AfD wirft Sozialstation Wahlbeeinflussung vor – Pflegeinitiative warnt vor weiterer Spaltung
Auch wenn die Wahlen gelaufen sind, erhitzt ein Brief der Sozialstation Esslingen gGmbH vom 4. Juni die Gemüter, wie die Epoch Times aus dem Bereich der Pflege erfahren hat.
Darin werden die Mitarbeiter von der Geschäftsführung der Sozialstation aufgerufen, zur Gemeinderats-, Kreistags- und Europawahl zu gehen – und etwas anderes als die AfD zu wählen.
Nicht nur die AfD kritisierte diese Art der Einflussnahme; auch der Intensivpfleger Werner Möller von Pflege für Aufklärung zeigte sich alarmiert.
In dem Brief fordert die Sozialstation Esslingen ihre Angestellten auf: „Bitte gehen Sie am Sonntag, 9. Juni wählen!“ Den Mitarbeitern wird geraten, „eine verfassungsfreundliche, demokratische Partei zu wählen“. Das Angebot sei groß und vielfältig.
Weiter heißt es:
„Wir als Arbeitgeberin lehnen jegliche menschenverachtende, diskriminierende Politik bestimmter politischer Parteien grundsätzlich und umfassend ab – NIE WIEDER IST JETZT.“
25.000 Mitarbeiter von AfD-Wahl abgeraten
Die Sozialstation verwies dabei auf den Unternehmer Reinhold Würth, der seinen 25.000 Mitarbeitern im März in einem Brief davon abgeraten hatte, die AfD zu wählen.
Obwohl sich die Würth-Gruppe verordnet habe, sich „vom politischen Geschehen zu distanzieren“, habe man sich entschlossen, angesichts der Demonstrationen von Millionen Bürgern auf der Straße Stellung zu beziehen und sich dem Protest gegen die AfD anzuschließen.
Der 89-jährige Milliardär warnte in dem Brief vor einer „Demokratur oder gar Diktatur“ durch die AfD.
„Bloß wegen ein bisschen Spaß an der Freude Rabatz zu machen und aus Unmut über die Ampelregierung die AfD zu wählen, ist einfach zu wenig“, zitierte die „Südwest Presse“ aus seinem Schreiben.
Der Finanzminister von Baden-Württemberg Danyal Bayaz reagierte auf Würths Aktion. Auf X schrieb er: „Danke für die klare Haltung!“
Danke für die klare Haltung!https://t.co/E5b8Pz7jGI
— Danyal Bayaz (@DerDanyal) March 18, 2024
Ähnlich wie Würth distanzierte sich auch die Sozialstation Esslingen von der AfD. In ihrem Brief heißt es: „Auch die Werte unserer Sozialstation sind mit den dort vertretenen politischen Positionen [der AfD] unvereinbar, deshalb beziehen wir hier klare Position.“
Sollten die Mitarbeiter über diese Haltung der Sozialstation Esslingen als Arbeitgeber „diskutieren“ wollen, seien sie herzlich zum Dialog eingeladen und könnten sich melden.
AfD: Missbrauch der Machtposition
Als Stephan Köthe (AfD), Regionalrat im Verband Region Stuttgart, von dem Schreiben erfuhr, veröffentlichte er auf der Esslinger AfD-Website einige Worte an die Mitarbeiter der Sozialstation.
Köthe dankte den Beschäftigten für ihren wichtigen Beitrag und betonte: „Egal, wen Sie am 09.06.2024 wählen, es ist Ihre Entscheidung.“
Den Brief der Sozialstation bezeichnete er als „einen Versuch, Ihre Wahlfreiheit einzuschränken und als Missbrauch der Machtposition Ihres Arbeitgebers“.
Köthe erinnerte die Mitarbeiter daran, dass sie „mündige Bürger [sind], die Mitten im Leben stehen“.
Kein Kommentar von Sozialstation
Die Epoch Times hat die Geschäftsführung der Sozialstation Esslingen um eine Stellungnahme zu dem von der AfD erhobenen Vorwurf des Amtsmissbrauchs gebeten. Eine Antwort blieb jedoch aus.
Unbeantwortet blieb auch die Frage, inwieweit die Mitarbeiter das Schreiben zur Wahlmotivation aufgenommen und mit der Geschäftsführung die politische Haltung diskutiert haben.
Offen blieb auch, ob Beschäftigte, die der AfD positiv gegenüberstehen, um ihren Arbeitsplatz fürchten müssen.
Pflegeinitiative warnt vor weiterer Spaltung
Der Intensivpfleger Werner Möller, Mitbegründer der Initiative Pflege für Aufklärung, zeigte sich alarmiert: „Haben wir denn aus den letzten Jahren nichts gelernt?“
In den drei Corona-Jahren sei der Berufsstand Pflege – und damit der größte Heilberufsstand in Deutschland – von Medien und Politik instrumentalisiert worden.
„Vor zwei Jahren lief die Spaltung der Gesellschaft medial und politisch auf Hochtouren; ungeimpfte Pflegekräfte wurden als nicht kompetent diskriminiert und ihnen ein Berufsverbot erteilt. Jetzt wird gefordert, bestimmte Parteien zu wählen oder nicht zu wählen“, so Möller gegenüber Epoch Times.
Jeder solle sich selbst prüfen, inwieweit er zur weiteren Spaltung der Gesellschaft beitrage, appellierte er.
„Pflegekräfte sind keine unmündigen Kinder, denen man alles vorschreiben muss, wie es seit Jahren an der Tagesordnung ist. Wählen ist genauso wie Impfen eine höchstpersönliche Entscheidung, in die niemand hineinreden darf!“, betonte Möller und wies darauf hin: „Die Pflege ist nicht systemrelevant, sondern existenzrelevant für jeden Patienten, den sie betreut.“
Keine Pflicht zur politischen Neutralität
Und wie ist der Vorfall arbeitsrechtlich zu bewerten? Wie Prof. Dr. Michael Fuhlrott, Fachanwalt für Arbeitsrecht, auf seinem LinkedIn-Kanal erklärt, müssen Unternehmer nicht unbedingt politisch neutral sein.
„Das Betonen von wichtigen Werten und ein Aufruf, überhaupt zur Wahl zu gehen, ist natürlich völlig unproblematisch“, schreibt er.
Unternehmen dürften auch vor „extremen politischen Ansichten“ warnen und zur Wahl von Parteien aufrufen, die sich für Demokratie und Grundgesetz einsetzen.
Allerdings dürfe kein „unzulässiger Druck“ auf Arbeitnehmer ausgeübt werden.
„Denn dies kann im Extremfall sogar eine strafbare Wahlbeeinflussung darstellen“, betonte Fuhlrott und führt aus: „Wer X wählt, wird gekündigt“ oder „Wer Y wählt, bekommt einen Bonus“.
Besondere Vorsicht müssten öffentliche Arbeitgeber walten. Für sie gelte die Pflicht zur parteipolitischen Neutralität.
Konsequenzen für eine aus Sicht des Arbeitgebers „falsche“ Wahl habe der Arbeitnehmer jedoch nicht zu befürchten. Auch wer „extrem“ wähle, mache von seinem Grundrecht Gebrauch. Und über die Verfassungswidrigkeit einer Partei entscheide allein das Bundesverfassungsgericht.
„Solange keine konkreten Taten oder Äußerungen im Betrieb oder mit Bezug zum Arbeitsverhältnis erfolgen (Bsp.: Hitlergruß in sozialen Medien unter Angabe des Namens des Arbeitgebers im Profil), ist dies Privatsache des Arbeitnehmers“, betonte der Arbeitsrechtler.
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