Afghanistan-Experte: Taliban machen sich über Abschiebehandzahlungen lustig

Der Abschiebung von 28 afghanischen Straftätern gingen monatelange Verhandlungen zwischen der deutschen Regierung und Taliban-Vertretern voraus. Ein Entwicklungshelfer vermutet, dass auch Geld direkt an die Taliban geflossen ist.
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Security der Taliban steht Wache am Ahmad Shah Massoud Square, Kabul am 13. August.Foto: Wakil Kohsar/AFP
Von 6. September 2024

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Undank ist der Welten Lohn – die Bedeutung dieses alten Sprichworts bekommt Bundesinnenministerin Nancy Faeser in diesen Tagen zu spüren. Die SPD-Politikerin hatte die Zahlung eines Handgelds in Höhe von 1.000 Euro je abgeschobenen Afghanen verteidigt, doch aus deren Heimat erntet sie dafür nur Hohn und Spott.

Mit Handgeld ein Gerichtsverfahren gegen Abschiebung verhindern

Mit der Zahlung des Handgelds für die 28 Straftäter sollte laut Faeser vermieden werden, dass die Afghanen ihre Abschiebung gerichtlich verhindern können, da ihnen in ihrer Heimat sonst die „Verelendung“ drohe, schrieb die „Welt“. Diese Zahlung sei, so Faeser, ein übliches Verfahren. Mit den 1.000 Euro könne man in dem Land sechs bis neun Monate auskommen. Auf den Betrag hatten sich alle beteiligten Bundesländer geeinigt.

Doch kaum in Kabul angekommen, waren die Abgeschobenen offenbar das Geld wieder los und saßen erst einmal in einem Gefängnis. So berichtet „FOCUS online“, dass die Taliban das Geld einkassiert hätten. „Ich gehe davon aus, dass die 1.000 Euro pro Person direkt nach der Einreise abgenommen wurden“, zitiert das Magazin den Entwicklungshelfer Reinhard Erös. Ebenfalls glaubt er, dass die Taliban die Straftäter wieder aus dem Gefängnis entlassen hätten, nachdem ihnen das Geld abgenommen wurde.

Über die Auszahlung von 1.000 Euro je abgeschobenem Straftäter machen sich die Taliban nun lustig, weiß Erös zu berichten. „Die Taliban sagen mir, dass diese Aktion das mit Abstand Dümmste war, was in der deutschen Afghanistan-Politik der vergangenen Jahre umgesetzt wurde.“ Der Entwicklungshelfer fügt auch hinzu, dass die Bevölkerung im Land am Hindukusch vom Westen enttäuscht seien. Mit den Taliban seien sie daher weitgehend zufrieden.

Fassungslosigkeit bei afghanischen Medien über Zahlung

Der Tageszeitung „Augsburger Allgemeine“ berichtete Erös, dass die afghanischen Medien durchweg mit Fassungslosigkeit auf die Vorgänge in Deutschland reagiert hätten. Dabei stand nicht die Abschiebung der Männer im Fadenkreuz: „Für Fassungslosigkeit sorgen die 1.000 Euro, die jeder bekommen hat, und das sind wirklich üble Burschen, nicht einfache Taschendiebe. Das ist in Afghanistan ein Jahreseinkommen“, so Erös. Unter den Straftätern befand sich auch ein Mann, der mit drei anderen eine 14-Jährige vergewaltigt hatte. „Für solche Verbrechen an Minderjährigen wird man in Afghanistan aufgehängt“, sagt der Entwicklungshelfer.

Der Afghanistan-Experte geht davon aus, dass sich die Taliban gegenüber Deutschland verpflichtet hätten, auf die Vollstreckung der Todesstrafe bei allen 28 Männern zu verzichten. Denn der Abschiebung vorausgegangen waren monatelange Verhandlungen. Erös vermutet, dass die deutsche Regierung Zahlungen an Kabul geleistet hat. „Ich gehe davon aus, dass die Taliban diese Einnahmequelle nicht durch öffentliche Erklärungen gefährden wollen.“

Urteile als Leitfaden für Handgeldzahlung

Als Leitfaden für die Zahlung von Handgeldern an Abzuschiebende dient ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2022. Ein Afghane hatte kein Asyl in Deutschland erhalten und wolle seine Abschiebung verhindern. Das Gericht entschied, dass nur abgeschoben werden dürfe, wenn seine Existenz über einen gewissen Zeitraum gesichert sei. Dazu zählten auch „gegebenenfalls durch ihm gewährte Rückkehrhilfen“, heißt es im ersten Leitsatz zum Urteil. Nicht entscheidend sei hingegen, „ob das Existenzminimum eines Ausländers in dessen Herkunftsland nachhaltig oder gar auf Dauer sichergestellt ist“.

Im zweiten Leitsatz steht wie folgt: „Kann der Rückkehrer Hilfeleistungen in Anspruch nehmen, die eine Verelendung innerhalb eines absehbaren Zeitraums ausschließen, so kann Abschiebungsschutz ausnahmsweise nur dann gewährt werden, wenn bereits zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der letzten behördlichen oder gerichtlichen Tatsachenentscheidung davon auszugehen ist, dass dem Ausländer nach dem Verbrauch der Rückkehrhilfen in einem engen zeitlichen Zusammenhang eine Verelendung mit hoher Wahrscheinlichkeit droht. Je länger der Zeitraum der durch Rückkehrhilfen abgedeckten Existenzsicherung ist, desto höher muss die Wahrscheinlichkeit der Verelendung nach diesem Zeitraum sein.“

Verständlich ausgedrückt heißt dies, Abschiebungen können angefochten werden, wenn im Abschiebungsland generell Verelendung droht.

Asylrechtler kritisiert „überzogene Rechtssprechung“

Das Bundesinnenministerium bezieht sich laut „Tagesschau“ auf vier Gerichtsurteile und beruft sich dabei auf Aussagen des niedersächsischen Innenministeriums. Wenn es um Afghanistan gehe, würden die Gerichte Aspekte wie die schwierige Versorgungslage und die wirtschaftliche Situation berücksichtigen. Sie stützten sich dabei auf die Berichte von internationalen Organisationen.

Der Asylrechtler Kay Hailbronner kritisiert laut „FOCUS online“ bezüglich des Handgelds eine „überzogene Rechtssprechung“. Handgelder lägen üblicherweise eher bei 50 als bei 1.000 Euro. Kassiert haben diese übrigens nicht alle abgeschobenen Straftäter. Von den sechs Männern, die sich in Hessen aufgehalten hatten, bekamen nur drei das Handgeld. Die anderen hätten über ausreichend eigene Mittel verfügt.

Nach Ansicht des hessischen Innenministers Roman Poseck (CDU) sollten die Gerichte ihre bisherigen Entscheidungen zu Zahlungen von Handgeld überdenken: „Zumindest bei Straftätern finde ich eine solche Rechtssprechung nicht nachvollziehbar und auch nicht vermittelbar.“



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