Anschlag von Magdeburg: Ausländische Medien rätseln über Tätermotive und Untätigkeit der Behörden
Der Anschlag vom Freitagabend, 20. Dezember, auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg hat auch international ein breites Echo ausgelöst. Die mit hoher Geschwindigkeit ausgeführte Todesfahrt mit einem Pkw durch die Menge hatte fünf Tote, darunter ein Kind, und mehr als 200 Verletzte zur Folge.
Tatverdächtig ist der 50-jährige Taleb A. Der seit 2006 in Deutschland ansässige saudi-arabische Staatsangehörige, der in einer psychiatrischen Klinik in Bernburg tätig war, fiel im Internet durch islamfeindliche Beiträge und Drohungen gegenüber deutschen Behörden auf. Aus welcher Motivation heraus er die im Stile dschihadistischer Gruppen ausgeführte Tat begangen hat, ist zur Stunde noch ungeklärt.
Tatverdächtiger von Magdeburg am Arbeitsplatz negativ in Erscheinung getreten
In der internationalen Presse sind es schwerpunktmäßig zwei Themenkomplexe, die in besonderer Weise Aufmerksamkeit finden. Das eine sind die Persönlichkeit und die ideologischen Überzeugungen des Tatverdächtigen. Das andere ist der Umstand, dass es offenbar mehrfach Hinweise auf eine mögliche Gefährlichkeit des 50-Jährigen gegeben habe.
Die britische „Daily Mail“ zitiert Berichte aus dem Lebensumfeld des Tatverdächtigen. Diesen hätten Nachbarn als „zurückhaltend, aber höflich“ beschrieben. Das Blatt wies auch darauf hin, dass mehrere liberale Zeitungen ihn als „humanitären Aktivisten“ interviewt hätten, der sich vor allem weiblicher saudischer Flüchtlinge angenommen habe.
Andererseits sei es sogar gerichtlich aktenkundig, dass Taleb A. 2018 eine Kollegin „in heftiger Weise attackiert“ habe. „Seltsamerweise“ habe dies jedoch keine Entlassung nach sich gezogen. Einige Arbeitskollegen im Salus-Fachklinikum hätten eine kritischere Wahrnehmung von A. gehabt als die Nachbarn.
In Großbritannien schufen Sicherheitsdienste neue Gefährderkategorie
Britische Antiterrorexperten haben der „Daily Mail“ zufolge mittlerweile bereits eine neue Kategorie von Bedrohung definiert. Diese beschreibe nun Gefährder mit „keiner festen Ideologie“. Experten zufolge wiesen diese kein geschlossenes Weltbild im Sinne einer links-, rechts- oder religiös-extremistischen Ideologie auf.
Vielmehr machten sie sich extremistische Elemente aus unterschiedlichen Ideologiegebäuden zu eigen. Eine Quelle aus dem Sicherheitsapparat äußerte gegenüber der Publikation:
„Am Ende ist das Resultat aber immer das gleiche – nämlich Gewalt.“
Der „Guardian“ zitierte eine Augenzeugin, der zufolge der Tatverdächtige gezielt die Märchenabteilung auf dem Weihnachtsmarkt angesteuert habe, wo sich besonders viele Kinder aufhielten. Der Bericht des „Guardian“ enthielt allerdings einige sachliche Ungenauigkeiten. So wurde das neunjährige Opfer unzutreffend als Mädchen beschrieben und das Bernburger Klinikum wurde „15 Kilometer“ südlich von Magdeburg angesiedelt. Tatsächlich ist Bernburg etwa 40 Kilometer entfernt.
Medien in Saudi-Arabien veröffentlichen Beileidsbekundungen
Die „Hindustan Times“ schreibt von „mindestens drei Warnungen“, die Saudi-Arabiens Behörden an deutsche Stellen gerichtet hätten. Dabei sei die erste bereits 2007 an Deutschland übermittelt worden. CNN berichtet sogar von vier Warnungen saudischer Behörden. Bereits in den Jahren 2007 und 2008 hätte die Justiz in Riad sogar Auslieferungsersuchen an Deutschland wegen krimineller Delikte gestellt. Hier habe man eine Auslieferung von Taleb A. jedoch „aus Sorge um die Sicherheit“ des Betreffenden verweigert.
Der „Telegraph“ präzisiert, dass drei der Warnungen der Saudis an Polizeibehörden und eine ans Auswärtige Amt gerichtet worden seien. Im Dezember 2023 drohte A. in sozialen Medien, Deutschland werde „einen Preis bezahlen“ für die von ihm behauptete schlechte Behandlung saudischer Flüchtlinge.
In dem Blatt kommt auch Taha Al-Hajji zu Wort, der Leiter der in Berlin ansässigen European Saudi Organisation for Human Rights. Er nennt den Tatverdächtigen eine „psychisch gestörte Person mit einer übertriebenen Wahrnehmung der eigenen Wichtigkeit“.
Medien in Saudi-Arabien selbst haben ebenfalls erwähnt, dass es Warnungen aus dem Königreich gegeben habe – die jüngsten 2023 und sogar noch 2024. Im Vordergrund der Berichterstattung standen dort jedoch die Bekundungen von Anteilnahme vonseiten der saudi-arabischen Regierung und der „Muslimischen Weltliga“. Beide verurteilten die Tat und unterstrichen ihre Ablehnung jedweder Art von Gewalt und Terrorismus.
Russische Medien fragen: Warum wurde in Magdeburg die IS-Vorgehensweise kopiert?
Auch in Malaysia findet der Anschlag mediale Aufmerksamkeit – insbesondere die indifferente Reaktion deutscher Behörden auf Warnungen aus Riad. Die türkische „Hürriyet“ spricht von sieben verschiedenen Drogen, die im Körper des Tatverdächtigen gefunden worden seien. Auch deutsche Medien zitieren einen diesbezüglichen Wischtest. Das Blatt berichtete, dass sich auch zwei türkische Staatsangehörige unter den Verletzten befunden hätten. Darüber hinaus spielten in türkischen Medien auch Kondolenzbekundungen politischer und diplomatischer Vertreter eine Rolle.
In russischen Medien findet sich eine eher knappe Berichterstattung zum Anschlag von Magdeburg. Lediglich in Auslandsmedien sind auch Analysen zu finden.
Dort wird unter anderem darüber gerätselt, warum der islamfeindliche Tatverdächtige ausgerechnet die Methode dschihadistischer Terroristen kopiere. Dies deute darauf hin, dass Taleb A. einen dschihadistischen Anschlag hätte vortäuschen wollen. Allerdings sei dies spekulativ und es stünden ebenso persönliche Motive im Raum.
Soziale Medien in der arabischen Welt zeigen uneinheitliche Einschätzungen
Spekulationen kennzeichnen jenseits der großen regierungsnahen Medien auch die Reaktionen in der arabischen Welt. Ein Aspekt, der zur Sprache kam, war die Berichterstattung über den Anschlag in westlichen Medien. Einige Nutzer sozialer Medien dort meinten, es werde zu viel darüber berichtet, was dem Attentäter unnötige Aufmerksamkeit verleihe. Andere wiederum meinen, wäre der Verdächtige Muslim, würde noch mehr und noch sensationalistischer berichtet.
In einigen Fällen wird auch sichtbar, wie stark die konfessionellen Spannungen in der Region nach wie vor sind. Der Umstand, dass der Tatverdächtige aus der vorwiegend schiitischen Region Qatif in Saudi-Arabien stammt, inspiriert Theorien über eine Beteiligung des iranischen Regimes. Demnach könnte die Tat ein Racheakt für den Machtwechsel in Syrien sein.
Unerwähnt bleibt dabei, dass sich auf dem X-Profil von Taleb A. auch gegen den Iran gerichtete Inhalte finden. In der syrischen Community machen Spekulationen die Runde, wonach Maher al-Assad, der in die irakische Kurdenregion geflohene Bruder des früheren syrischen Machthabers, die Attacke finanziert habe. Das Regime solle demnach „Schläfertruppen“ in Europa unterhalten.
Tatverdächtiger im Fokus von Verschwörungserzählungen
Anhänger der neuen Regierung in Damaskus stellten einen Zusammenhang her mit Versuchen, das künftige Syrien noch stärker zu säkularisieren. Sie erklären, „Terrorismus und Apostasie“ seien zwei Seiten derselben Medaille. Allerdings hat auch Taleb A. selbst Posts des neuen Machthabers in Damaskus, Ahmed al-Scharaa, geteilt.
In der kurdischen Community wird über einen möglichen Zusammenhang des Timings der Attacke mit der Position der deutschen Regierung zu Syrien spekuliert. Diese hatte sich für ein Friedensabkommen zwischen Kurdenmilizen und der neuen Führung in Damaskus ausgesprochen. Regierungsnahe türkische Accounts rücken Taleb A. hingegen in die Nähe der Sympathie zu SDF und PKK. Bisherigen Erkenntnissen zufolge ist der Verdächtige jedoch ein Einzeltäter ohne jedwede Verbindung zu inländischen oder ausländischen politischen oder militanten Gruppierungen.
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