AOK Krankenhaus-Report 2021: Jeder zweite beatmete COVID-19-Patient ist gestorben

Beatmung mit Tubus, Maske oder ganz auf Beatmung verzichten? Am Anfang der Corona-Krise gab es große Unsicherheiten. Der AOK Krankenhaus-Report 2021 zieht Schlüsse aus den Lehren des Vorjahres.
Titelbild
Ein Intensivbett mit Beatmungsgerät im Allgemeinen Krankenhaus Viersen.Foto: Roland Weihrauch/dpa/dpa
Von 5. April 2021

Eine aktuelle Datenauswertung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK nimmt die Entwicklung der Krankenhausfallzahlen in der zweiten Pandemiewelle genauer unter die Lupe. Am 30. März fand hierzu eine Pressekonferenz statt, bei dem der Krankenhaus-Report 2021 der AOK vorgestellt wurde.

Im AOK-Report heißt es, dass das Coronavirus zu einem schweren Krankheitsverlauf führen könne, von dem vor allem alte und vorerkrankte Menschen betroffen seien. Wenn beatmet werden muss, so würden auch jüngere Patienten eine lange Beatmungsdauer aufweisen. Die höchste Beatmungsquote erreichen die 60 bis 79-Jährigen (22 Prozent).

Die aktuelle Auswertung zeigt, dass die Krankenhaussterblichkeit mit dem Alter der COVID-19-Patienten steigt und auch bei beatmeten Patienten deutlich höher liegt. Jeder zweite beatmete COVID-19-Patient ist demnach gestorben.

Bei den stationär behandelten Patientinnen und Patienten mit COVID-19 liegt die Sterblichkeitsrate bei 18 Prozent. Dabei wurden die Daten für den Zeitraum vom 1. Februar bis 30. November 2020 zugrunde gelegt.

Auswertung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WidO) vom 30. März 2020. Foto: Screenshot AOK-Report

Durch die Krise sei ein Optimierungsbedarf deutlich geworden, heißt es von der AOK. So wurden 59 Prozent der beatmeten COVID-19-Fälle in Krankenhäusern mit sehr viel Beatmungserfahrung behandelt, während 18 Prozent der Fälle in Kliniken mit „unterdurchschnittlicher Beatmungserfahrung“ behandelt wurden.

Auswertung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) vom 30. März 2020. Foto: Screenshot AOK-Report

Wurden in der ersten Pandemiewelle drei Viertel der beatmeten Patienten (74 Prozent) zunächst invasiv beatmet, waren dies im Oktober und November nur noch 39 Prozent.

Der Anteil der Patienten, die ausschließlich nicht-invasiv – also nicht durch einen eingeführten Tubus, sondern per spezieller Maske zur maschinellen Unterstützung beim Luftholen – beatmet wurden, verdreifachte sich fast von zehn auf 28 Prozent. Gleichzeitig erhöhte sich der Anteil der Patienten, die von einer nicht-invasiven Beatmung auf invasive Beatmung umgestellt wurden (von neun auf 21 Prozent).

Auswertung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) vom 30. März 2020. Foto: Screenshot AOK-Report

Eine Publikation, die die Unterschiede nach den Beatmungsverfahren genauer beleuchtet, ist gemeinsam mit der DIVI in Vorbereitung, heißt es von der AOK. Auf jeden Fall würden diese Befunde nahelegen, dass von klinischer Seite weiter untersucht werden solle, bei welchen COVID-19-Patienten und welchen klinischen Parametern welche Beatmungsmethode zu welchem Zeitpunkt am besten zum Einsatz kommt. Insofern gebe es noch Forschungsbedarf.

Auf die während der Pressekonferenz gestellte Frage der Epoch Times, ob es im Jahr 2020 generelle Engpässe im Bereich der Notfallversorgung im Krankenhaus gegeben habe, antwortete Jürgen Klauber, Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO), bezogen auf die COVID-19-Fälle: „Wir haben natürlich nicht die Detailzahlen… Mir ist nicht bekannt, dass das deutsche System irgendwo flächendeckend oder relevant überfordert worden wäre.“ Es mag sein, dass in besonders betroffenen Gebieten Patienten verlegt werden mussten. „Aber ich sehe nicht, dass das System bisher überfordert war und hier substantielle Engpässe entstanden sind.“ Für die dritte Welle könne man das vielleicht anders sehen, so Klauber.

Rückgang bei Notfallbehandlungen außerhalb COVID-19

Besorgt äußerten sich die AOK-Vertreter über die Rückgänge bei Notfällen wie Herzinfarkten und Schlaganfällen. Aber auch bei Krebs-Operationen sind die Fallzahlen in der zweiten Pandemiewelle wieder stark eingebrochen, heißt es.

Auswertung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) vom 30. März 2020. Foto: Screenshot AOK-Report

In der ersten Welle seien die Krankenhäuser panikartig geräumt worden, aber es gebe nun einmal nicht nur COVID-19 im Krankenhaus.

„Es hilft nicht, einfach nur zusätzliche Intensivbetten aufzustellen und den Bestand an Beatmungsgeräten aufzustocken. Der entscheidende und gleichzeitig limitierende Faktor ist das qualifizierte Personal, das die schwer erkrankten Patienten qualitativ hochwertig versorgen und die Geräte richtig bedienen kann“, sagte Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes in der Pressekonferenz am 30. März.

„Das war schon vor Corona so, aber die Pandemie wirft aktuell noch einmal ein grelles Schlaglicht auf die hohe Belastung vieler Ärzte und Pflegekräfte und die Personalnot in vielen Kliniken.“

Weniger Behandlungen, aber mehr Geld für Kliniken

Allein für die Freihaltepauschalen der Krankenhäuser sind im letzten Jahr rund 9,4 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt zur Verfügung gestellt worden. Weitere 700 Millionen Euro haben die zusätzlichen Intensivbetten-Kapazitäten gekostet, die die Krankenkassen gezahlt haben, schilderte Litsch.

Am Anfang der Pandemie ist das Geld quasi mit der Gießkanne verteilt worden. Flächendeckend waren alle Krankenhäuser angehalten, Betten frei zu räumen“, so Litsch.

Zum Ausgleich erhielten die Kliniken zum Teil überhöhte Freihaltepauschalen. „Diese Fehler der aus der ersten Pandemiewelle hat der Gesetzgeber – mit Unterstützung des eingesetzten Expertenbeirats – durch die Einführung differenzierter Freihaltepauschalen korrigiert“, erklärte Litsch weiter. „Seit November haben nur noch bestimmte Krankenhäuser Anspruch darauf.“

Zusätzlich zu den staatlich finanzierten Freihaltepauschalen sind aus den Mitteln der Beitragszahler im vergangenen Jahr über 82 Milliarden Euro in die stationäre Versorgung geflossen.

„Trotz der vielen ausgefallenen Operationen und Behandlungen mit einem Fallzahlrückgang um knapp 13 Prozent ist nicht weniger, sondern mehr Geld geflossen als im Vorjahr – nämlich 1,25 Milliarden Euro mehr als 2019“, berichtet Litsch weiter. Wenn man die bereits genannten Freihaltepauschalen hinzurechne, haben die Kliniken im Vergleich zum Vorjahr mehr als zehn Milliarden Euro zusätzlich erhalten.

Um die Liquidität der Kliniken zu gewährleisten und die Versorgung der Patienten zu sichern, haben bundesweit etwa zwei Dutzend Kliniken die von der AOK zur Absicherung angebotenen Liquiditätshilfe in Anspruch genommen.

Problematisch sei, dass das Geld der Beitragszahler nicht immer effektiv eingesetzt werden kann. „Die Kliniken sollten bei diesem Thema in Pandemiezeiten grundsätzlich aber nicht als Bittsteller auftreten müssen. Stattdessen sollten die Länder verpflichtet werden, die Liquidität von Krankenhäusern abzusichern, bei denen die aktuellen Regelungen der Freihaltepauschalen nicht greifen“, betonte Litsch.

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