Ampelkoalition vor Grundsatzfrage: Kindergrundsicherung „die falsche Idee“?
Eines der sozialpolitischen Kernprojekte der Grünen ist – neben der Einführung des Bürgergeldes – die Kindergrundsicherung. Nach mehr als zwei Jahren Verhandlungen steht die Ampel in diesem Punkt wieder vor einer Grundsatzfrage. Die Kindergrundsicherung von Lisa Paus sorgt erneut für Streit in der Koalition. In einem Interview mit der „Rheinischen Post“ brachte die grüne Familienministerin Anfang April die Schaffung einer neuen Behörde ins Spiel. Mit dieser sollten dann gleich 5.000 Stellen geschaffen werden und am Ende könne man damit bis zu 5,6 Millionen Kinder erreichen, so Paus.
Diese neue Behörde ist jetzt zum Streitpunkt geworden: Die Familienministerin will die Zuständigkeit für Kindergeldleistungen von den Jobcentern separieren und in einen Familienservice überführen, wo die Kinder ihre Grundsicherung beziehen. Dafür soll eigens der Familienservice erschaffen werden, der die Kinder betreuen soll, während das Jobcenter weiter für die Eltern zuständig ist.
Ampel uneinig: Neue Behörde mit 5.000 neuen Stellen
SPD und FDP haben Einwände gegen diese Pläne. Vorrangig gehe es um unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand, Konfusionen an den behördlichen Schnittstellen und überbordende Bürokratie.
Die FDP will zudem den Vorschlag zur Schaffung Tausender neuer Stellen nicht mittragen. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Johannes Vogel, nannte die Forderung Anfang April „ebenso alt wie absurd“.
Man wolle „von der Holschuld der Bürger zur Bringschuld des Staates kommen“, so die Begründung von Familienministerin Paus. Finanzminister Christian Lindner (FDP) konterte das Herzensprojekt der Grünen mit folgenden Worten: „Die Vorstellung, dass der Staat eine Bringschuld bei Sozialleistungen habe, finde ich verstörend, erst recht, wenn dafür 5.000 neue Staatsbedienstete eingestellt werden.“
Die Bundesfamilienministerin hat eine von der FDP geforderte grundlegende Überarbeitung des Gesetzentwurfs zur Kindergrundsicherung abgelehnt. Ihre Begründung: Die Koalition hätte den Entwurf beschlossen, den Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), Finanzminister Christian Lindner (FDP) und sie gemeinsam erarbeitet hatten.
Allerdings: Auch aus den eigenen Reihen scheint die Unterstützung zu schwinden. Grünen-Chefin Ricarda Lang jedenfalls rückte von 5.000 neu zu schaffenden Behördenstellen ab und will die Debatte über die benötigten Stellen für die Reform beenden.
Grundsätzliche Kritik: Konzept sei „falsche Idee“
In die Debatte mischt sich jetzt eine frühere Spitzenbeamtin aus dem Familienministerium ein, Franziska Vollmer: „Die Kindergrundsicherung ist die falsche Idee. Ganz einfach, am besten automatisch, und zugleich zielgenau, eine solche Leistung kann es nicht geben“, berichtet die „Welt“. Vollmer glaube nicht an den Erfolg der von Lisa Paus geplanten Kindergrundsicherung.
Je weiter die Planungen voranschritten, desto klarer sei sie zu der Auffassung gekommen, dass die Idee letztlich nicht funktioniere. Mittlerweile dächten viele Fachleute so, die früher für Kindergrundsicherung gewesen seien, so Vollmer. Die Juristin war bis Anfang 2023 Referatsleiterin im Familienministerium und dort federführend für die Arbeit an dem Gesetzentwurf zuständig. Als einen der Gründe für ihren Jobwechsel gibt Vollmer ihre Kritik an dem Konzept an, fasst der „Spiegel“ zusammen.
„Wer Familien mehr Geld geben will, kann das innerhalb des bestehenden Systems tun.“ Und „wer die Verwaltung vereinfachen will, erreicht mit der Kindergrundsicherung trotz allerbester Absichten de facto leider das Gegenteil“, so Vollmer.
Kindergrundsicherung unabhängig von Staatszugehörigkeit
Mit der geplanten Kindergrundsicherung würde die Koalition ein eigenes staatliches Leistungssystem nur für Kinder erschaffen. Die Kindergrundsicherung würde allen Kindern, unabhängig vom Einkommen der Eltern, zustehen. Den aktuellen Plänen zufolge ganz ohne Einkommenstest oder andere Bedürftigkeitsprüfungen.
Die Leistung soll dabei automatisch vom Staat an die Familien ausgezahlt werden, ohne dass ein gesonderter Antrag gestellt werden muss. Die Behörden sollen die Anspruchsberechtigten herbei aktiv identifizieren und kontaktieren. Zustehen soll die Grundsicherung allen Kindern in Deutschland, unabhängig von der Staatsangehörigkeit der Eltern.
Geplant ist ein einheitlicher Kinder-Garantiebetrag mit einer gleichen Höhe für jedes Kind, der anstelle des bisherigen Kindergeldes ausgezahlt wird. Ein zusätzlicher Zusatzbetrag, der sich am Einkommen der Familie bemisst, soll so gestaltet werden, dass er schrittweise abgeschmolzen wird, wenn das Familieneinkommen steigt.
Eine neue Behörde, der Familienservice, soll für die Kinder zuständig sein – während die Eltern weiter vom Jobcenter betreut werden. Die Geldleistungen würden, so der derzeitige offizielle Planungsstand, nach unterschiedlichen Regeln in zwei Systemen berechnet.
In Deutschland gibt es 14,3 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Circa 2,2 Millionen davon fallen in die Kategorie „armutsgefährdet“, zumeist weil sie in Haushalten mit geringen Einkommen leben.
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