Ambitionierte Ziele trotz Lieferengpässen

Schneller Impfen, mehr Schutz vor den neuen Corona-Varianten: Bei einem Videogipfel suchen Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre EU-Kollegen eine gemeinsame Linie im weiteren Kampf gegen die Pandemie.
Titelbild
COVID-19-Impfungen - langersehnt und höchst umstritten.Foto: iStock
Epoch Times21. Januar 2021

Seit Ende Dezember laufen in den EU-Staaten die Impfkampagnen gegen SARS-CoV-2 – wenn auch vielerorts schleppend. Die EU-Kommission hat bis zu 2,3 Milliarden Dosen bestellt und den Mitgliedstaaten trotz Startschwierigkeiten ambitionierte Ziele gesetzt. Bei einem Video-Gipfel ziehen die Staats- und Regierungschefs am Donnerstagabend eine Zwischenbilanz. Ein Überblick:

Impfrate

In Deutschland haben laut Robert-Koch-Institut rund 1,5 Prozent der Bevölkerung die erste von zwei nötigen Impfdosen erhalten. Damit steht die Bundesrepublik im europäischen Vergleich gut da. Einen offiziellen Überblick zur Lage in allen 27 EU-Staaten gibt es bislang allerdings nicht. Die Länder sind angehalten, Daten über verabreichte Impfungen an die EU-Krankheitsbekämpfungsbehörde ECDC zu übermitteln. Nach Angaben der Kommission wird daran noch gearbeitet.

Ziele

Die EU-Kommission fordert eine deutliche Beschleunigung der nationalen Impfkampagnen. Bis März sollen demnach über 80 Prozent der Beschäftigten im Gesundheits- und Pflegebereich sowie der Menschen über 80 Jahren geimpft sein. Bis Ende des Sommers strebt Brüssel die Immunisierung von über 70 Prozent der erwachsenen Bevölkerung an.

Zulassungen

Bislang werden in der EU die Mittel von Biontech/Pfizer und Moderna verabreicht. Der Impfstoff von Astrazeneca könnte Ende Januar zugelassen werden. Der nächste aussichtsreiche Kandidat ist der des US-Konzerns Johnson & Johnson, der im Februar den Zulassungsantrag bei der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA einreichen könnte. Das Tübinger Unternehmen Curevac testet seinen Impfstoff derzeit in dritter und damit letzter Phase. Ab April sollen ausreichende Impfstoffmengen zur Verfügung stehen.

Weiter entfernt von einer Zulassung ist der französisch-britische Konzern Sanofi-GSK. Andere Kandidaten sind der französisch-österreichische Anbieter Valneva und das US-Unternehmen Novavax. Die russischen Behörden haben nach eigenen Angaben eine EU-Zulassung ihres Impfstoffs Sputnik V beantragt. Die EMA erklärte allerdings, eine Genehmigung sei bislang nicht absehbar.

Preise

Mit sechs Anbietern hatte die EU-Kommission bereits im Herbst Liefervereinbarungen getroffen. Die Vertragsinhalte – und damit die Preise der einzelnen Vakzine – hielt Brüssel unter Verschluss. Nach versehentlich von einer belgischen Regierungsvertreterin veröffentlichten Informationen gibt es erhebliche Preisunterschiede.

Das Moderna-Mittel ist demnach mit knapp 15 Euro pro Dosis am teuersten. Am wenigsten bezahlen die Europäer bei Astrazeneca – unter zwei Euro pro Dosis. Recht günstig ist auch das Mittel von Johnson & Johnson, das mit rund sieben Euro zu Buche schlägt, wobei nur eine Dosis nötig ist. Der Impfstoff von Biontech und Pfizer liegt bei zwölf Euro.

Lieferung und Produktion

Die Auslieferung der bestellten Dosen bereits zugelassener Mittel wird sich wegen Produktions- und Lieferengpässen voraussichtlich bis Ende des Jahres ziehen. Das Mainzer Unternehmen Biontech hatte vergangene Woche zusätzliche Verzögerungen angekündigt, will aber die Produktion im Pfizer-Werk im belgischen Puurs aufstocken. Zudem soll ab Februar auch im hessischen Marburg produziert werden. In Brüssel herrscht die Hoffnung, dass Lieferengpässe spätestens mit der Zulassung weiterer Mittel verschwinden.

Mutationen und Übertragbarkeit

Nach Angaben der Hersteller gibt es bislang keine Hinweise darauf, dass die bislang zugelassenen Impfstoffe nicht auch bei den bekannten mutierten Varianten des neuartigen Coronavirus wirken. Eine große Unbekannte ist aber nach wie vor die Wirkung der Vakzine auf die Übertragbarkeit des Virus: Womöglich können auch geimpfte Menschen weiterhin andere anstecken.

Impfpass und einheitliche Maßnahmen

Thema des Video-Gipfels sind auch Vorschläge für einen europäischen Corona-Impfpass und damit möglicherweise verbundene Vorteile etwa beim Reisen.

Mit Blick auf Mutationen des Corona-Virus sagte Kanzleramtschef Helge Braun der Deutschen Welle, Deutschland wolle bei der Bekämpfung des Virus mit den Nachbarländern synchron handeln. Grenzschließungen in Europa wären „im Ergebnis der schlechte Weg“. „Deshalb ist es ganz wichtig, dass im Europäischen Rat Vorsorge getroffen wird. Dass wir jetzt alle gemeinsam die Mutation möglichst stark unterdrücken.“

Neben der anfangs langsamen Impfkampagne lösen vor allem die zuerst in Großbritannien und Südafrika entdeckten Virusvarianten bei vielen EU-Staaten große Sorgen aus, weil diese Mutationen ansteckender sind. Brüssel fürchtet, dass EU-Staaten zum Selbstschutz Grenzen abriegeln könnten, was den Austausch von Waren im Binnenmarkt bremsen könnte.

Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, mit Hilfe sogenannter Genom-Sequenzierungen gezielter nach Mutationen zu suchen. Zudem dringt sie auf eine einheitlichere Linie bei Abriegelungs-Maßnahmen.

Auch der Grünen-Politiker Sven Giegold forderte wegen der neuen Virusvarianten eine „Synchronisierung der Corona-Politik“. „Europa braucht einen gemeinsamen Stufenplan mit möglichst einheitlichen Maßnahmen für gleiche Inzidenzwerte“, sagte Giegold der dpa. Zugleich betonte er: „Grenzschließungen sind keine europäische Corona-Politik, sie würden massiven Schaden anrichten.“

Der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Markus Söder hatte Grenzkontrollen für „zwingend notwendig“ erklärt, falls keine abgestimmte Corona-Politik mit den europäischen Nachbarstaaten gelinge. Im europäischen Schengenraum sind Grenzkontrollen eigentlich nicht vorgesehen.

(afp/dpa/aa)



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