Arbeit im Rentenalter soll attraktiver werden – und so könnten „Anreize“ aussehen

Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger spricht sich dafür aus, ältere Menschen länger zur Erwerbstätigkeit in der Rente zu motivieren. Dies soll den Fachkräftemangel lindern und das System entlasten. Als Anreiz sollen Sozialabgaben wegfallen.
Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger warnt vor einem Loch in der Rentenkasse.
Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger warnt vor einem Loch in der Rentenkasse.Foto: Sven Hoppe/dpa
Von 11. Januar 2024

Zuletzt im Oktober 2023 hatte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger in einem Gespräch mit dem „Münchner Merkur“ vor einem möglichen Zusammenbruch des Rentensystems gewarnt. Damals wies er auf die Entwicklung des Zahlenverhältnisses zwischen Beitragszahlern und Beziehern einer Rente hin. Jüngst hat Dulger sich auch über jene Personen geäußert, die beides sind: Ruheständler, die sich zu ihren Rentenbezügen etwas dazuverdienen.

Seit Corona können auch Frührentner unbegrenzt dazuverdienen

Es sei von zentraler Bedeutung, das Arbeiten in der Rente in Deutschland attraktiver zu gestalten, erklärte Dulger in der „Welt“. Dem Land fehlten Fachkräfte, es herrsche generelle Personalnot und 30 Prozent der heutigen Erwerbstätigen erreichten demnächst das Rentenalter.

Um einen weiteren Bruch auf dem Arbeitsmarkt zu vermeiden, sollten die sogenannten Babyboomer freiwillig im Erwerbsprozess gehalten werden. Dafür müsse es jedoch auch Anreize geben. Dulger schlägt in diesem Zusammenhang vor, ältere Menschen, die in ihrer Rente erwerbstätig bleiben, von Sozialabgaben zu befreien.

In einem Interview mit der „Welt“ spricht Dulger von „Strafbeiträgen“, mit denen Rentner belastet würden, die ihre Freiheit des Zuverdiensts nutzten. Ihre Arbeitgeber tragen ebenfalls einen Teil der Beiträge. Seit Beginn der Corona-Pandemie steht das Recht auf Zuverdienst auch Frührentnern in vollem Umfang zu.

Statt es den Vertragspartnern schwerer zu machen, solle die Ampelkoalition „mehr Anreize setzen für die Beschäftigung älterer Menschen“. Der Bund deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) habe dazu auch ein Positionspapier erarbeitet. In diesem wird ein Ende der Pflicht zur Zahlung von Sozialbeiträgen bei Beschäftigung ab Rentenbezug gefordert – beziehungsweise eine Beitragssenkung in der Krankenversicherung.

Belastungen durch Nebenkosten bei Arbeit in der Rente

Altersrentner zahlen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge selbst. Bis zum Erreichen der Altersgrenze für die Regelaltersrente müssen Arbeitgeber für sie sogar Beiträge zur Arbeitslosenversicherung bezahlen. Dulger hält dies für nicht sachgerecht, da die Versicherungsleistung faktisch nie in Anspruch genommen würde. Wer trotz Rente noch arbeite, sei bei Jobverlust ohnehin durch die Rente selbst abgesichert – und könne notfalls auch von einer Teil- in die Vollrente wechseln.

Vollrentner bezahlen einen ermäßigten Beitragssatz zur Krankenversicherung von 14,0 Prozent, weil sie keinen Anspruch auf Krankengeld haben. Für Teilrentner gelten noch 14,6 Prozent. Aus Sicht des Arbeitgeberverbandes ist auch dies nicht erforderlich, weil Rente und Wechseloption in die Vollrente bei längerer Krankheit ausreichend Sicherheit böten.

Bezüglich der gesetzlichen Rentenversicherung ist die Beitragspflicht nur für den Arbeitgeber verpflichtend. Dies soll dem Umlageprinzip Rechnung tragen, wonach derzeitige Beitragszahler die Rente für derzeitige Rentenempfänger entrichteten. Der beschäftigte Rentner sei bereits ein solcher. Allerdings kann er freiwillig seinen Anteil an den Rentenversicherungsbeiträgen weiterbezahlen, was die Rente erhöhe.

Habeck für Reformen beim Rentenbezug offen

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hatte sich Vorschlägen dieser Art gegenüber teilweise offen gezeigt. Auch er will durch längere Beschäftigung älterer Arbeitnehmer dem Fachkräftemangel gegensteuern. Dies sprach der Minister auch in seinem Thesenpapier zur Industriestrategie aus dem März des Vorjahres an.

In diesem schlug er vor, die Arbeitgeberbeiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung direkt an die Beschäftigten auszubezahlen. Die Summe würde sich immerhin auf 10,6 Prozent des Bruttolohns beziehen. Die SPD sprach sich gegen ein solches Vorgehen aus, weil dies systemfremd wäre.

Dulger tritt jedoch auch für eine Abschaffung aller Anreize für eine Frühverrentung ein – und für eine Anpassung des Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung. Derzeit stünden, so erklärte er im Herbst des Vorjahres, 100 Beitragszahlern bereits 50 Rentenempfänger gegenüber, in 15 Jahren würden es bereits 70 sein.

Dazu komme der „Braindrain“, den viele Unternehmen infolge der möglichen „Rente mit 63“ erlebten. Wer 45 volle Beitragsjahre aufweist, kann bereits zu diesem Zeitpunkt eine Vollrente beantragen. Wer auf 35 kommt, kann diese mit Abschlägen in Anspruch nehmen.

„Rente mit 63“ derzeit für viele noch erreichbar – doch nicht für alle leistbar

Für Dulger ein falsches Signal – und er kann dabei mittlerweile auch auf Rückendeckung von Bundesarbeitsagenturchefin Andrea Nahles rechnen. Diese hatte jüngst eine „unselige Frühverrentungspraxis“ beklagt, die seit Corona noch zugenommen habe.

Allerdings stellt sich zunehmend auch die Frage, wer sich die Inanspruchnahme dieser Option perspektivisch noch leisten kann. Bereits jetzt müssen etwa 9,3 Millionen sozialversicherungspflichtige Vollzeiterwerbstätige in Deutschland mit einer Rente von unter 1.500 Euro rechnen. Das geht aus Erhebungen des Bundesarbeitsministeriums hervor. Selbst diese Bezüge setzen jedoch voraus, dass die Versicherten 45 Jahre lang vollzeitbeschäftigt waren – bei einem Monatsbrutto von 3.602 Euro.

Das Mindestsicherungsniveau bei der Rente liegt derzeit bereits nur noch bei 48 Prozent des jeweiligen Durchschnittsverdienstes. Der sogenannte Eckrentner – also der Standardrentner mit 45 Beitragsjahren – kann derzeit mit einer Rente von durchschnittlich etwa 68 Prozent seines durchschnittlichen Nettoeinkommens rechnen. Auch hier ist die Tendenz sinkend.



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