Allgemeine Impfpflicht: Der Deutsche Ethikrat ist gespalten
Der Deutsche Ethikrat befürwortet eine Ausweitung der kürzlich beschlossenen Impfpflicht für Personal in Einrichtungen wie Kliniken und Pflegeheimen. Insgesamt stimmten 20 der derzeit 24 Ethikratsmitglieder für die Empfehlung. Diese teilt sich jedoch in zwei Positionen auf.
Sieben Mitglieder sind dafür, dies auf Erwachsene zu beschränken, die zu Corona-Risikogruppen wie Ältere oder Vorerkrankte gehören. „Die konsequente Umsetzung einer solchermaßen beschränkten Impfpflicht erscheint als ausreichend, um das Ziel, eine Überlastung des Gesundheitswesens zu vermeiden, zu erreichen“, heißt es in der veröffentlichten Stellungnahme. Denn es sei ein „ethisches Grundgebot zur Erreichung eines Ziels, das jeweils mildere effektive Mittel einzusetzen.“
Besonders gefährdete Personen zur Impfung zu verpflichten, erscheint dabei „verhältnismäßig“, heißt es weiter. Ältere und andere Angehörige von Risikogruppen trügen individuell „höhere Risiken“, intensivpflichtig zu werden. Daher „weist eine Impfung für sie einen besonders hohen persönlichen Nutzen auf, sodass ihnen eine verpflichtende Impfung auch eher abverlangt werden kann.“
Die zweite Position umfasst eine Ausweitung der Impfpflicht auf alle Erwachsenen, die sich impfen lassen könnten. Dies befürworten 13 von 20 Mitgliedern. Zu Beginn steht in der Begründung: „Leitend für die Empfehlung einer allgemeinen gesetzlichen Impfpflicht ab 18 Jahren ist das Ziel einer nachhaltigen, dauerhaft tragfähigen und gerechten Beherrschung der Pandemie, das heißt das Erreichen einer kontrollierten endemischen Situation.“
Das schrittweise Vorgehen bei der Impfpflicht reiche nicht aus, erklärten die Mitglieder weiter. Sie bleibe „immer hinter den Wellen der Pandemie und erhöht die Gefahr einer ständigen Wiederkehr von Kontaktbeschränkungen aller Art“.
Wichtiger Wegweiser
Der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen sieht im Mehrheitsvotum des Rats einen „sehr wichtigen Wegweiser“ für die Debatte und die Entscheidung zu einer Corona-Impfpflicht. Ähnlich wie viele Politiker habe der Ethikrat seine bisherige Haltung aufgrund der veränderten Lage revidieren müssen, sagte der Bundestagsabgeordnete der Deutschen Presse-Agentur. „Wir können als Gesellschaft die Pandemie nur hinter uns lassen, wenn wir lernfähig und offen für Kurskorrekturen bleiben.“ Politik verliere das Vertrauen der breiten Mehrheit vor allem dann, wenn sie sich als lernunfähig erweise.
Der Ethikrat war von Bund und Ländern um eine Einschätzung gebeten worden. Hintergrund ist, dass im Bundestag wohl Anfang kommenden Jahres ohne Fraktionsvorgaben über eine allgemeine Impfpflicht abgestimmt werden soll – dafür hatte sich unter anderen Kanzler Olaf Scholz (SPD) ausgesprochen. Eine erste begrenzte Corona-Impfpflicht wurde Mitte Dezember schon beschlossen: Beschäftigte in Einrichtungen mit schutzbedürftigen Menschen wie Kliniken und Pflegeheime müssen bis 15. März 2022 nachweisen, dass sie geimpft oder genesen sind.
Entscheidender Punkt für Kontrolle
Der Ethikrat erläuterte, hohe Impfquoten seien entscheidend, um in eine kontrollierte Situation zu kommen. Dabei stelle eine Impfpflicht stets eine erhebliche Beeinträchtigung rechtlich und moralisch geschützter Güter dar. Eine Ausweitung sei nur zu rechtfertigen, wenn sie gravierende negative Folgen möglicher künftiger Pandemiewellen abschwächen oder verhindern könne – etwa eine hohe Sterblichkeit, langfristige Gesundheitsbeeinträchtigungen großer Bevölkerungsteile oder einen drohenden Kollaps des Gesundheitssystems.
Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt plädierte für eine schnelle Neuregelung. „Der Bundestag sollte im neuen Jahr zügig eine allgemeine Impfpflicht auf den Weg bringen“, sagte die Grünen-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Sie lud dazu ein, „im Januar fraktionsübergreifend mit Fachleuten aus Wissenschaft und Gesellschaft einen offenen und transparenten Austausch über die Umsetzung einer allgemeinen Impfpflicht zu führen“. (dpa/oz/dl)
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