Angst vor „rechter Mischpoke“: Innenminister uneins über Nennung von Nationalitäten Tatverdächtiger
Zu keiner gemeinsamen Position gelangten die Länderinnenminister im Rahmen ihrer Tagung in Lübeck bezüglich der Frage, inwieweit die Polizei in Pressemitteilungen über strafbare Handlungen in ihrem Zuständigkeitsbereich die Nationalitäten von Tatverdächtigen nennen soll.
Wie die „Welt“ berichtet, klagte Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier über Verdächtigungen, die Polizei wolle bestimmte Fakten im Zusammenhang mit Meldungen zur Kriminalität verschleiern. „Deshalb glaube ich, wenn wir Transparenz verlangen, gehört das dazu“, meint Caffier. Es sei aber erforderlich, dass alle Länder sich auf eine bestimmte Vorgehensweise einigten.
Derzeit nennt die Polizei in Hamburg immer die Herkunft Verdächtiger. NRW will nachziehen, um Verdächtigungen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Innenminister Herbert Reul erklärte, man würde mit der Nichtangabe der Nationalitäten „denen Vorschub leisten, die Gerüchte organisieren“. Gegen diese empfehle sich die Flucht nach vorne:
Die ganze rechte Mischpoke, die unterwegs ist, schürt ja damit das Misstrauen der Menschen in die Polizei, in den Staat. Und ich finde, das ist die Sache nicht wert.“
„Wir müssen auch nicht bei jedem Verkehrsdelikt die Nationalität sagen“
Aus dem gleichen Grund lehnt Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) eine Einigung auf eine generelle Nennung der Nationalitäten ab. Die Nationalität zu nennen oder nicht zu nennen, sei „genauso wichtig oder unwichtig wie die Haarfarbe, Größe oder die Augenfarbe“. In kleinen Orten sei ein Verdächtiger zudem über die Angabe der Nationalität identifizierbar. „Man sollte da wirklich die Kirche im Dorf lassen und hier nicht die Agenda der AfD abarbeiten.“
Thüringens Innenminister Georg Maier plädiert für eine Einzelfallabwägung. Es solle nichts verschwiegen werden, „aber wir müssen auch nicht bei jedem Verkehrsdelikt die Nationalität sagen“. Berlins Innensenator Andreas Geisel erklärt, in seinem Zuständigkeitsbereich werde die Nationalität genannt, „wenn sie im Zusammenhang mit der Tat steht und den Hergang der Tat oder Teile der Tat erklärt“.
In ähnlicher Weise handhaben auch zahlreiche regionale und überregionale Medien die Problematik. Befürworter einer umfassenden Nennung der Nationalität von Tatverdächtigen argumentieren, dass die Öffentlichkeit das Recht habe, sich ein Bild dahingehend zu machen, inwieweit Kriminalität ein hausgemachtes Phänomen sei und inwieweit ein importiertes.
Pass relevanter als Familienverhältnisse oder Wohngegend?
Skeptiker bezweifeln hingegen, dass die Nennung von Nationalitäten in jedem Fall einen entscheidenden Informationsgewinn verschafft. Zum einen bliebe auch bei Tatverdächtigen mit deutscher Staatsangehörigkeit ein Spielraum für Spekulationen über das Bestehen und eine mögliche Relevanz eines allfälligen Migrationshintergrundes. Zum anderen gäbe es auch eine Vielzahl anderer Umstände, die kriminelle Neigungen fördern könnten, wie Arbeitslosigkeit, Wohngegend, psychische Unregelmäßigkeiten oder das Aufwachsen in nicht traditionellen Familienverhältnissen. Diese werden jedoch regelmäßig nicht genannt – zumal diese zum Zeitpunkt der Berichterstattung oft noch gar nicht bekannt sind.
Im Pressekodex des Deutschen Presserates wird als Regel die Nichterwähnung der Zugehörigkeit von Tätern oder Verdächtigen zu einer Gruppe oder Minderheit empfohlen. Eine Ausnahme sei zu machen, wenn ein „begründetes öffentliches Interesse“ an der Nennung bestehe.
Ein solches sei anzunehmen bei außergewöhnlichen Straftaten wie Terrorismus, Organisierter Kriminalität, Morden oder Sprengstoffanschlägen. Zudem sei sie als relevant anzusehen bei einer Straftat aus einer Gruppe heraus, „von der ein nicht unbeachtlicher Anteil durch gemeinsame Merkmale verbunden ist“ – etwa im Fall der Kölner Silvesternacht.
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