Anzeige gegen Woidke: AfD zweifelt an Aussage im Corona-Untersuchungsausschuss

Die Partei wirft dem brandenburgischen Ministerpräsidenten eine uneidliche Falschaussage vor. Der SPD-Politiker soll in einem Bürgerdialog brisante Aussagen gemacht haben.
Titelbild
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD).Foto: John MacDougall/AFP via Getty Images
Von 1. Juni 2023

Der Untersuchungsausschuss des Landtags von Brandenburg zu Corona hat seine Arbeit im April beendet. Für die AfD, die ihn im Landtag erzwungen hatte, endete er höchst unbefriedigend. Ihre Abgeordneten warfen den anderen Fraktionen vor, die Beweiserhebung torpediert zu haben. Auch hatte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) es abgelehnt, ein weiteres Mal vor dem U-Ausschuss auszusagen.

Nun haben drei Abgeordnete der AfD Anzeige gemäß Paragraf 153 StGB gegen Woidke erstattet. Einer der Parlamentarier, Lars Hünich, erklärt dazu in einem parteinahen Podcast, es bestehe der Verdacht auf falsche uneidliche Aussagen vor dem U-Ausschuss.

Am 12. März 2020 fiel ein „Leitlinien-Beschluss“

Grund dafür seien Aussagen, die Woidke im Rahmen eines Bürgerdialoges in Falkensee am 16. Mai 2023 getätigt habe. Der Ministerpräsident soll darin geäußert haben, dass der Beschluss zur Verhängung des ersten Lockdowns am 12. März 2020 gefallen sei.

An jenem Tag habe sich die Ministerpräsidentenkonferenz erstmals mit der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel beratschlagt. Auch der damalige Chef des Robert Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, und Charité-Virologe Christian Drosten seien dort anwesend gewesen. Woidke habe, so seine Darstellung, am Morgen des Tages noch nicht gewusst, dass am Abend der Lockdown inklusive Schließung von Schulen und Kindergärten beschlossen würde.

Einige Länder hatten zu diesem Zeitpunkt bereits weitreichende Maßnahmen zur Minimierung des öffentlichen Lebens ergriffen. Unter diesen waren Italien, Spanien und Frankreich. Der Bundesregierung zufolge fiel der erste Beschluss über einen Lockdown bei der Konferenz vom 22. März 2020.

Am 12. März habe es einen Leitlinien-Beschluss über mögliche Einschränkungen des sozialen Lebens gegeben. Diesen habe man zehn Tage später in der Folgesitzung erweitert – und damit sei der erste Lockdown in Vollzug gelangt.

Im April 2021 hatte Woidke vor dem U-Ausschuss ausgesagt

Hingegen habe Woidke in seiner Befragung vor dem U-Ausschuss am 22. April 2021 den Lockdown anders begründet. Damals habe er ausgesagt, man habe die Maßnahmen unter dem Eindruck der Bilder aus dem italienischen Bergamo getroffen.

Die „Zeit“ zitierte Woidke damals mit der Aussage:

Es dürfte sich von selbst verstehen […], dass ich alles dafür tun wollte und weiter will, dass sich kein zweites Bergamo bei uns im Land Brandenburg ereignet.“

Darüber hinaus hatte Woidke die Maßnahmen damit begründet, „die Gesundheit und das Leben jedes Einzelnen zu schützen“. Es sei darum gegangen, eine Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden. Auf der Grundlage „zahlreicher wissenschaftlicher Studien“ sei man zu dem Ergebnis gekommen, dass „schnelle, effektive und harte Maßnahmen“ erforderlich seien.

AfD wirft Woidke bewusste Falschaussage vor

Hünich steht auf dem Standpunkt, dass die Bilder aus Bergamo zu diesem Zeitpunkt noch nicht durch die Medien gegangen seien. Entsprechend hätten sie auch keine Grundlage für eine Lockdown-Entscheidung abgeben können.

Entweder, so die AfD-Fraktion, habe Woidke „die Mitglieder des Untersuchungsausschusses belogen oder die Bürger in Falkensee“. Ersteres wäre unter Umständen strafbar, Letzteres „nur“ moralisch verwerflich.

Möglicherweise besteht bezüglich des Begriffs der „Bilder aus Bergamo“ auch eine Uneinigkeit hinsichtlich der Reichweite des Terminus‘. In der Nacht auf den 18. März 2020 verließ ein langer Konvoi von Militärlastwagen mit über 60 Särgen die norditalienische Stadt.

Bergamo bereits Anfang März als Sinnbild unkontrollierter Corona-Ausbreitung

Die Maßnahme war nach Darstellung offizieller Stellen erforderlich, weil das Krematorium der Gemeinde überlastet gewesen sei. Auf den Friedhöfen habe es keinen Platz mehr für die vielen Corona-Toten gegeben. Diese Bilder gingen auch durch deutsche Medien.

Allerdings machten bereits am 6. März Bilder über katastrophale Verhältnisse in norditalienischen Krankenhäusern die Runde. In sozialen Medien wurden diese Berichte ausgiebig geteilt. Bereits damals warnte der Arzt Daniele Macchini aus Bergamo vor einem „Tsunami, der uns überwältigt hat“. Seine Botschaft damals lautete: „Unterschätzt das Virus nicht!“

Die Darstellung, dass Bergamo schon zu diesem Zeitpunkt ein Sinnbild für unkontrolliertes Wüten des Coronavirus gewesen sei, ließe sich in diesem Kontext möglicherweise nicht von der Hand weisen. Hünich jedoch geht von einer absichtlichen Fehlinformation vonseiten des Ministerpräsidenten aus. Dieser habe „abgewartet, bis das Urteil gesprochen wurde, damit wir ihn nicht mehr hören dürfen. Und jetzt ist ihm alles egal, weil er denkt, ja die sind eh doof.“

Im April dieses Jahres hatte das Landesverfassungsgericht Brandenburg entschieden, dass eine weitere Anhörung Woidkes vor dem U-Ausschuss nicht erforderlich sei. Die AfD hatte diese zuvor beantragt. Mit dem zu Ungunsten der Fraktion ausgefallenen Urteil konnte der Ausschuss jedoch geschlossen werden.



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