Ampel im Bund zerbrochen, Sachsen ohne Lösung: Politische Fronten verhärten sich
Nicht nur die Ampelkoalition im Bund ist am Mittwoch, 6. November, zerbrochen. In Sachsen endeten auch die Sondierungsgespräche zwischen CDU, BSW und SPD etwas mehr als zwei Monate nach der Landtagswahl ergebnislos. Nach Differenzen um eine „Friedenspräambel“ brachen die Verhandler der Wagenknecht-Partei die Gespräche ab. Noch am Nachmittag publizierte die BSW-Fraktion dazu eine Presseerklärung.
Friedenspräambel: BSW legte Version mit vereinzelten Nachbesserungen vor
In dieser präsentiert das BSW seine Fassung einer Friedenspräambel, die von CDU und SPD nicht akzeptiert worden sei. Die „Sächsische Zeitung“ dokumentierte eine zuvor im Umlauf befindliche, die dem Bericht zufolge auch bei diesen konsensfähig gewesen wäre. Es sei diesbezüglich sogar schon am Dienstag eine Einigung erfolgt.
Das BSW verlangte jedoch eine Nachbesserung und sah sich dazu legitimiert, weil der Mittwoch noch ein regulärer Verhandlungstag dazu gewesen sei. Die Unterschiede in den Versionen sind geringfügig, aber offenbar aus Sicht der potenziellen Koalitionspartner substanziell genug, um eine Einigung auszuschließen.
Beide Texte sprechen vom „völkerrechtswidrigen Angriffskrieg“ Russlands gegen die Ukraine. Während in der Konsensfassung vom 5.11. jedoch die Rede davon ist, dass sich Sachsen „durch“ diesen „wachsenden Bedrohungen ausgesetzt“ sehe, ist dies im BSW-Text „seit“ diesem der Fall.
Muss Sachsen sich zu „Bündnisverpflichtungen“ bekennen?
Beide Fassungen enthalten die Aussage, seit zweieinhalb Jahren unterstütze Deutschland das ukrainische Volk „in seinem Kampf um Freiheit und Souveränität“. Während die BSW-Fassung es dabei belassen wollte, hieß es in der Konsensfassung vom 5.11. zusätzlich aber noch, diese Unterstützung erfolge „humanitär, wirtschaftlich und militärisch“.
In einer weiteren Passage erkannten die Sondierungsparteien die Ergebnisse einer Umfrage an, wonach die Mehrheit der Menschen in Mitteldeutschland die geplante Stationierung von Mittelstreckenraketen in Deutschland ablehne. In der Konsensfassung hieß es anschließend: „Wir sehen uns in der Pflicht“, dieser Position eine öffentliche Stimme zu verleihen. Das BSW schlug die Formulierung „die künftige Landesregierung sieht sich in der Pflicht“ vor.
Landeschefin Sabine Zimmermann will CDU und SPD auf diese Weise sogar „eine Brücke gebaut“ haben. Immerhin hätten sie sich mit der BSW-Formulierung die Position nicht selbst zu eigen machen müssen. Ein weiterer Unterschied in den Versionen bezog sich auf den Passus, in dem es hieß:
„Wir stimmen darin überein, dass für Frieden und Sicherheit die Verteidigungsfähigkeit unseres Landes und unsere Bündnisverpflichtungen von großer Bedeutung sind und die Fähigkeit der Bundeswehr zur Verteidigung gestärkt werden muss.“
Zimmermann: Einigung auch in Bereichen Finanzen und Migration gescheitert
Die BSW-Fassung stimmt mit dieser überein – mit Ausnahme der Erwähnung der „Bündnisverpflichtungen“. Der Koordinator der Wagenknecht-Partei für den Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, Frank Siebert, äußerte Unverständnis über den Abbruch.
Es habe sich bei dem Textvorschlag in jedem Fall um Formulierungen gehandelt, „die jeder Demokrat mittragen können“ müsse. Sie seien zudem „deutlich weicher“ gewesen als jene, auf die sich SPD, BSW und CDU in Brandenburg geeinigt hätten. Nun sei die Arbeit von sechs Verhandlern in sieben Arbeitsgruppen umsonst gewesen. Auf Facebook schrieb Siebert:
„Bis gestern 13 Uhr sondierten die Arbeitsgruppen höchst konstruktiv. Was dann kam, fühlte sich an, wie ein geplanter Abbruch zu einem definierten Zeitpunkt. Es sollte wohl nicht sein dürfen, was nicht sein darf.“
Zimmermann sprach jedoch auch das Thema der Migrationspolitik an. Diesbezüglich wirft sie insbesondere der SPD vor, sich „mit einer Beharrlichkeit“ pragmatischen Lösungen zur Begrenzung irregulärer Migration zu verschließen, die „schädlich für das Land“ sei. Sie betonte, dass ein „Weiter so“ in diesem Bereich, der so erheblichen sozialen Sprengstoff biete, nicht geben könne.
Bis Donnerstagabend hätten die Arbeitsgruppen für Sachsen ihre Ergebnisse vorlegen sollen
Ministerpräsident Michael Kretschmer zeigte sich von dem Ende der Sondierungen überrascht. Man habe dies „nicht kommen sehen“. Eigentlich sollten die Arbeitsgruppen bis Donnerstag ihre Papiere vorlegen. In zwei Wochen hätte dann eine Entscheidung darüber fallen sollen, ob es Koalitionsverhandlungen gibt.
CDU-Fraktionschef Christian Hartmann erklärte gegenüber der „Sächsischen Zeitung“, dass die Frage der Diplomatie kein Dissensthema gewesen sei. Gescheitert sei alles an der Frage, „ob es ein Bekenntnis dazu gibt, dass wir unsere Bündnisverpflichtungen wahrnehmen oder nicht“.
Zimmermann zufolge habe es auch keine Einigung bei der Migrations- und der Finanzpolitik gegeben. Das BSW habe gemeinnützige Arbeit für Asylbewerber gefordert, was die SPD blockiert habe. Die CDU hingegen sei nicht bereit gewesen, den Generationenfonds für Investitionen zu nutzen und die Schuldenbremse zu flexibilisieren. Hartmann widersprach dieser Darstellung. Sowohl bezüglich des Generationenfonds als auch beim Thema Asyl habe es noch Prüfungs- und Abklärungsbedarf gegeben. Man sei „auf einem sehr konstruktiven Einigungskorridor“ gewesen.
Neue Kontroverse um Wahl zum Ministerpräsidenten mit AfD-Stimmen möglich
Wie es in den kommenden Tagen weitergeht, ist noch unklar. In SPD und CDU wollen Fraktionen und Landesvorstand beraten. Ministerpräsident Kretschmer sprach von einer erforderlichen „Nachdenkpause“. Dass es zu Neuwahlen kommen wird, ist kein Automatismus – auch, wenn es für eine Koalition ohne BSW keine parlamentarische Mehrheit gibt.
Bis Anfang Februar gibt die Landesverfassung den Abgeordneten Zeit, einen Ministerpräsidenten zu wählen. Kretschmer benötigt dazu mindestens 61 von 120 möglichen Stimmen. Gewählt wird der Ministerpräsident nach Artikel 60 „ohne Aussprache in geheimer Abstimmung“.
Eine Möglichkeit wäre, dass sich Kretschmer mit Stimmen aus der AfD wählen lässt. Immerhin hatte der Ministerpräsident jüngst sogar einen Gesprächstermin mit deren Landeschef Jörg Urban wahrgenommen. Die bloße Annahme einer Wahl würde auch nicht gegen Kretschmers Bekenntnis verstoßen, mit der AfD nicht zusammenzuarbeiten. Diese könnte sich durch die Wahl als Partei präsentieren, die „in schwerer Lage Verantwortung“ zeige.
Würde Kretschmer das Experiment einer Minderheitsregierung wagen?
In einem möglichen zweiten Wahlgang würde auch eine Mehrheit der abgegebenen Stimmen zur Wahl des Ministerpräsidenten reichen. Die Mehrheitsverhältnisse ließen es als wahrscheinlich erscheinen, dass Kretschmer diese auf sich vereinen könne. Allerdings müsste er dann das Wagnis auf sich nehmen, Sachsen künftig mit einem Minderheitenkabinett zu regieren. Angesichts der sich abzeichnenden Neuwahlen im Bund, die im März stattfinden sollen, läge es nahe, am selben Tag auch eine neuerliche Entscheidung an der Wahlurne für Sachsen zu suchen.
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