbliebenen ein Spendenkonto eingerichtet:

„Spendenkonto Opferhilfe Schöntal“
Sparkasse Aschaffenburg-Miltenberg
IBAN: DE23 7955 0000 0013 1692 89

Zwei Tote, drei teilweise schwer Verletzte

Die tödliche Gewalttat von Enamullah O. hatte sich am Mittwoch, 22. Januar, gegen 11:45 Uhr im Aschaffenburger Schöntalpark ereignet. Nach Schilderung von Innenminister Herrmann soll O. „unvermittelt und gezielt“ mit einem Küchenmesser auf einen zweijährigen Jungen marokkanischer Abstammung eingestochen haben, der mit einer Kindergartengruppe unterwegs war. Der Junge erlag den Verletzungen. Als ein 41-jähriger Fußgänger dazwischengehen wollte, sei auch er tödlich verletzt worden. Sein Einschreiten habe wahrscheinlich weitere tote Kinder verhindert. Ministerpräsident Markus Söder kündigte bereits an, dem 41-Jährigen posthum die Bayerische Rettungsmedaille zu verleihen.

Nach Angaben der bayerischen Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) seien zudem drei weitere Menschen teils schwer verletzt worden: Ein zweijähriges syrisches Mädchen habe drei Messerstiche am Hals erlitten, ein 61-jähriger Mann sei im „Thoraxbereich“ verletzt worden. Außerdem habe sich eine 59-jährige Erzieherin einen Armbruch zugezogen, als sie fliehen wollte.

Gerlach zufolge wurden alle drei überlebenden Opfer im Klinikum Aschaffenburg versorgt. Sie seien außer Lebensgefahr. Unter der Nummer 0800 6553000 könnten weitere Betroffene ein Krisennetzwerk kontaktieren.

Die Polizei hatte den flüchtigen Tatverdächtigen nach Angaben von Herrmann bereits 12 Minuten nach der Tat festgenommen, nachdem ihn weitere Passanten nicht mehr aus den Augen gelassen hätten.



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