Ampelkoalition in Geldnot: Erhöhung des Bürgergeldes und Milliardensubventionen auf der Kippe
Wenn es nach Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gegangen wäre, dann wäre der Haushalt 2024 schon am Freitag, 8. Dezember, fertig gewesen. Dann beginnt der SPD-Parteitag in Berlin. Auch die Grünen hätten gerne schnellstmöglich den Haushalt fertig gehabt. In kleiner Runde hat Scholz deshalb am Mittwoch, 6. Dezember, mit Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und FDP-Chef Christian Lindner zusammengesessen und Details besprochen. Zu einem Ergebnis kamen die drei dann aber nicht.
Der Plan, noch in diesem Jahr den Haushalt 2024 unter Dach und Fach zu bringen, ist damit gescheitert. „Obwohl wir von unserer Seite alles dafür getan haben, kann der Haushalt für das Jahr 2024 nicht mehr rechtzeitig in diesem Jahr beschlossen werden“, schrieb die parlamentarische Geschäftsführerin der größten Koalitionsfraktion, Katja Mast, am Donnerstag in einer mit Fraktionschef Rolf Mützenich abgestimmten SMS an ihre Fraktion.
Die FDP hat offensichtlich auf der Bremse gestanden. Finanzminister Christian Lindner ließ am Rande des EU-Finanzministertreffens in Brüssel nun durchblicken, die FDP habe sich mehr Zeit lassen wollen. „Ich habe wahrgenommen, dass die Koalitionspartner sehr ehrgeizige Zeitpläne hatten“, sagte er.
Die Herausforderung, vor der die Koalition steht, ist tatsächlich groß: 17 Milliarden Euro müssen im kommenden Jahr im regulären Haushalt eingespart werden, weitere 13 Milliarden Euro im Klimafonds. Da müssen vermutlich auch lieb gewordene heilige Kühe geopfert werden. Alles steht im Moment zur Disposition. Wie das „Handelsblatt“ aus Koalitionskreisen erfahren haben will, soll es in kleiner Runde am Mittwoch auch um die milliardenschwere Subvention von Intel gegangen sein. Weiter sollen die Koalitionsspitzen auch über die Kürzung des Bürgergeldes gesprochen haben. Diese könnte zum 1. April 2024 greifen.
Dass Scholz, Habeck und Lindner sich am Mittwoch in kleiner Runde trafen, war ursprünglich nicht vorgesehen. Eigentlich sollte es schon bis Dienstagabend (5. Dezember) eine Einigung im Haushaltsstreit geben. Das ist nicht gelungen. Offensichtlich liegen die Ampelparteien inhaltlich noch weit auseinander. Ob sie wirklich schon auf der Zielgeraden sind, das bleibt abzuwarten.
Einen weiteren verfassungswidrigen Haushalt kann sich Regierung nicht leisten
Wegen der Folgen des Ukraine-Kriegs möchten SPD und Grüne gerne auch für 2024 eine „außergewöhnliche Notlage“ feststellen lasen. Damit würde die grundgesetzlich verankerte Schuldenbremse abermals ausgehebelt werden. Die Bundesregierung könnte dann, so der Plan, gut 25 bis 30 Millionen Euro Extraschulden aufnehmen. Das wäre in etwa der Betrag, der im Moment im Haushalt fehlt.
Die FDP möchte diesen Schritt nicht mitgehen. Vor allem Bundesfinanzminister Christian Lindner fürchtet, dass die Regierung mit einem erneuten Ausrufen der Notlage abermals gegen die Verfassung verstoßen könnte.
Bauchschmerzen macht dem Lindner-Ministerium, dass zwei Jahre nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs keine Notlage ausgerufen wurde. Wenn das nun geschehe, nachdem die Ukraine-bedingten Ausgaben sogar gesunken waren, könnte das verfassungsrechtlich fragwürdig sein. Einen weiteren verfassungswidrigen Haushalt, so die Position der FDP und des Finanzministeriums, könne sich die Bundesregierung nicht mehr leisten.
Wenn eine Umgehung der Schuldenbremse im kommenden Jahr nicht möglich ist, dann bleiben eigentlich nur noch Etatkürzungen in den Ministerien oder Steuererhöhungen als Ausweg. Gerade Kürzungen in den Einzelplänen der Ministerien dürften allerdings nicht einfach werden. Alle drei Koalitionspartner haben längst rote Linien gezogen.
Für SPD und Grüne ist klar, dass es keine Kürzungen im Sozialhaushalt geben darf. Dieser macht einen Großteil des Gesamthaushalts aus. Auch die geplanten Milliardeninvestitionen in den grünen Umbau der Wirtschaft sind für SPD und Grüne unantastbar.
Bleiben dann nur noch Steuererhöhungen. Dagegen läuft wiederum die FDP Sturm. Wenn sich die Koalitionspartner hier nicht bewegen, dann ist guter Rat tatsächlich teuer.
Intel-Subvention auf dem Prüfstand
In den Haushaltsgesprächen am Mittwoch soll es deshalb um die Milliardensubventionen für Intel gegangen sein. Mit diesem Posten könnte die momentane Blockade aufgebrochen werden, so die Hoffnung.
Sehr intensiv hatte sich die Bundesregierung darum bemüht, den US-Chiphersteller nach Deutschland zu locken. 33 Milliarden Euro möchte der Konzern nun in ein neues Werk in Magdeburg investieren. 3.000 Arbeitsplätze sollen insgesamt entstehen.
In der Geschichte der Bundesrepublik wäre das die größte Einzelinvestition. 9,9 Milliarden Euro als Staatshilfe möchte die Bundesregierung dazutun. Nach langer Verhandlung hatte sich die Ampel im Sommer darauf verständigt.
Die FDP stimmte damals nur mit großen Bauchschmerzen zu. Staatshilfen sieht die Partei aus ordnungspolitischen Gründen immer kritisch. Vor allem Bundeskanzler Scholz hatte sich schon während der Koalitionsverhandlungen stark für die Intel-Subventionen eingesetzt.
Nach der Haushaltsklatsche durch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe griff die FDP das Thema Intel-Subvention schnell wieder auf, wenn es um Sparansätze ging. „Man wird natürlich viel gefragt, wie sieht es eigentlich aus mit zehn Milliarden für Intel, wenn man 17 Milliarden einsparen muss. Und mit der Frage müssen wir uns dringend auch noch mal verschärft beschäftigen“, sagte FDP-Bundesvorstandsmitglied gegenüber dem „Handelsblatt“.
In der Talksendung „Maybrit Illner“ machte auch Lars Feld deutlich, dass sich fehlendes Geld im Haushalt schnell finden lasse. „Ich würde weder in Intel investieren noch würde ich diese riesigen Beträge an die Altindustrien zahlen“, sagte Feld. „Am Ende werden wir uns fragen müssen: Wie viel Geld haben wir da eigentlich versenkt?“ Lars Feld ist der Beauftragte des Bundesministers für Finanzen für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung, also Lindners finanzpolitischer Berater.
Bundeskanzler Scholz hingegen möchte an den Intel-Subventionen festhalten. Kurz nach dem Haushaltsurteil sagte er auf einer Konferenz der ostdeutschen Wirtschaft, dass die Subventionen für die Chipunternehmen in Ostdeutschland nicht angetastet werden. Hier würde als Letztes gespart, so Scholz.
Allerdings ist die Subvention von Intel bislang nicht rechtskräftig. Es gibt lediglich eine Absichtserklärung der Bundesregierung. Gegenwärtig prüft noch die EU-Kommission die Subvention. Nicht ausgeschlossen, dass die EU die Subvention noch einmal herabsetzt. Dass die Bundesregierung von sich aus diese Subvention streicht, ist nicht anzunehmen. Der Ruf Deutschlands wäre ruiniert, wenn man sich jahrelang um die Ansiedlung eines Unternehmens bemüht, auf höchster Ebene dann die Förderung schriftlich besiegelt und dann am Ende nicht einhält.
Thema Bürgergeld noch einmal aufmachen
Die FDP bringt immer wieder auch eine Kürzung des Bürgergeldes ins Gespräch. Zum nächsten Jahr soll dieses um 12 Prozent steigen. Firmenchefs berichten immer wieder, dass Menschen kündigen würden, weil sie mit Bürgergeld ein ähnlich hohes Einkommen erzielen könnten. Nur brauchen sie dafür nicht zu arbeiten. Auch der Ökonom Bernd Raffelhüschen hat gerade erst in einem Interview mit dem „Focus“ gesagt, dass das Bürgergeld für ihn eine „Fehlkonstruktion in sich“ ist.
Mit der Haushaltsberatung möchte Lindner das Thema Bürgergeld deshalb gerne noch einmal aufmachen. Zwar hat die Bundesagentur für Arbeit die Überweisungen an die Bürgergeld-Empfänger bereits angewiesen, womit eine Erhöhung im Januar nicht mehr aufzuhalten ist. Lindner schlägt aber vor, das Bürgergeld im zweiten Quartal des kommenden Jahres wieder abzusenken.
Was Christian Lindner vorschlägt, entspringt nicht „sozialer Kälte“, wie im linken Lager immer wieder behauptet wird. Das Bürgergeld im nächsten Jahr steigt nur deshalb so stark, weil die Berechnungsgrundlage von einer rückschauenden zu einer vorausschauenden Methodik geändert wurde. Das heißt, dass die Bundesregierung die Inflation von sechs Prozent aus diesem Jahr einfach ins nächste Jahr fortgeschrieben hat. Deshalb gibt es gleich zwölf Prozent mehr aus dem Topf des Steuerzahlers.
Eine Gesetzesänderung könnte diese Methodik wieder verändern. Die Bundesregierung könnte dann die tatsächliche Inflationsprognose zur Grundlage der Regelsatzbildung machen. Experten halten diese Methodik für realistischer. Setzte man diese Methode tatsächlich an, dann würde das Bürgergeld nur um neun statt zwölf Prozent steigen. Das wäre etwa eine Milliarde Euro, die man so sparen könnte.
Bürgergeldkürzungen sind im Moment allerdings mit SPD und Grüne nicht zu machen. Gerade die SPD hätte vermutlich große Probleme, diesen Schritt auf dem Bundesparteitag zu verkaufen. „Wir werden nicht den Sozialstaat preisgeben – weder im Ganzen noch in Teilen“, sagte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert gerade erst am Dienstag in Berlin. Und auch an den Bundeskanzler hat Kühnert eine sehr eindeutige Erwartung: „Wir wissen, dass der von uns gestellte Bundeskanzler keinen Haushaltsentwurf auf den Tisch legen wird, in dem der Sozialstaat zusammengestrichen wird.“
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