AfD scheitert im Bundestag mit Corona-Anträgen – Seitz: „Maske als Symbol des Gehorsams vor der Regierung“

Die AfD stellte einen Antrag zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Corona-Politik der Bundesregierung. Mit einem weiteren Antrag wollte die Partei eine Klageerhebung vor dem Bundesverfassungsgericht initiieren, da sie Zweifel an der Vereinbarkeit des jetzigen Infektionsschutzgesetzes mit dem Grundgesetz hegt.
Titelbild
Das Reichstagsgebäude im Herbst.Foto: iStock
Von 31. Oktober 2020

Am Freitag (30.10.) fand im Bundestag die 2. und 3. Lesung zweier Anträge der AfD zu einem gefordertem Corona-Unter­suchungs­ausschuss und einer „Abstrakten Normenkontrolle beim Bundesverfassungsgericht“ statt. Beide Anträge wurden mehrheitlich abgelehnt.

In der vorausgegangenen Rede für die antragstellende Fraktion warf Thomas Seitz (AfD) der Bundesregierung vor, sie habe anfangs Corona ignoriert und Schutzmittel ins Ausland geliefert. Die AfD habe man im Bundestag sogar „ausgelacht für ihre Forderung nach Einreisebeschränkung“. Mitte März habe die Bundesregierung dann „eine panische 180-Grad-Wende“ gemacht. „Statt Untätigkeit gab es nun hektischen und panischen Aktionismus“, kritisierte Seitz. Die Regierung habe den Ausnahmezustand über das Land verhängt und große Teile der Wirtschaft und Gesellschaft abgeschaltet. Es seien Grundrechte teilweise außer Kraft gesetzt und die „Maske als Symbol des Gehorsams vor der Regierung verordnet“ worden.

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AfD fordert die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses zur Corona-Politik der Bundesregierung

Konkret forderte die AfD in einem ihrer Anträge die Bundestagsabgeordneten auf einen Untersuchungsausschuss zur Corona-Pandemie einzusetzen. Der Ausschuss sollte sich ein Gesamtbild der Handlungen und Unterlassungen der Bundesregierung und der ihr nachgeordneten Behörden vor und während der SARS-CoV-2-Pandemie verschaffen.

Zudem sollte sich der Beirat ein Urteil zur Frage bilden, „ob die massiven Eingriffe in die Grundrechte der Bürger und in das deutsche Wirtschaftsleben und der Lockdown überhaupt notwendig, verhältnismäßig und rechtmäßig waren“.

Auch sollte geklärt werden, ob die „Bundesregierung auf eine Pandemie durch ein Coronavirus ausreichend vorbereitet war“ und wie die Konsequenzen des Handelns oder Unterlassens der Bundesregierung und der ihr nachgeordneten Behörden „auf den Verlauf, die Wirkung und die gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Folgen“ aussehen.

Auf der Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse sollte dieser Untersuchungsausschuss dann Handlungsempfehlungen „für den Fall einer zukünftig auftretenden Pandemie“ erarbeiten.

Der Untersuchungszeitraum sollte dabei von November 2019 bis zur Einsetzung des Untersuchungsausschusses reichen.

Den Antrag der AfD-Fraktion (19/22832) lehnte der Bundestag in namentlicher Abstimmung mit 519 gegen 75 Stimmen ab. Die AfD besitzt 89 Plätze im Bundestag. 148 Bundestagsabgeordnete hätten sich dem Antrag anschließen müssen, damit ein Untersuchungsausschuss zustande gekommen wäre.

CDU-Politiker: Antrag der AfD „unzulässig, unzumutbar und widersprüchlich“

In der offenen Debatte bezeichnete Patrick Schnieder (CDU/CSU) den Antrag der AfD „unzulässig, unzumutbar und widersprüchlich“. Unzulässig vor allem, weil der Bundestag nach dem Gesetz eine Untersuchungskompetenz nur zu abgeschlossenen Vorgängen habe, die Pandemie aber noch andauere und damit auch die Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung.

Unzumutbar, weil „gerade die Mitarbeiter, die im Kampf gegen die Pandemie gebraucht werden“, stattdessen einem solchen Ausschuss zuarbeiten müssten. Und widersprüchlich, weil sich der Antrag in seiner Argumentation „platter Verschwörungstheorien“ bediene. „Pfui, schämen Sie sich dafür“, so Schnieder Richtung AfD-Abgeordnete.

Schnieder räumte gleichwohl ein, es gebe „Fragen, die wir beantworten müssen“, etwa: „Waren wir richtig vorbereitet?“ Dies müsse aber geschehen, wenn die Pandemie überwunden sei, und das richtige Gremium dafür sei nicht ein Untersuchungsausschuss, sondern eine Enquete-Kommission. Noch konkreter sprach sich Katrin Helling-Plahr (FDP) aus: zu Beginn der nächsten Legislaturperiode sollte eine solche Enquete-Kommission eingesetzt werden.

AfD-Antrag auf Klage beim Bundesverfassungsgericht mehrheitlich abgelehnt

In namentlicher Abstimmung ebenfalls abgelehnt wurde auch ein Antrag der AfD-Fraktion auf Einreichung einer abstrakten Normenkontrollklage beim Bundesverfassungsgericht. Der Antrag forderte die Einreichung einer abstrakten Normenkontrollklage beim Bundesverfassungsgericht.

Ausgangspunkt sollte dabei der Artikel 93 Absatz 1 Nummer 2 des Grundgesetzes sein: „Das Bundesverfassungsgericht entscheidet bei Meinungsverschiedenheiten oder Zweifeln über die förmliche und sachliche Vereinbarkeit von Bundesrecht oder Landesrecht mit diesem Grundgesetze oder die Vereinbarkeit von Landesrecht mit sonstigem Bundesrechte auf Antrag der Bundesregierung, einer Landesregierung oder eines Viertels der Mitglieder des Bundestages.“

Inhaltlich sollte es bei der Klage um die „Epidemische Lage von nationaler Tragweite“ und die damit verbundene Ermächtigung des Bundesministeriums für Gesundheit gehen, dass dann, „unbeschadet der Befugnisse der Länder“, Anordnungen oder Rechtsverordnungen ohne Zustimmung des Bundesrates erlassen darf (Paragraf 5 Absatz 2 Nummer 1 bis 8 Infektionsschutzgesetz“ (19/23529).

Im Antrag äußert die AfD Zweifel über die sachliche Vereinbarkeit des Infektionsschutzgesetz, genauer des § 5 Abs. 2 Nr. 1 bis 8 IfSG, mit dem Grundgesetz.

Den zweiten Antrag der AfD-Fraktion lehnten 552 Abgeordnete ab, 74 stimmten ihm zu und es gab eine Enthaltung. Die AfD besitzt 89 Plätze im Bundestag. 156 Bundestagsabgeordnete hätten sich dem Antrag anschließen müssen, damit ein Normenkontrollverfahren zustande gekommen wäre.

SPD für größere Rolle des Bundestages

Zum zweiten Antrag der AfD-Fraktion wiesen mehrere Redner verschiedener Fraktionen darauf hin, dass ein Viertel der Abgeordneten des Bundestages genüge, um einen Normenkontrollantrag zu stellen. Einen Mehrheitsbeschluss dazu herbeiführen zu wollen, sei widersinnig. „Ein Parlament, das sein eigenes Gesetz für verfassungswidrig hält, müsste dieses Gesetz ändern“, sagte Sonja Amalie Steffens (SPD).

Dass die Parlamente in der Vergangenheit den Regierungen in Bund und Ländern die Entscheidungskompetenz überlassen hätten, sei richtig gewesen, sagte Steffens. Denn es hätten in kurzer Zeit erhebliche, wichtige und schnelle Regelungen erfolgen müssen. Inzwischen verlangten die Bürger aber „völlig zu Recht“ einheitliche, nachvollziehbare und verhältnismäßige Regelungen. Dass Verwaltungsgerichte überall im Bund Corona-Maßnahmen kippen müssten, weil sie nicht nachvollziehbar begründet, zu unbestimmt und unverhältnismäßig waren, sei „schlichtweg unerfreulich“.

Im Rückblick gestand Edgar Franke (SPD) ein, man habe gewusst, dass eine zweite Welle kommt. „Deshalb hätte der Bundestag früher eingebunden werden müssen.“ Nun gelte es, „rechtliche Leitplanken für Regierungshandeln einzuziehen“. Patrick Sensburg (CDU/CSU) rief allerdings in Erinnerung, dass der Änderung des Infektionsschutzgesetzes im März eine breite Diskussion in Bundestag und Bundesrat vorangegangen sei und es bereits 70 Bundestagsdebatten zu Corona gegeben habe. „Wir im Parlament schauen ganz genau hin, wenn es um wesentliche Debatten geht“, nahm er für sich und seine Kollegen in Anspruch.

FDP, Linken und Grüne fordern größere Rolle des Parlaments

Eine größere Rolle der Parlamente forderten auch Redner von FDP, der Linken und der Grünen. Die Vorschläge der AfD dazu lehnten sie gleichwohl entschieden ab. Diese stelle „hier Schaufensteranträge zur Debatte, um kruden Verschwörungstheorien weiteren Aufwind zu verschaffen“, kritisierte Katrin Helling-Plahr (FDP).

Die meisten AfD-Abgeordneten seien „ja nicht dumm, aber skrupellos und berechnend“. Es gehe ihnen mit der Forderung nach einem Untersuchungsausschuss nicht darum, herauszufinden, was man hätte besser machen können und daraus für die Zukunft zu lernen. Sie wollten vielmehr „Futter bieten für die Aluhüte in Ihren Reihen“.

Friedrich Straetmanns (Die Linke) nahm für seine Fraktion in Anspruch, seit Monaten Fehler und Schieflagen in der Corona-Politik zu kritisieren. Arbeitnehmer müssten über Monate mit weniger Geld auskommen, Arbeitslose würden mit den Mehrausgaben für Hygieneartikel und Gesundheitsvorsorge allein gelassen, das seien „Probleme der Menschen da draußen, um die wir uns hier kümmern müssen“. Zur AfD-Forderung nach einem Untersuchungsausschuss sagte er: „Wir sagen Ja zur kritischen Überprüfung der Corona-Maßnahmen, aber Nein zu Ihrem Antrag.“

Zu deren anderem Antrag verwies Niema Movassat (Die Linke) darauf, dass die Verordnungen im Zusammenhang mit der Pandemie in der Regel von den Landesregierungen erlassen würden. In fast allen Ländern aber könnten die Landtage Normenkontrollverfahren einleiten.

Dr. Manuela Rottmann (Bündnis 90/Die Grünen) verwies darauf, dass ihre Partei im Bund und in den Ländern, in denen sie zum Teil mitregiert, im Frühjahr und auch jetzt „harte Entscheidungen mitgetragen“ habe. Die Grünen seien aber „in einer Frage ganz klar: Wir brauchen dringend die Beteiligung der Parlamente und eine hinreichende parlamentarische Grundlage für derart einschneidende Grundrechtseingriffe“.



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