„Alle Benachteiligungen Ungeimpfter sofort aufheben – sie sind verfassungswidrig“

In einem Rechtsgutachten geht der bekannte Freiburger Staatsrechtler Prof. Dr. Dietrich Murswiek auf die Verfassungswidrigkeit der Benachteiligung ungeimpfter Bürger in Deutschland ein und fordert deren Aufhebung.
Von 13. Oktober 2021

Der bekannte deutsche Staatsrechtler Prof. Dr. Dietrich Murswiek von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg wendet sich in einem über 100 Seiten starken Rechtsgutachten im Auftrag der „Initiative freie Impfentscheidung e.V.“ gegen die aktuell herrschenden 2G- und 3G-Maßnahmen der Bundesregierung. In seiner Expertise kommt der Freiburger Verfassungs- und Völkerrechtler zu dem Ergebnis: „Alle Benachteiligungen Ungeimpfter müssen sofort aufgehoben werden – sie sind schlicht verfassungswidrig.“

Staatlicher Impfdruck verfassungswidrig

Die Ungleichbehandlung von Geimpften und Ungeimpften verstoße gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes (Artikel 3 Absatz 1), was nicht zu rechtfertigen sei. Der Staat dürfe auch die Menschen nicht zu ihrem eigenen Schutz vor COVID-19 zwingen – und zum Schutz anderer bedürfe es grundsätzlich keines Impfzwangs, „weil die Geimpften ja bereits durch die Impfung geschützt sind“, erklärt der Staatsrechtler in seinem umfangreichen und ausführlichen Rechtsgutachten „Freiheitseinschränkungen für Ungeimpfte – Die Verfassungswidrigkeit des indirekten COVID-19-Impfzwangs“.

Durch die Benachteiligung ungeimpfter Bürger werde ein starker Impfdruck auf die Menschen ausgeübt, der als indirekter Impfzwang wirke. Laut Professor Murswiek sei aber der staatlich erzeugte Impfdruck laut Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 GG „verfassungsrechtlich als Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht über die körperliche Unversehrtheit sowie als Eingriff in das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit“ einzustufen. Auch dieser Eingriff lasse sich weder mit dem Ziel der Vermeidung einer Überlastung der Intensivstationen, noch mit dem Ziel der Minimierung der Zahl schwerer Krankheitsverläufe rechtfertigen.

Staatsrechtler Murswiek: Der indirekte Impfzwang sei vor allem deshalb unverhältnismäßig, „weil er das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen bezüglich ihrer körperlichen Integrität äußerst schwerwiegend einschränkt und ihnen schwerwiegende Lebens- und Gesundheitsrisiken“ auferlege.

2G/3G: Risikovorsorge statt Gefahrenabwehr

Speziell führt der Wissenschaftler sämtliche 2G-Regeln und bei den 3G-Regeln insbesondere die Version mit kostenpflichtigen Tests auf. Die daraus resultierenden Freiheitsbeschränkungen ließen sich nicht mehr rechtfertigen und verletzten das Recht auf allgemeine Handlungsfreiheit sowie weitere Grundrechte. Das offizielle Ziel dieser Maßnahmen sei die Eindämmung der COVID-19-Epidemie und die Vermeidung der Überlastung der Intensivstationen. „Zu diesem Zweck sind die 2G- und 3G-Regeln aber schon deshalb nicht erforderlich, weil – wie das Gutachten darlegt – eine Gefahr für die Überlastung der Intensivstationen nicht besteht“, so Professor Murswiek.

Soweit der Staat die 2G- und 3G-Regeln damit rechtfertigen wolle, dass sie der Minimierung der schweren Krankheitsverläufe und Todesfälle dienten, gehe es nicht um Gefahrenabwehr, „sondern um Optimierung des Gesundheitsschutzes im Sinne einer Risikovorsorge“, heißt es im Gutachten. Zu diesem Zweck dürfe jedoch nicht die Freiheit von Menschen eingeschränkt werden, die für diese Risiken nicht verantwortlich seien. „Die Freiheit ist dem Einzelnen nach dem Grundgesetz kraft seiner Menschenwürde garantiert“, erklärt der Staatsrechtler, der ergänzt, dass der Bürger sie nicht erst dann von der Obrigkeit zugeteilt bekomme, wenn er beweisen könne, dass er vom Staat definierte Kriterien für seine Ungefährlichkeit erfülle.

Die Ausgrenzung nicht geimpfter Bürger

Im Gutachten werden die Folgen der staatlichen Maßnahmen für den ungeimpften Teil der Bevölkerung verdeutlicht: „Mit der 2G-Regel werden Ungeimpfte vom öffentlichen Leben ausgeschlossen. Mit der 3G-Regel, verbunden mit dem Wegfall der Kostenfreiheit für die Schnelltests, die Voraussetzung für das Essen im Restaurant, den Kino- oder Museumsbesuch, die Teilnahme an Konzerten oder Fußballspielen sind, wird ihnen die Teilnahme am öffentlichen Leben so sehr erschwert, dass sie faktisch weitgehend draußen bleiben müssen.“

Besonders für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene seien die durch 2G und 3G bewirkten Freiheitsbeschränkungen „unverhältnismäßig“. Bei diesen führten die Infektionen mit SARS-CoV-2 fast nie oder selten zu Intensivbehandlungen. Diese Altersgruppe daher vom öffentlichen Leben auszuschließen oder ihnen den Zugang zu demselben durch kostenpflichtige Tests zu erschweren, trage praktisch nichts zur Vermeidung einer Überlastung der Intensivstationen bei.

Geimpfte sind nicht immun

Sowohl die 2G/3G-Regelungen als auch die Aussetzung der Quarantänevorschriften für geimpfte Reiserückkehrer und Kontaktpersonen „beruhe auf der Vorstellung, dass die Geimpften immun seien“, sie sich also nicht mehr mit SARS-CoV-2 infizieren – und damit auch andere Menschen nicht mehr anstecken könnten. Es sei aber erwiesen, dass die Impfungen nur sehr unvollständig vor Ansteckung schützten. Mehr noch, lasse der anfangs und dazu auch noch unvollständig gegebene Übertragungsschutz bereits nach wenigen Monaten nach, sei gar nach vier Monaten praktisch nicht mehr vorhanden.

In diesem Zusammenhang sei auch die Vorenthaltung der Verdienstausfallentschädigung für quarantänepflichtige Ungeimpfte verfassungswidrig. Damit setze der Staat „in besonders deutlicher und zynischer Weise“ die Impfung als „Tor zur Freiheit“ ein, so der Verfassungsrechtler. Die Impfung werde zur Voraussetzung zur Wahrnehmung der Freiheitsrechte. Hierfür gebe es aber keine verfassungsrechtlich tragfähige Rechtfertigung.

Die Folge: Das Freiheitsverständnis des Grundgesetzes werde umgedreht: „Der Einzelne ist nicht mehr kraft seiner Menschenwürde frei, sondern er ist frei, weil er sich einem staatlichen Ansinnen unterwirft, dem Ansinnen, sich impfen zu lassen.“

Ein ausführliches Interview mit dem Freiburger Staatsrechtler Prof. Dr. Dietrich Murswiek erscheint in der kommenden Printausgabe .

Gutachten als PDF – und Zusammenfassung



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