Arbeiterwohlfahrt kritisiert Zögern von Finanzminister Lindner

Das Familienministerium will die Anträge zur Kindergrundsicherung für Eltern erleichtern. Der Entwurf sieht ab 2025 einen verpflichtenden und einen variablen Beitrag vor. Kritik gibt's am Finanzminister.
Titelbild
Fast drei Millionen Kinder fallen in Deutschland unter die Armutsgrenze.Foto: Christian Charisius/Symbolbild/dpa
Von 30. März 2023

Jedes fünfte Kind in Deutschland ist von Armut betroffen. Das entspricht fast drei Millionen Jungen und Mädchen, wie eine Studie der Bertelsmann Stiftung belegt. Mit der geplanten Kindergrundsicherung will die Regierung dem entgegenwirken, zumal die Zahlen während der Corona-Pandemie gestiegen sind.

Familien und ihre Kinder sollen ab 2025 von der Grundsicherung profitieren. Etwa zwölf Milliarden Euro könnte das Programm nach Ansicht des Deutschen Gewerkschaftsbundes kosten.

Doch angesichts dieser Summe tritt Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) auf die Bremse: „Nicht alles, was wünschenswert ist, geht sofort“, sagte er vor gut einer Woche. Es gebe außerdem noch kein Konzept für die Kindergrundsicherung.

AWO: Hinauszögerung ein „Skandal“

Angesichts der Diskussionen um die Finanzierung übte die Arbeiterwohlfahrt scharfe Kritik am Verhalten von Lindner. „Aus Sicht der AWO ist es ein Skandal, dass die Umsetzung der Kindergrundsicherung vom Bundesfinanzminister derart hinausgezögert wird“, sagte der Präsident des AWO-Bundesverbandes, Michael Groß, der „Rheinischen Post“. Solide Konzepte für die Kindergrundsicherung gebe es seit Jahren, das Vorhaben sei im Koalitionsvertrag vereinbart.

„Natürlich kostet das Geld – aber der Kampf gegen Kinderarmut muss uns das wert sein. Als Gesellschaft können wir es uns nicht leisten, Kinder und Jugendliche zu vergessen oder zum politischen Spielball zu machen“, mahnte Groß. „Die gesellschaftlichen Folgen von Kinderarmut kosten uns viel mehr als Zukunftsinvestitionen wie die Kindergrundsicherung.“

Ministerin Paus rechnet mit zwölf Milliarden Euro Mehrbedarf

Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) hatte einen Mehrbedarf von etwa zwölf Milliarden Euro veranschlagt, um die Kinderarmut in Deutschland zu bekämpfen. Hingegen plant Finanzminister Lindner mit geringeren Ausgaben und verweist etwa auf die auf jüngste Erhöhung beim Kindergeld.

Die Kindergrundsicherung soll ab 2025 das derzeitige Kindergeldsystem ersetzen. Paus will besonders einkommensschwache Familien entlasten, um die Zukunftschancen der Kinder zu erhöhen. Daher plant die Ministerin die Bündelung bisheriger Leistungen wie Kindergeld, Kinderfreibetrag, Kinderzuschlag, Teile des „Bildungs- und Teilhabepakets“ und mehr. Auch den Zugang zu finanzieller Unterstützung will sie vereinfachen.

Weil es bisweilen mühsam sei, Anträge auszufüllen, würden viele Familien ihre Ansprüche gegenüber dem Staat nicht geltend machen. Mit der Kindergrundsicherung solle alles einheitlicher, einfacher und gezielter werden, berichtet der „Westfälische Anzeiger“.

Leistungen bis zum 27. Lebensjahr möglich

Demnach setzt sich der Entwurf des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend aus zwei Teilen zusammen – dem Grund- und dem Zusatzbetrag. Der Grundbetrag soll mindestens der Höhe des Kindergeldes entsprechen. Derzeit sind das 250 Euro pro Monat. Alle zwei Jahre ist eine Überprüfung des Betrags angedacht. Sind bestimmte Voraussetzungen gegeben, soll er angepasst werden. Dieser Grundbetrag ist eine feste Größe. Er wird nicht mit anderen Sozialleistungen wie etwa dem Bürgergeld der Eltern verrechnet.

Der Zusatzbeitrag richtet sich hingegen nach dem Einkommen der Eltern. Neben einer Kinderwohnpauschale (zurzeit 150 Euro) soll er eine Pauschale für Bildung und Teilhabe beinhalten. Dafür gibt es aktuell 15 Euro. Je mehr die Eltern verdienen, desto geringer fällt diese Leistung aus. Ab einem bestimmten Jahreseinkommen, dessen Grenze noch nicht festgelegt ist, entfällt der Zusatzbeitrag ganz.

Analog zum Kindergeld gilt die Kindergrundsicherung ab Geburt bis zum 18. Lebensjahr. Wer eine Ausbildung macht, erhält die Unterstützung bis maximal zum 25. Geburtstag. Studenten erhalten zwei Jahre länger Geld vom Staat. Außerdem sollen volljährige Kinder, die nicht mehr bei ihren Eltern leben, den Betrag direkt bekommen.

Deutscher Städtetag fordert schnelle Einigung

Mithilfe eines neuen Onlineportals soll die Antragstellung einfacher werden. Vorgesehen ist auch, dass Eltern zukünftig keine Einkommensnachweise mehr vorlegen müssen. Die neue Kindergrundsicherungsstelle soll entsprechende Informationen direkt vom Finanzamt bekommen.

Derzeit ist die Kindergrundsicherung nur ein politisches Vorhaben. Der Gesetzesentwurf soll nach der Sommerpause stehen – vorausgesetzt, die Diskussionen um die Finanzierung sind bis dahin beendet.

Der Deutsche Städtetag forderte die Ampelkoalition zur schnellen Einigung bei der Finanzierung auf. „Die neue Kindergrundsicherung sollte ein Meilenstein gegen Kinderarmut werden. Nun muss die Ampel den Knoten durchschlagen, damit das neue System bis 2025 kommen kann“, sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy dem „Redaktionsetzwerk Deutschland“. „Die Eckpunkte der Familienministerin zeigen bereits in die richtige Richtung“, betont er.

Auch die Grünen machen Druck. „Die Kindergrundsicherung muss kommen, und sie wird kommen. Also muss sie auch finanziert werden“, zitiert die „Bild am Sonntag“ die Grünen-Chefin Ricarda Lang.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion