Ampel-Streit um Rentenreform: Generationenkapital und steigende Beitragssätze im Fokus

Die Ampelkoalition hat im Bundestag erstmals ihre Rentenreform vorgestellt. Während die Regierung auf Stabilität im Rentensystem setzt, stellt die FDP Teile des Reformpakets infrage. Im Zentrum der Diskussion stehen das Generationenkapital und die Anpassung der Beitragssätze.
Christian Lindner und Hubertus Heil sind sich in Rentenfragen einig. (Archivbild)
Christian Lindner und Hubertus Heil sind sich in Rentenfragen einig. (Archivbild)Foto: Michael Kappeler/dpa
Von 28. September 2024

Am Freitag, 27.9., hat der Bundestag erstmals über die geplante Rentenreform der Ampelkoalition debattiert. Ob es zu dieser überhaupt kommen wird, ist noch ungewiss – ebenso wie die Details der Ausgestaltung. Es gibt zwar einen Gesetzentwurf, auf den sich die Koalitionsparteien geeinigt hatten. Vor allem die FDP hatte jedoch zuletzt wiederholt Elemente des Reformpakets infrage gestellt.

Stabilisierung bei 48 Prozent und „Generationenkapital“ als Pfeiler geplanter Rentenreform

Die Rentenreform soll einen Anlauf der Politik darstellen, das im Kern auf das späte 19. Jahrhundert zurückgehende deutsche Rentensystem angesichts der demografischen Entwicklung zu stabilisieren. Die derzeit geltende Rentenanpassungsformel ist nach Überzeugung der Bundesregierung ein weiterer Faktor, der bereits nach 2025 ein deutlich niedrigeres Rentenniveau erwarten ließe.

Das Kabinett will das Rentenniveau nun langfristig bei 48 Prozent gemessen am verfügbaren Durchschnittsentgelt stabilisieren. Die Bundesregierung hat dazu ein Konzept erarbeitet, das vorerst bis zum 30. Juni 2040 dieses Ziel absichern soll. Mit Blick auf spätere Zeiträume soll diese bis 2035 einen Bericht ausarbeiten.

Eine weitere Säule der Rentenreform soll das vor allem von der FDP forcierte „Generationenkapital“ sein. Dieses solle zumindest ein erstes Element der Kapitaldeckung in das vom Umlageverfahren gekennzeichnete System der gesetzlichen Alterseinkünfte bringen. Die Rente werde dadurch „nicht nur durch Beiträge und Leistungen des Bundes, sondern auch durch Kapitalerträge getragen“.

Keine echte Aktienrente – Beiträge sollen mittelfristig auf 22,3 Prozent steigen

Allerdings ist dieses Segment lediglich dazu gedacht, die Finanzierung der staatlichen Zuschüsse zur Rentenversicherung abzusichern. Eine Möglichkeit für Versicherte, individuell Kapital für die eigene Altersrente anzusparen, ist damit nicht verbunden. Wirkung soll das Generationenkapital, das durch Kredite finanziert werden soll, ab Mitte der 2030er Jahre entfalten.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil machte deutlich, dass ohne die geplante Reform die Rentner verglichen zur arbeitenden Bevölkerung an Einkommen und Kaufkraft verlieren würden. Ein Absinken der Bezüge wäre ohne flankierende Maßnahmen unausweichlich. Die Beitragshöhe für die Beitragszahler würde vorerst bei 18,6 Prozent stabilisiert, machte der Minister auch am Freitag im Bundestag deutlich. Mittelfristig werde sie jedoch auf 22,3 Prozent steigen.

Die FDP will sich damit jedoch nicht abfinden. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Partei, Johannes Vogel, das Rentenpaket sei in seiner vorliegenden Form „noch nicht zustimmungsfähig“. Die Liberalen wollen eine stärkere Orientierung am schwedischen Modell, bei dem zumindest ein Teil des Kapitals für die Altersvorsorge auch individuell in Aktien angespart werden soll.

FDP nimmt Mütterrente und „Rente mit 63“ ins Visier

Auf Kabinettsebene sei das Rentenpaket ausverhandelt, zitiert die ARD-„Tagesschau“ den sozialpolitischen Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Pascal Kober. Aber es gelte „das Strucksche Gesetz: Es kommt kein Vorhaben so aus dem Bundestag heraus, wie es hereingegangen ist“.

Hingegen warnte SPD-Chef Lars Klingbeil die FDP, die von ihrem eigenen Parteivorsitzenden ausverhandelte Reform zu blockieren. Die Reform sei zudem auch Teil des Koalitionsvertrags. Derweil warnen die Grünen davor, für das Ansparen des Genetationenkapitals Rentenbeiträge zu verwenden.

Neben der mittelfristigen Anhebung der Beitragssätze hatte die FDP vor allem den Weiterbestand der sogenannten Mütterrente sowie der Altersrente für besonders langjährig Versicherte beanstandet. Die 2014 eingeführte und 2019 ausgebaute Ausweitung der Anerkennung von Erziehungszeiten und die fälschlicherweise immer noch „Rente mit 63“ genannte vorzeitige Rentenoption für Personen mit 45 Beitragsjahren sieht sie als versicherungsfremd. Rückendeckung bekommt die Partei dabei von der „Wirtschaftsweisen“ Veronika Grimm.

Rentenreform potenzieller, aber wenig wahrscheinliche Bruchlinie für Ampelkoalition

Ob die FDP am Ende so weit gehen würde, mit ihrem Widerstand gegen das Rentenpaket die Koalition vorzeitig scheitern zu lassen, ist ungewiss. Noch baut man darauf, dass es im parlamentarischen Prozess Änderungen geben wird, wie es bereits beim Heizungsgesetz und der Kindergrundsicherung der Fall war.

Die Rente ist in der öffentlichen Debatte jedoch kein Reizthema, wie das Asylrecht. Auch ist sie – anders als etwa die Schuldenbremse oder die Steuerpolitik, kein Thema, das in hohem Ausmaß die Zielklientel mobilisieren würde.

Zudem gibt es bei der Rente ähnliche Kritikpunkte auch vonseiten der Union. Hermann Gröhe warf der Koalition im Bundestag vor, sämtliche Ratschläge von Experten vom Tisch zu wischen. Dies gelte insbesondere für den Beitragssatz als potenziellen Standortkiller. Gröhe appellierte an die FDP-Abgeordneten, ihr Abstimmungsverhalten ihren Überzeugungen anzupassen.

Gegenanträge von AfD und BSW

Die AfD-Fraktion brachte einen eigenen Antrag ein, ein „Junior-Spardepot“ zu schaffen, um auf diese Weise zumindest heute noch Minderjährige eine individuelle Aktienrente zu ermöglichen. Die Fraktion kritisiert unter anderem die Schuldenfinanzierung des „Genetationenkapitals“. Elemente der Kapitaldeckung in der Gesetzlichen Rentenversicherung sind in der Partei jedoch nicht unumstritten. Vor allem in den ostdeutschen Verbänden gibt es dagegen starke Vorbehalte.

Aus der Linken und dem BSW kommen Forderungen, Maßnahmen zur Hebung des Rentenniveaus zu ergreifen. Die Wagenknecht-Partei beantragte dazu eine Rentenreform, die sich an Vorbildern wie den Niederlanden oder Österreich orientiere. Dort seien alle Erwerbstätigen versicherungspflichtig, auch Beamte, Selbstständige und Parlamentsabgeordnete. In Österreich sind zudem die Beitragssätze höher – ebenso wie die Wartezeit bis zum erstmaligen Recht auf Rentenbezug. Die Mindestversicherungsdauer beträgt dort 15 Jahre.

 

 



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