Algerien: Kanzlerin Merkel beim „Vater der Stabilität“

Kanzlerin Angela Merkel sagte der algerischen Regierung Unterstützung bei ihrem Stabilitätskurs zu. Algerien will die ca. 3700 ausreisepflichtigen Landsleute in Deutschland so schnell wie möglich abarbeiten - und lehnt weiterhin Charterflugzeuge für Abschiebungen ab.
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Angela Merkel war am 17. September 2018 zu Besuch bei Ministerpräsident Ahmed Ouyahia in Algier.Foto: RYAD KRAMDI/AFP/Getty Images
Epoch Times17. September 2018

Kanzlerin Angela Merkel hat der algerischen Regierung Unterstützung bei ihrem Stabilitätskurs zugesagt und Fortschritte bei der Rückführung abgelehnter Asylbewerber gelobt.

Es gebe eine „sehr konstruktive Zusammenarbeit“ deutscher und algerischer Behörden bei der Rückführung, sagte Merkel am Montag nach einem Treffen mit dem seit August 2017 regierenden Ministerpräsidenten Ahmed Ouyahia in der algerischen Hauptstadt Algier. Zugleich setzte sich die Kanzlerin für mehr Freiheiten der Menschen in Algerien ein.

Merkel würdigte den Einsatz Algeriens, des flächenmäßig größten Landes in Afrika, zur Lösung der Konflikte in der Region. Algerien bringe sich etwa in Mali sehr engagiert ein und auch in der Diskussion über die Zukunft Libyens.

Stabilität oder Friedhofsruhe?

Die Kanzlerin teile die Ansicht der algerischen Regierung,

dass es eine selbstgeschaffene Problemlösung sein muss, bei der Partner von außen nur helfen können, aber nicht die Probleme selbst lösen“.

„Algerien ist ein wichtiger regionaler Stabilitätsfaktor in Nordafrika“, erklärte Merkels Sprecher über Twitter. Die Vize-Fraktionsvorsitzende der Linken, Sevim Dagdelen, kritisierte, Merkel verwechsele „Stabilität mit Friedhofsruhe“. Sie erklärte in Berlin: „Präsident Bouteflika geht auch dank deutscher Rüstungshilfe zunehmend repressiv gegen soziale Protestbewegungen, kritische Journalisten und Aktivisten vor.“

Merkel sagte bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem algerischen Regierungschef Ahmed Ouyahia zu Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber, es sei wichtig, dass die Bürger sagen könnten: „Ok, hier hat sich Recht und Gesetz durchgesetzt.“ Sie betonte zugleich, dass es in Deutschland viele Menschen gebe, die bereit seien, denen zu helfen, die verfolgt würden. Auch müsse es mehr legale Möglichkeiten geben, nach Europa zu kommen, wie beispielsweise mit Visa für Studenten.

Die „Rheinische Post“ hatte zuvor unter Berufung auf Zahlen des Bundesinnenministeriums berichtet, die Zahl der Abschiebungen nach Algerien sei in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. 2015 seien lediglich 57 Menschen aus Deutschland in das Land gebracht worden, 2017 dann 504. Im laufenden Jahr setzte sich der Trend demnach fort: Bis Juli seien etwa 350 Menschen nach Algerien abgeschoben worden.

Nur wenige Asylbewerber aus Algerien werden in Deutschland anerkannt. Im vergangenen Jahr lag die Quote bei 2,0 Prozent. Die Bundesregierung will das Land ebenso wie die weiteren Maghreb-Staaten Marokko und Tunesien und daneben auch Georgien als sichere Herkunftsstaaten einstufen. Dadurch könnten die Asylverfahren für Flüchtlinge aus diesen Ländern beschleunigt und die Antragsteller nach einer Ablehnung rascher abgeschoben werden.

Algerien lehnt Charterflugzeuge für Abschiebungen ab

Ouyahia sagte, sein Land wolle das Thema der etwa 3700 ausreisepflichtigen Algerier in Deutschland so schnell wie möglich abarbeiten. Algerien sei bereit, in Deutschland lebende ausreisepflichtige Landsleute zurückzunehmen, sofern sichergestellt sei, dass es sich tatsächlich um Algerier handele.

Um Frequenz und Anzahl der Rückführungen weiter zu erhöhen, forderte Ouyahia die Bundesregierung auf, bei der Lufthansa darauf hinzuwirken, dass sie bei ihren wöchentlich elf Flügen zwischen Deutschland und Algerien an den Rückführungen teilnehmen solle.

Algerien lehnt die Nutzung von Charterflugzeugen für Rückführungen ab und bringt etwa fünf Ausreisepflichtige auf wöchentlich sechs Flugverbindungen der algerischen Fluggesellschaft in die Heimat.

Treffen mit Vertretern der Zivilgesellschaft

Bei ihrem Besuch in Algier hat Angela Merkel Vertreter der Zivilgesellschaft des nordafrikanischen Landes getroffen. Darunter waren der Bundesregierung zufolge am Montag die Frauenrechtlerin Nadia Ait-Zai, Menschenrechtsanwalt Miloud Brahimi, der Schriftsteller Kamel Daoud und die preisgekrönte Regisseurin Sofia Djama.

Algerien gilt als autoritäres Land mit einigen rechtsstaatlichen Mängeln. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International wirft den algerischen Behörden willkürliche Inhaftierungen friedlicher Demonstranten sowie von Menschenrechtlern, Aktivisten und Journalisten vor.

Zudem seien Angehörige der muslimischen religiösen Minderheit der Ahmadiyya verfolgt worden. Gerichte verhängten zudem Todesurteile – seit 1993 gab es jedoch keine Hinrichtungen mehr.

Die Kanzlerin im Mädchengymnasium in Algier

Angela Merkel zog im Mädchengymnasium „Aicha Oum el Mouminine“ bestens gelaunt von Klassenzimmer zu Klassenzimmer. Die Physikerin Merkel will am Montag natürlich eine Physikstunde sehen, auch der Erdkundeunterricht wird der Kanzlerin gezeigt. Zum Schluss ist die Deutschstunde dran.

Merkel liebt den Austausch mit Schülern bei ihren Auslandsreisen. Gerade als die Kanzlerin durch das Mädchengymnasium zieht, wirbelt in Berlin die Meldung die Öffentlichkeit auf, die Kanzlerin sei der Auffassung, Behördenleiter Maaßen sei nicht mehr tragbar, weil er sich in die Tagespolitik eingemischt habe. Merkel habe sich entschieden, der BfV-Präsident müsse gehen, schreibt die „Welt“ unter Berufung auf Koalitionskreise.

Als im fernen Berlin die Krise weiter hochkocht, lässt sich Merkel seelenruhig von den Schülerinnen der deutsch-algerischen Partnerschaftsschule deren Unterricht vorführen. Etwa 700 junge Frauen lernen hier, ihr Gymnasium gehört seit 2014 zu jener Handvoll Schulen in Algerien, die an der vor zehn Jahren vom Auswärtigen Amt ins Leben gerufenen Initiative „Schulen: Partner der Zukunft“ (Pasch) teilnehmen.

Besonders interessant ist natürlich für Merkel die Deutsch-Stunde – 25 Schülerinnen lernen hier gerade die deutsche Sprache. Bikra (18) und Rania (17) waren schon zum Sprachkurs in Deutschland, die jungen Frauen zeigen Merkel stolz ein Spiel auf ihren Tablett-Computern, bei dem es darum geht, die Hauptstädte von Bundesländern zu bestimmen.

Ihr Treffen mit dem greisen Präsidenten Abdelaziz Bouteflika ist später dann dagegen soetwas wie Regierungsalltag für die Kanzlerin. Er ist für sie ein Symbol der Stabilität in Algerien und auch in Nordafrika.

Die Kanzlerin will den schwerkranken 81-Jährigen stützen, er denkt gerade über eine fünfte Amtszeit nach, trotz seiner Gebrechen. Bei Algerien müsse man jeden Tag dankbar sein, wenn es in dem Land einigermaßen stabil zugehe, glauben sie im Kanzleramt. Und auch bei Bouteflika geht es wieder um das Schicksalsthema für Merkel: die Migration. (afp/dpa)



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