„Anne Will“: Olaf Scholz sieht seine Kanzler-Chancen steigen

Das schlechte Abschneiden der CDU bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz hat den Optimismus von SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz mit Blick auf den Bund beflügelt. Bei „Anne Will“ ließ er offen, in welcher Konstellation er Kanzler werden wolle.
Titelbild
Olaf Scholz.Foto: Christian Marquardt - Pool/Getty Images
Von 15. März 2021

Am Sonntagabend waren als Vertreter der größten politischen Parteien Kanzlerkandidat Olaf Scholz für die SPD, Robert Habeck für die Grünen und Ex-Innenminister Thomas de Maizière für die CDU in der ARD-Talksendung „Anne Will“ erschienen.

Die Verluste der Union in beiden Bundesländern motivierten Scholz dazu, seinen Anspruch auf das Kanzleramt mit Blick auf die Bundestagswahlen im kommenden Herbst noch einmal zu unterstreichen.

Scholz sagt nicht, mit wem er Kanzler werden will

„Ein Ergebnis für die Union unter 30 Prozent ist möglich – und das strebe ich auch an“, zeigte sich Scholz euphorisch. Auch wenn die SPD in beiden Ländern Stimmen einbüßte, in Baden-Württemberg nur knapp die FDP auf Distanz halten konnte und in bundesweiten Umfragen auf Platz drei hinter Union und Grünen liegt, hält Scholz Mehrheiten auch ohne CDU und CSU für möglich.

Ob seine Wunschkonstellation dabei eher ein Linksbündnis oder eine Ampelkoalition mit Grünen und FDP wäre, ließ Scholz offen. Die SPD sei aber, so betonte er, wieder „eine fröhliche Partei“.

In Abwesenheit wurde auch am seit Januar amtierenden CDU-Bundesvorsitzenden Armin Laschet Kritik geübt. Auch de Maizière verwies auf bundesweite Zustimmungsraten von unter 50 Prozent für den – in seinem eigenen Bundesland jedoch beliebten – Ministerpräsidenten von NRW. Dies lasse erkennen, dass „der nächste Kanzler nicht automatisch von der CDU gestellt“ werden würde. Allerdings liege diese nach wie vor deutlich voran.

Habeck: Parteien wird weniger Sachkompetenz zugeschrieben

Robert Habeck freute sich über das Ergebnis seiner Partei. Die Grünen hatten in Baden-Württemberg zwar etwa 37.000 Stimmen weniger als 2016 bekommen, prozentual jedoch um 2,3 Prozent zugelegt und den Führungsanspruch von Ministerpräsident Winfried Kretschmann untermauert.

In Rheinland-Pfalz konnte die Partei auch stimmenmäßig ein deutliches Plus für sich verbuchen. Mit 9,3 Prozent der Zweitstimmen lag das Ergebnis jedoch deutlich unter jenem im südlichen Nachbarland.

Dies veranlasste Habeck auch zu einer eher zurückhaltenden Würdigung der Zahlen vom Wahlabend. Die Wahlgewinner seien in erster Linie Personen, nämlich Kretschmann und die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer.

Alle Parteien, auch seine eigene, hätten jedoch bei der Frage nach der Sachkompetenz deutlich schlechter abgeschnitten als bei den vorangegangenen Wahlen. Dies sei ein Hinweis auf wachsende Politikverdrossenheit und schwindendes Vertrauen in die demokratischen Institutionen.

Tatsächlich ist die Wahlbeteiligung in beiden Ländern deutlich geringer gewesen als vor fünf Jahren: In Baden-Württemberg fiel sie um 6,6 Prozent auf 63,8 Prozent.

Der Anteil der ungültigen Stimmen lag bei 0,7 Prozent (gegenüber 0,9 Prozent im Jahr 2016). In Rheinland-Pfalz beteiligten sich 64,4 Prozent am Urnengang (minus 6,0). Die Zahl der ungültigen Stimmen war mit 1,8 bzw. 1,2 Prozent bei Erst- und Zweitstimmen rückläufig.

Kritik bei „Anne Will“ an Nebeneinkünften

Einig war sich die Runde in der Einschätzung, dass die Korruptionsvorwürfe gegen Unionspolitiker im Zuge der „Masken-Affäre“ in den Verlusten für die CDU bei beiden Landtagswahlen niedergeschlagen hätten. De Maizière wies jedoch Vorwürfe zurück, es gäbe in der Union „strukturelle Korruption“. Scholz und Habeck forderten noch mehr Transparenz bezüglich der Nebeneinkünfte von Bundestagsabgeordneten.

Die „Spiegel“-Redakteurin Christine Hoffmann, die ebenfalls an der Runde teilnahm, erklärte, Bundestagsabgeordneter zu sein, wäre ein „Vollzeitjob“ – und es wäre mit einem immensen Schaden für die Demokratie verbunden, wenn Abgeordnete daneben noch sechsstellige Summen verdienten.

Am verheerendsten wirke sich jedoch aus, dass Menschen zunehmend an der Handlungsfähigkeit des Staates zweifelten – und das inmitten der Pandemie. Ob bei der Beschaffung von Masken, bei Testmöglichkeiten oder jüngst bei der Versorgung mit Impfstoff: Die Bürger erlebten den Staat zunehmend als nicht in der Lage, seiner Verantwortung gerecht zu werden, betonte Politikwissenschaftlerin Ursula Münch.

Persönliche Glaubwürdigkeit gewünscht, nicht extreme Positionen

Immerhin zeigten die Ergebnisse von Linkspartei und AfD, dass auch politikverdrossene Bürger nicht nach radikalen Optionen Ausschau hielten. Dies sei auch, so Münch, eine Mahnung für Scholz: Es komme nicht auf linke Positionen der SPD-Führung an, sondern auf persönliche Glaubwürdigkeit.

Dass diese, wo sie erlangt worden sei, auch verlorengehen könne, zeigten Beispiele wie Angela Merkel und Jens Spahn, denen Bürger „lange durchaus etwas zugetraut“ hätten, deren Leistungen in der Corona-Politik nun jedoch zu den Gründen für die Stimmenverluste der CDU zählten. Die Menschen im Land wollten „einfach nur gut regiert“ werden.



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