Ampel will Cannabis-Gesetz in dieser Woche durchboxen – Medizin sieht Freigabe kritisch
Der Gesundheitsausschuss im Bundestag soll sich an diesem Mittwoch abschließend mit dem geplanten Cannabis-Gesetz befassen. Erwartet wird, dass dann noch in dieser Woche der Bundestag darüber abstimmt. Nach Plänen der Ampel-Koalition sollen Anbau und Besitz ab April für Erwachsene in festgelegten Grenzen erlaubt sein.
„Ich gehe davon aus, dass wir spätestens diesen Freitag das Cannabis-Gesetz im Bundestag beschließen werden“, sagte die zuständige SPD-Berichterstatterin Carmen Wegge dem „Stern“. Das Gesetz sei ein „Meilenstein in der deutschen Drogenpolitik“ und eine deutliche Verbesserung der aktuellen Situation.
Die finale Abstimmung im Bundestag steht noch nicht auf der Tagesordnung der aktuellen Sitzungswoche. Dem Vernehmen nach sollen die zweite und dritte Lesung des Cannabis-Gesetzes am Dienstag auf die Tagesordnung gesetzt werden.
Grüne optimistisch für Cannabis zu Genusszwecken
Grünen-Gesundheitspolitikerin Kirsten Kappert-Gonther äußerte: „Einer Verabschiedung des Gesetzes steht formal nichts mehr entgegen“. So die Vorsitzende des Gesundheitsausschusses zum „Stern“. „Ich bin optimistisch, dass der Bundestag diese Woche das Cannabis-Gesetz verabschiedet.“ Mit der Reform gehe man „weg von der unwirksamen und schädlichen Verbotspolitik, hin zu einer Politik, die den Jugend- und Gesundheitsschutz ins Zentrum stellt“. Dies sei ein „überfälliger Schritt“.
Die begrenzte Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken gilt als ein zentrales Projekt der Ampel-Koalition. Die Reform soll am 1. April in Kraft treten.
Kritik von vielen Seiten, Brandbrief an die Regierung
Zuletzt flammte jedoch die Kritik an dem Vorhaben, auch innerhalb der Regierungsparteien, wieder auf. Besonders Innenpolitiker der SPD warnten vor dem Gesetz, die Innenminister der Länder schrieben einen Brandbrief an die Bundesregierung. Eigentlich sollte das Gesetz schon vor der Winterpause im Dezember beschlossen werden.
Klaus Holetschek, CSU-Fraktionschef im bayerischen Landtag, kritisiert die geplante Cannabis-Legalisierung durch die Ampel-Koalition scharf. „Die Erlaubnis zum Cannabis-Anbau und Konsum ist falsch und gefährlich“, sagte Holetschek der „Mediengruppe Bayern“.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) solle auf den Rat der Ärzte hören. „Mit dem geplanten Gesetz wird der Jugendschutz vernachlässigt, mehr und mehr Jugendliche können krank werden“, so Holetschek. „Das ist ein irrsinniges Vorhaben für unser ohnehin belastetes Gesundheitssystem. Die Abstimmungspläne im Bundestag müssen deswegen sofort gestoppt werden.“
Richterbund warnt vor Mehrbelastung
Der Deutsche Richterbund kritisiert das Cannabisgesetz, das in dieser Woche im Bundestag verabschiedet werden soll, und fordert den Bundesrat auf, das Gesetz zu stoppen. „Sofern die Ampelkoalition die Bedenken der Praktiker dagegen nicht aufgreift, sollte der Bundesrat das Gesetz stoppen und den Vermittlungsausschuss einschalten“, sagte Richterbund-Geschäftsführer Sven Rebehn dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Dienstagsausgaben).
„Mit dem Cannabisgesetz kommt eine gewaltige Mehrbelastung auf die ohnehin schon überlastete Strafjustiz zu“, kritisierte Rebehn. Die Staatsanwaltschaften verzeichneten landauf, landab steigende Verfahrenseingänge, „zuletzt waren es bundesweit rund 850.000 offene Fälle, fast 30 Prozent mehr als vor zwei Jahren“, so der Bundesgeschäftsführer des Richterbundes.
Die Pläne der Ampelkoalition trieben diese hohe Belastung nun auf die Spitze: „Das in der Umsetzung ohnehin aufwendige Cannabisgesetz sieht obendrein noch einen rückwirkenden Straferlass vor“, sagte Rebehn. Rechtskräftig verhängte Strafen wegen Taten, die nach neuem Recht nicht mehr strafbar seien, sollten demnach erlassen werden, soweit sie noch nicht vollstreckt sind.
„Das lässt sich allerdings nicht per Knopfdruck ermitteln, sondern erfordert eine händische Überprüfung aller einschlägigen Fälle“, so Rebehn. „Wir sprechen dabei von Zehntausenden Akten bundesweit.“
Die Medizin hat auch Bedenken
Aus der Medizin kommen Bedenken, ob jungen Menschen das Risiko von Cannabis ausreichend bewusst ist. Denn bis zum Alter von 25 Jahren reift das Gehirn. Wer diesen Prozess durch heftiges Kiffen stört, kann sich lebenslange Folgen einhandeln – Stichwort Psychose.
„Ich befürchte, dass wir mit dem geplanten Gesetz den Teufel mit dem Beelzebub austreiben“, sagt Euphrosyne Gouzoulis-Mayfrank. Die Neurologin und Psychiaterin ist die künftige Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (DGPPN). Das Alter sei der entscheidende Punkt bei dieser Diskussion. Das werde zu wenig gesehen.
Cannabis ist eine psychoaktive Substanz aus der Hanfpflanze, die abhängig machen kann – ob nun als Joint, Haschkeks oder anders verpackt. „Riskanter Konsum lässt sich nicht pauschal festmachen“, sagt Stephanie Eckhardt, Referatsleiterin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) des Referats für Suchtprävention.
Der Cannabis-Konsum sei in Deutschland vor allem bei jungen Erwachsenen zwischen 18 und 25 Jahren gestiegen, berichtet Eckhardt. Nach jüngsten Angaben der BZgA hatte 2021 die Hälfte von ihnen bereits Cannabis-Konsumerfahrung – das sei der höchste von ihr erhobene Wert seit 1973. Nach Angaben des Bundesministeriums für Gesundheit haben im Jahr 2022 rund 4,5 Millionen Erwachsene in Deutschland wenigstens einmal Cannabis genutzt – am häufigsten im Alter zwischen 18 bis 24 Jahren.
Manipulation im Gehirn
Bis zur Volljährigkeit soll Cannabis nach dem geplanten Gesetz verboten bleiben. Zudem gibt es mit Blick auf das Alter ein Stufenmodell: In Cannabis-Clubs sollen Vereinsmitglieder die Droge gemeinschaftlich anbauen und gegenseitig abgeben dürfen – pro Monat höchstens 50 Gramm pro Mitglied.
Bei 18- bis 21-Jährigen dürfen es nur bis zu 30 Gramm im Monat sein mit einem maximalen Gehalt von zehn Prozent der psychoaktiven Substanz THC. „Das ist kein unproblematischer Freizeitkonsum mehr“, urteilt Gouzoulis-Mayfrank, Ärztliche Direktorin der LVR-Klinik in Köln. 50 Gramm im Monat reichten für mehrere Joints am Tag. Auch 30 Gramm seien für junge Volljährige zu viel. „Die geplante Legalisierung ist ein Feldversuch in der Gesellschaft“, sagt die Ärztin für die DGPPN. „Aus unserer Sicht sollten wir im Moment nicht ganz so waghalsig voranschreiten.“
Forscher denken dabei an das körpereigene System für Cannabinoid-Moleküle: Im Gehirn gibt es von Natur aus Strukturen und Andockstellen für diese Substanzen. Sie regeln unter anderem Appetit, Emotionen und Schmerzempfindung mit. Dieses komplexe System reift beim Menschen langsam bis zum Alter von Mitte 20 heran.
Kommt Cannabis von außen hinzu, kann dieser Prozess gestört werden. Mediziner gehen davon aus, dass häufiges Kiffen bei Heranwachsenden die Cannabinoid-Strukturen im Gehirn verschiebt und verändert – und diese Manipulation Auswirkungen auf das ganze Leben haben kann.
Erhöhtes Risiko für Psychosen
Dafür gebe es Hinweise aus verschiedenen Forschungssträngen, erläutert Gouzoulis-Mayfrank. Wer früh und viel kiffe, habe ein deutlich erhöhtes Risiko für Psychosen – auch noch viele Jahre später. Eine weitere Folge davon könne eine größere Anfälligkeit für Abhängigkeitserkrankungen aller Art sein.
Die Risiken sind auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bewusst. Cannabis schade besonders dem noch wachsenden Gehirn, sagt auch er. Niemand dürfe das Gesetz missverstehen, hatte er bereits im August betont. „Cannabiskonsum wird legalisiert. Gefährlich bleibt er trotzdem.“
Expertin vermisst klares Signal an Volljährige
Psychiaterin Gouzoulis-Mayfrank rechnet in Deutschland mit Kollateralschäden, falls die Legalisierung so kommt wie geplant. „Ich befürchte, dass es nicht gelingen wird, die Gefahren von Cannabis glaubhaft rüberzubringen.“ Darum spricht sich ihr Fachverband für eine Freigabe erst ab 21 Jahren aus.
„Damit würde man auch ein klares Signal an junge Volljährige senden, dass Kiffen für sie problematisch ist.“ Durch unterschiedliche Regeln und Kontrollen können die Effekte der Legalisierung von Land zu Land unterschiedlich ausfallen. Erfahrungen aus dem Ausland sind deshalb nicht immer auf Deutschland übertragbar.
Neben Alkohol und Nikotin gilt Cannabis nach den Recherchen der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen weltweit als das beliebteste Rauschmittel. (dpa/red)
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