Armut im Alter: Wie sicher ist die Rente noch?

Mit dem im Juni 2024 verabschiedeten Rentenpaket II will die Ampelregierung die Rente sichern. In diesem Jahr wurde die Rente um fast fünf Prozent erhöht. Aber kann das die Altersarmut ausgleichen, von der zwanzig Prozent der 21 Millionen Rentner in Deutschland bedroht sind?
«Die Herausforderung ist kleiner als früher prognostiziert», sag die Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung über die Sicherheit der Rente.
Droht ein immer späteres Renteneintrittsalter?Foto: Fernando Gutierrez-Juarez/dpa
Von 16. Juli 2024

„Die Rente ist sicher“, so das Zitat des früheren Bundesarbeitsministers Norbert Blüm (CDU) von 1986. Elf Jahre später wiederholte Blüm seine Worte im Bundestag. Damals wurde am 10. Oktober 1997 mit den Stimmen von CDU/CSU und FDP das Rentenreformgesetz verabschiedet. Damit sollte auf die gestiegene Lebenserwartung und eine geringer werdende Geburtenrate reagiert werden. Ab den 1990er-Jahren folgten mehrere Reformen des deutschen Rentensystems, um dem demografischen Wandel gerecht zu werden. 

Diese Reformen beinhalteten immer wieder auch Änderungen des Renteneintrittsalters. Im Jahr 2007 beschloss die Bundesregierung eine schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters von 65 auf 67 Jahre. Diese Änderung betrifft insbesondere die Jahrgänge ab 1964. Sie sollen länger arbeiten und ab 2031 dann mit 67 Jahren in Rente gehen.

Rentenpaket II: Höheres Renteneintrittsalter nicht vorgesehen

Eines der viel diskutierten Themen im Kontext der Renten sind deren Koppelung an eine steigende Lebenserwartung oder die Erhöhung des Renteneintrittsalters. Beides ist im aktuellen, von der Ampelregierung im Juni verabschiedeten Rentenpaket II explizit nicht vorgesehen. 

Vorgesehen ist aber, dass das Rentenniveau weiter auf mindestens 48 Prozent festgelegt wird. Mit dieser Maßnahme soll verhindert werden, dass die Renten im Verhältnis zu den Einkommen weiter absinken. Das Rentenniveau, ein statistischer Wert, der das Verhältnis zwischen der Standardrente und dem Durchschnittseinkommen widerspiegelt, bedeutet allerdings nicht, dass automatisch 48 Prozent des Gehalts als Rente garantiert sind. Mit dem Rentenniveau wird lediglich das Verhältnis zwischen der Rente einer Person, die 45 Jahre gearbeitet hat, und dem durchschnittlichen Einkommen/Nettogehalt beschrieben.

Das teuerste Sozialgesetz des Jahrhunderts

Ein zentraler Bestandteil des neuen Rentenpakets ist das sogenannte Generationenkapital. Die Ampelregierung will dafür Schulden machen, die nicht auf die Schuldenbremse angerechnet werden. Es ist geplant, bis Mitte der 2030er-Jahre mindestens 200 Milliarden Euro in den Aktienmarkt zu investieren. Die Erträge aus diesen Investitionen sollen die Rentenkasse entlasten und den Beitragssatz stabil halten. Dafür sind 2024 zunächst 12 Milliarden Euro – schuldenfinanziert – vorgesehen, die über einen Fonds am Kapitalmarkt angelegt werden.

Vor allem Deutschlands Arbeitgeber kritisieren das neue Rentenpaket als „das teuerste Sozialgesetz dieses Jahrhunderts“, verlautet es von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Durch den Ausschluss der Anhebung des Rentenalters gingen zukünftig alle Lasten aus der Alterung auf Kosten der Beitragszahler. Erneut verspreche man Leistungen, die langfristig nicht finanzierbar sein werden. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger monierte zudem, dass mit immer höheren Sozialbeiträgen Deutschland noch schwerer aus dem „wirtschaftlichen Stillstand“ komme. 

Wirtschaftsweise will Rentenalter anheben

Auch Veronika Grimm, eine der Wirtschaftsweisen, stimmt in diese Kritik am Rentenpaket ein. Gegenüber der „Rheinischen Post“ äußerte die Wirtschaftswissenschaftlerin: „Der Kompromiss löst keines der Probleme, aber er schafft ein weiteres: Durch die Festsetzung des Rentenniveaus auf 48 Prozent wird die Last für die Beitrags- und die Steuerzahler immer höher.“ Mehr noch, nach Ansicht von Grimm muss auch das Renteneintrittsalter in Deutschland steigen und „an die fernere Lebenserwartung“ geknüpft werden. 

Eine Anhebung des Renteneintrittsalters sei aus ihrer Sicht unausweichlich. „Wir kommen langfristig nicht drumherum, das gesetzliche Rentenalter an die fernere Lebenserwartung zu koppeln und ab 2031 langsam über 67 Jahre hinaus weiter anzuheben.“

Laut der aktuellen Sterbetafel 2020/2022 vom Statistischen Bundesamt beträgt die durchschnittliche Lebenserwartung bei Männern in Deutschland bei 78,3 Jahren und bei 83,2 Jahren bei Frauen.

Anpassung durch die Jahrzehnte

Als Otto von Bismarck die gesetzliche Rentenversicherung im Jahr 1889 einführte, mit einem Renteneintrittsalter von 70 Jahren, lag die durchschnittliche Lebenserwartung noch bei circa 35 bis 40 Jahren, also etwa bei der Hälfte von heute. Ursachen dafür waren eine maßgeblich hohe Kindersterblichkeit, schlechte Arbeitsbedingungen und unzureichende medizinische Versorgung. Durch die Einführung der Rentenversicherung legte Bismarck den Grundstein für das moderne deutsche Sozialversicherungssystem. 

Während des Ersten Weltkriegs wurde das Renteneintrittsalter auf 65 Jahre gesenkt und blieb so bis zur Nachkriegs- und Wirtschaftswunderzeit, bis es immer wieder angepasst wurde.

Dynamische Rente mit Generationenvertrag: Start bei 150 Mark

Seit 1957 im Westen Deutschlands das Rentensystem mit einer dynamischen Rente eingeführt wurde, wurde diese jährlich an die Lohnentwicklung angepasst. In den 1950er-Jahren lag die durchschnittliche Altersrente noch etwa bei 150 DM pro Monat. Die 1970er bis 1980er-Boomjahre führten zu einer Steigerung der Renten. So betrug Ende der 1970er-Jahre die durchschnittliche Rente etwa 600 DM pro Monat. Die wirtschaftliche Entwicklung und primär die Wiedervereinigung führten zu größeren Anpassungen, wobei die Renten nach der Wende in Ostdeutschland schrittweise an das Westniveau angepasst werden sollten.

Doch eine nominale Erhöhung über die Jahrzehnte heißt nicht, dass automatisch die Kaufkraft der Rente gestiegen ist. Der Inflationsrechner auf der Website länderdaten.info wertet öffentlich zugängliche Datenbanken aus. Dabei wird deutlich: Die Kaufkraft von 100 Euro im Jahr 1960 entspricht der von 512,87 Euro am Anfang des Jahres 2023. Umgekehrt konnte man also 1960 mit 182,86 Euro so viel kaufen wie heute mit 1.000 Euro.

Ost und West 2024 erstmals gleichauf

Mitte 2023 lag die durchschnittliche Altersrente (nach mindestens 45 Versicherungsjahren) bei 1.543 Euro monatlich, so die offiziellen Zahlen der Bundesregierung. Dabei klafft zwischen Frauen und Männern ein Unterschied von mehreren hundert Euro: Männer kommen den Angaben zufolge nach 45 Versicherungsjahren auf eine Rente von durchschnittlich 1.637 Euro, Frauen auf 1.323 Euro monatlich.

Zum 1. Juli 2024 sind die Renten in den alten und neuen Bundesländern erstmals gleichsam gestiegen, und zwar um 4,57 Prozent. „Die diesjährige Rentenanpassung liegt dabei deutlich über der Inflationsrate“, schreibt die Bundesregierung auf ihrer Website und weiter: „Die Bundesregierung rechnet laut Jahreswirtschaftsbericht 2024 mit einem Anstieg der Verbraucherpreise um 2,8 Prozent.“

Die vorherigen Rentenanpassungen am 1. Juli 2023 lag mit 4,39 Prozent im Westen und 5,86 Prozent im Osten unter der Inflationsrate 2023 von 5,9 Prozent. Im Jahr davor waren die Verbraucherpreise sogar um 6,9 Prozent gestiegen.

Altersarmut unter Rentnern

Die Teuerungsrate schlägt vor allem bei Menschen mit geringem Einkommen wie Rentnern zu Buche. Und das zumeist direkt an der Supermarktkasse, da sie einen höheren Anteil des ihnen zur Verfügung stehenden Geldes für Artikel des täglichen Bedarfs aufbringen müssen. Gerade Lebensmittel sind allein in den vergangenen drei Jahren um fast ein Drittel teurer geworden. Das zeigt eine Sonderauswertung des Statistischen Bundesamtes für den Zeitraum von Januar 2020 bis Mai 2024. In dem Zeitraum sind die Zuckerpreise sogar um rund 80 Prozent gestiegen, Mehl und andere Getreideerzeugnisse und Kartoffeln um rund 50 Prozent.

All diese erhöhten Kosten sorgen dafür, dass selbst bei Rentenbezug das Thema Altersarmut zunehmend in den Fokus rückt: Laut EU-Definition gilt eine Person als armutsgefährdet, wenn sie über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung verfügt. Während knapp 15 Prozent der Gesamtbevölkerung als arm gelten, liegt die Armutsgefährdungsquote bei Personen ab 65 Jahren laut Statistischem Bundesamt um einiges höher, aktuell bei knapp 20 Prozent.

Länger leben und länger arbeiten

Bei Ausweitung ihrer Lebensarbeitszeit über das 67. Lebensjahr hinaus würden Rentner wohl vor allem für die nächsten Generationen einzahlen. Das soll das Rentensystem finanziell stabil halten, da die Anzahl der Beitragszahler im Verhältnis zu den Rentenempfängern kontinuierlich abnimmt, argumentieren Befürworter dieses Ansatzes. Da Menschen länger leben und gesünder bleiben, könnten sie auch länger arbeiten.

Für Stabilisierung von Renten und zum Füllen der leeren Sozialkassen gibt es weitere Ideen: Auch Zuwanderung sei angesichts der demografischen Entwicklung und Überalterung in Deutschland wichtiger denn je. „Nicht nur, um das Fachkräfteproblem zu lösen, sondern ebenfalls, um Menschen zu haben, die in die Sozialkassen einzahlen“, sagt Ökonom Marcel Fratzscher von Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. 

Die Wirtschaftsweise Grimm sieht weiteres Sparpotenzial im Hinblick auf die Rente beim Bürgergeld. „Es muss Menschen vorbehalten sein, die in Not geraten und ihren Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten können“, so Grimm gegenüber der „Rheinischen Post“, „aber diejenigen, die leistungsfähig sind, sollten durch das Bürgergeld nicht vom Arbeiten abgehalten werden. Dafür braucht es etwa Sanktionen.“

Ein weiterer Lösungsansatz sieht vor, dass auch Selbstständige bald zur Rentenkasse gebeten werden. Beim Rentenpaket II ist nicht festgeschrieben, dass es eine Pflichtversicherung für Selbstständige geben soll. Laut Bundesarbeitsministerium ist dazu allerdings bereits ein Gesetzesentwurf in Arbeit. Wann dieser ins Parlament eingebracht werden soll, ist bisher nicht bekannt.

Eine Berufsgruppe ist seltener im Gespräch, um die Rentenkassen wieder auf Kurs zu bringen und die Löcher zu stopfen: Während normal Beschäftigte monatlich 18,6 Prozent ihres Bruttolohns an die Rentenkasse abtreten, sind Beamte davon ausgenommen und bekommen obendrauf für ihre Staatsdienste am Ende ihrer Karriere oft üppige Ruhegehälter: Die Pensionen können bis zu 71,75 Prozent des letzten Grundgehaltes betragen und werden aus Steuergeldern von der arbeitenden Bevölkerung finanziert.



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