Ampelfrust bei FDP: Bringt der „Herbst der Entscheidung“ eine Wende?

Politikwechsel oder Regierungswechsel? Diese Frage stellt sich derzeit bei den Jungen Liberalen. Sie sind aber nicht die Einzigen, die eine Veränderung innerhalb der Partei fordern.
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Nicht jeder in der FDP will einen Ausstieg aus der Ampel.Foto: Torsten Asmus/iStock
Von 20. Oktober 2024

Bei der FDP hängt derzeit der Haussegen schief. In einem sind sich die Mitglieder einig: Veränderungen müssen her. In dieser Legislatur musste die FDP eine Reihe von herben Wahlniederlagen einstecken. Bei den Landtagswahlen am 1. September in Thüringen scheiterte die Fraktion mit 1,1 Prozent der Stimmen deutlich an der 5-Prozent-Hürde, in Sachsen lag das Wahlergebnis bei lediglich 0,9 Prozent. Drei Wochen später in Brandenburg erreichte die FDP den geringsten Stimmanteil bei allen deutschen Landtagswahlen mit 0,8 Prozent.

Das beste Wahlergebnis erzielte die FDP im Jahr 2021 in Baden-Württemberg mit 10,5 Prozent. Doch auch hier zeichnet sich ein Negativtrend ab. Laut einer Umfrage vom 10. Oktober liegt die FDP derzeit bei 6 Prozent. Wie sich dieser Trend bis zu den Wahlen, die voraussichtlich im Frühjahr 2026 stattfinden, entwickelt, bleibt abzuwarten.

In Ilmenau stand an diesem Wochenende die Wahl des Thüringer FPD-Vorsitzenden an. Spitzenkandidat Thomas Kemmerich wurde mit 70,9 Prozent der Stimmen erneut gewählt. Mit Blick auf die katastrophalen Wahlergebnisse sagte er laut „Merkur“ während der Tagung: „Schuldige zu suchen, bringt keinen weiter.“

„Nur damit aufzuhören, Fehler gefunden zu haben, bringt auch nicht weiter“, stellt er klar. Die Wahlkampagne der Thüringer Liberalen sei gut gewesen, aber sie habe die Wähler laut Kemmerich nicht erreicht. Stattdessen hätten die Themen Krieg und Frieden die Wahl bestimmt, sowie Debatten zum Gendern. Außerdem sei die FDP als Marke vom Schatten der Ampelregierung im Bund überdeckt worden.

Abstimmung über Koalitionsende

In Hessen will der Neu-Isenburger Ortsverbandsvorsitzende Ulf Kasimir einen Mitgliederentscheid zum Ausstieg aus der Ampel erzwingen, wie die „Hessenschau“ berichtet. „Soll die FDP die Koalition mit SPD und Grünen als Teil der Bundesregierung vor Ablauf der Legislaturperiode beenden?“, so die Frage.

5 Prozent der Stimmen der Parteimitglieder sowie 3.500 Unterstützerbriefe sind für eine solche Abstimmung nötig. Laut Kasimir befürworten 95 Prozent der FDP-Mitglieder, die sich bei ihm bislang zurückgemeldet haben, einen schnellstmöglichen Ausstieg aus der Ampel.

„Wir hätten dann Zeit, unser liberales Profil zu schärfen und uns für eine zukünftige Wahl auch entsprechend den Wählern zu präsentieren“, so Kasimir.

Erst im Dezember 2023 scheiterte eine derartige Mitgliederbefragung zum Ampel-Aus. Nur 48 Prozent stimmten für einen Austritt aus der Koalition; 52 Prozent waren für einen Fortbestand der Ampel.

Tim Hordorrf von den hessischen Jungen Liberalen sieht einen Ampelaustritt nicht als Lösung. Die FDP sei das Kämpfen gewohnt. Mindestens alle zehn Jahre gehe es darum, die 5-Prozent-Hürde zu meistern. Aus seiner Sicht müsse die FDP ihre Inhalte mehr in den Vordergrund stellen, „was mit Rot und Grün nicht immer ganz einfach“ sei.

FDP-Generalsekretär drängt auf Veränderung

Der FDP-Generalsekretär Djir-Sarai will die Fortsetzung der Ampelkoalition weiterhin davon abhängig machen, ob bis zum Jahresende substanzielle Entscheidungen bei den Themen Migration, Wirtschaft und Haushalt getroffen werden.

Ob gemeinsam weiterregiert werden kann, „hängt davon ab, ob wir einen Herbst der Entscheidungen erleben“, sagte Djir-Sarai der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Das Land brauche „Klarheit“, so der FDP-Generalsekretär.

„Die Menschen müssen am Ende dieses Jahres erkennen können, dass diese Bundesregierung bei der Steuerung und Begrenzung von Migration deutliche Veränderungen vornimmt. Die Zahlen müssen erkennbar runter. Wir brauchen wirtschaftspolitische Maßnahmen, die die Wende einläuten“, sagte Djir-Sarai.

FDP-Jugend fordert Richtungswechsel

Auch die Jungen Liberalen drängen auf Veränderung. Über 600 Mitglieder tagen an diesem Wochenende, um über die politische Situation in Deutschland zu sprechen. Grund zur Sorge gibt nach Aussage der Bundesvorsitzenden Franziska Brandmann die am 15. Oktober erschienene Shell-Jugendstudie 2024. Darin wird die Haltung der Jugendlichen als „sehr besorgt“ beschrieben.

„Wir sehen einen beachtlichen Anteil an verdrossenen Jugendlichen, insgesamt rund 12 Prozent der jungen Leute“, so Studienleiter Prof. Dr. Mathias Albert. Daneben gebe es einen erheblichen Anteil kritischer und unzufriedener Jugendlicher, die leicht durch Populismus erreichbar seien und dem Staat sowie der Gesellschaft kritisch gegenüberstünden. Diese würden sich als „benachteiligte Modernisierungsverlierer“ sehen.

Zu dieser Gruppe gehören Jugendliche mit eher niedriger Bildung, aber auch aus den neuen Bundesländern und auffallend viele junge Männer, so Albrecht weiter. Gleichzeitig betonte er, dass diese nicht die gesamte Generation prägen.

Brandmann erklärte mit Blick auf die Studie: „In unserem Land verändert sich etwas, aber die Politik hinkt hinterher – das spürt jeder einzelne von uns, jeder einzelne in diesem Land, außer Olaf Scholz. Dieses Land braucht jetzt einen Richtungswechsel.“

Es geht dabei nicht um die FDP und auch nicht um die Frage, ob sich die Ampel auflöst oder bestehen bleibe. „Es geht um die Reformen, die unser Land jetzt so dringend benötigt!“, so Brandmann. In den Themengebieten Haushalt, Wirtschaft, Außenpolitik und Rente müsse es zur Kursänderung kommen.

„Entweder macht diese Regierung einen Politikwechsel möglich – oder wir machen Platz für einen Regierungswechsel“, betonte sie.

Politikexperten raten von Ampelausstieg ab

Politikexperten raten indes der FDP davon ab, vorzeitig aus der Regierung auszusteigen.

„Es ist falsch anzunehmen, dass ein vorzeitiges Verlassen der Ampelkoalition für die FDP vorteilhaft wäre“, sagte Forsa-Chef Manfred Güllner der „Rheinischen Post“ (Donnerstagsausgabe). „Ihre Wählerklientel erwartet, dass sie in der Regierung vor allem für weniger Bürokratie, für weniger Gängelung durch den Staat sorgt“, sagte der Chef des Berliner Meinungsforschungsinstituts.

Auch der Bonner Politikwissenschaftler Frank Decker sieht Vorteile für die FDP im Verbleib statt im vorzeitigen Aufkündigen der Koalition. „Wenn die FDP die Koalition platzen lassen würde, würden die Bürger sie als Schuldige abstrafen. Umfragen zeigen ganz klar, dass die Bürger keine vorgezogenen Neuwahlen wollen“, sagte Decker der Zeitung.

(Mit Material der Agenturen)



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