AfD-Parteitag beendet: „Erst im Osten regieren, dann im Westen“ – Brandmauern abreißen

Auf ihrem Parteitag hat die AfD Einigkeit demonstriert und vor den Wahlkämpfen im Osten das Führungs-Duo Alice Weidel und Tino Chrupalla mit deutlichen Mehrheiten gestärkt. Bei ihrer Wiederwahl erhielt Chrupalla 82,7 Prozent der Delegiertenstimmen, Weidel 79,8 Prozent.
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Alice Weidel, Tino Chrupalla sowie die neu gewählten Mitglieder des Bundesvorstandes der AfD am 29. Juni 2024 in Essen.Foto: Thomas Lohnes/Getty Images
Epoch Times30. Juni 2024

Zum Abschluss des zweitägigen Parteitags in Essen hat der wiedergewählte AfD-Co-Vorsitzende Tino Chrupalla einen Wahlsieg seiner Partei im Bund als Ziel ausgegeben. Ziel sei, „irgendwann auch deutschlandweit stärkste Kraft“ zu werden, sagte Chrupalla am Sonntag unter großem Applaus im Saal.

Er dankte zugleich den Delegierten für die „Disziplin“ bei dem Parteitag. Die Delegierten demonstrierten bei der zweitägigen Veranstaltung weitgehend Einigkeit. Bei seiner Wiederwahl erhielt Chrupalla am Samstag 82,7 Prozent der Delegiertenstimmen, Weidel 79,8 Prozent, Gegenkandidaten gab es nicht. Chrupalla betonte, damit habe der Parteitag „Kontinuität und Verlässlichkeit“ gewählt.

Kein Vorentscheidung über mögliche Kanzlerkandidatur

Die Ergebnisse beendeten Spekulationen im Vorfeld, wonach die Delegierten Chrupalla schwächen könnten, um langfristig Weidel als alleinige Parteichefin zu etablieren. Chrupalla selbst zeigte sich vom Ergebnis „überwältigt“ – beim Parteitag vor zwei Jahren im sächsischen Riesa hatte er 53 Prozent erhalten, Weidel 67 Prozent. Weidel wertete das Ergebnis für ihren Co-Vorsitzenden als „Ausdruck eines Solidarisierungseffekts“: „Es wurde eine Kampagne gegen ihn gefahren – jetzt ist er gestärkt.“

Beide Vorsitzenden zeigten sich einig, dass das Wahlergebnis keine Vorentscheidung über eine mögliche Kanzlerkandidatur ist. Darüber werde bei einem Parteitag im März 2025 entschieden, sagte Weidel.

Im Amt der Vizeparteichefs wurden Stephan Brandner (knapp 91 Prozent) und Peter Boehringer (85,3 Prozent) bestätigt. Neu hinzu kam Kay Gottschalk, der sich mit 62 Prozent durchsetzte.

Zunächst im „Osten regieren, dann im Westen, dann im Bund“

In seiner Grundsatzrede am Samstag sagte Chrupalla, in Sachsen, Thüringen und Brandenburg, wo im September Landtagswahlen anstehen, solle für die AfD „die Sonne der Regierungsverantwortung aufgehen“. „Wir wollen regieren – erst im Osten, dann im Westen, dann im Bund.“

Weidel setzte sich zum Ziel, „diese unsäglichen Brandmauern abzureißen“, mit denen sich andere Parteien von der AfD abgrenzten. Sie räumte allerdings ein, dass eine Regierungsbeteiligung im Bund nach der Wahl 2025 „ziemlich unwahrscheinlich“ sei.

Thüringens Landeschef Björn Höcke erneuerte in einem Fernsehinterview sein Koalitionsangebot an die CDU. Er rechnet mit rund 30 bis 35 Prozent bei der Landtagswahl. „So eine Größe kann man nicht mehr ignorieren, wenn man sich nicht an der Demokratie vergehen will“, sagte er bei „Phoenix“.

Währende des Bundesparteitags der AfD am 29. Juni 2024 in Essen, Deutschland. Über 4.000 Polizisten und zehntausende Demonstranten sind wegen des Parteitags im Einsatz. Foto: Hesham Elsherif/Getty Images

Kein Generalsekretär – Debatte vertragt

Der AfD-Bundesparteitag in Essen hat die Debatte über die Einführung eines Generalsekretärs vertagt. Eine hauchdünne Mehrheit der Delegierten stimmte am Sonntagnachmittag für die Überweisung eines entsprechenden Antrags in den Satzungsausschuss.

Der neue Generalsekretär sollte nach dem Willen der Antragssteller die politischen Geschäfte der Partei im Einvernehmen mit den Vorsitzenden auf der Grundlage der Beschlüsse der Partei führen. Er sollte zudem die Parteiarbeit koordinieren, die Bundesgeschäftsstelle leiten und für die Vorbereitung und Durchführung der Bundestagswahl und der Europawahl zuständig sein.

Starke Männerdominanz

Im neuen Bundesvorstand ist nur noch eine einzige Frau; Alice Weidel gehört dem 14-köpfigen Gremium an. Der alte Vorstand hatte noch drei weibliche Mitglieder. Auch die große Mehrheit der rund 600 Delegierten des Parteitags war männlich. Eine Frauenquote lehnt die AfD strikt ab – „Starke Frauen brauchen keine Quote“, hieß es auf Flugblättern, die die Frauenvereinigung der AfD auf dem Parteitag verteilte.

Alice Weidel bei ihrer Rede auf dem Bundesparteitag der AfD 2024 in Essen. Foto: Thomas Lohnes/Getty Images

Weidel zeigte sich allerdings nicht ganz zufrieden mit der starken Männerdominanz im Vorstand: „Ich bin auch gegen die Quote, weil sie ungerecht ist – nichtsdestotrotz muss man sich das anschauen.“ Bei der Europawahl im Juni waren knapp zwei Drittel der AfD-Wähler Männer.

Die Teilnehmer debattieren am zweiten Tag des Parteitags auch über die außenpolitische Ausrichtung der Partei etwa mit Blick auf den Ukrainekrieg. In einer Resolution, hinter der auch Parteichefin Alice Weidel steht, heißt es, Deutschland müsse sich stärker von der US-Außenpolitik emanzipieren. Gefordert wird ein Ende der Waffenlieferungen in die Ukraine. Zudem geht es weiter um das Schiedsgericht der Partei, es sollen mehrere Satzungsfragen geklärt werden.

Austritt aus der EU-Fraktion ID

Die AfD ist aus der europäischen Fraktion „Identität und Demokratie“ (ID) ausgetreten. Das sagte AfD-Vize Peter Boehringer. Zuvor hatte der Parteitag den Bundesvorstand bevollmächtigt, selbstständig über die Mitgliedschaft in europäischen Parteienfamilien zu entscheiden.

Die Partei zog damit die Konsequenz aus der Entscheidung der ID-Fraktion im Europaparlament, die AfD-Abgeordneten auszuschließen. Grund für den Ausschluss waren wohl Äußerungen des AfD-Spitzenkandidaten Maximilian Krah. Mit der Entscheidung ist der Bruch zwischen der AfD und der ID komplett vollzogen.

Die AfD hält sich eine Mitarbeit in der neuen Rechtsaußen-Fraktion im Europaparlament offen. Die von der ungarischen Regierungspartei Fidesz und der österreichischen FPÖ angekündigte Fraktion biete der AfD „neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit anderen Parteien“, sagte ein Sprecher von Parteichefin Alice Weidel afp am Rande des Bundesparteitags.

Vor der Grugahalle in Essen, wo die AfD wie viele Parteien ihren Bundesparteitag 2024 abgehalten hat. Foto:Thomas Lohnes/Getty Images

Weidel selbst machte zur Bedingung, dass der neuen Fraktion „keine Antisemiten“ angehörten. Die Entscheidung der AfD über eine künftige Fraktionszugehörigkeit sei noch nicht gefallen, sagte sie vor Journalisten in Essen. Sollte die AfD keine passende Fraktion finden, „werden wir erstmal alleine bleiben und schauen, was sich über die nächsten ein oder zwei Jahre herausbildet“, sagte Weidel.

Die Parteichefin räumte eine Mitverantwortung der AfD dafür ein, dass sie aus der rechtsgerichteten ID-Fraktion im Europaparlament ausgeschlossen wurde. „Bei uns sind Fehler passiert, daran haben sie sich gestoßen“, sagte Weidel. „Ich kann das nicht schönreden, es ist bitter: Uns wurde von der ID-Fraktion der Stuhl vor die Tür gesetzt.“

Beatrix von Storch abgeblockt

Beim AfD-Parteitag wurden von linken Demonstranten Straßen blockiert und Teilnehmer des Parteitages umzingelt. Die Polizei stellte vorab klar, dass nicht friedliche Proteste, „insbesondere Verhinderungsblockaden, die darauf abzielen den AfD Bundesparteitag zu stören oder zu verhindern“, eine Straftat darstellten und nicht unter die im Grundgesetz verankerte Versammlungsfreiheit fielen.

Das betraf unter anderem Beatrix von Storch. Dazu kursiert bei X/Twitter dieser Tweet. Die Aufnahme stammt von „Reuters“.

Auch eine ganz normale Mahlzeit bei einem Bäcker für einen Kaffee führte zu einer Blockade:

Rückschau auf Europawahlkampf

Mit Blick auf den Europawahlkampf ist AfD-Chefin Alice Weidel selbstkritisch. „Der Europawahlkampf – obwohl wir zweitstärkste Kraft im Bund sind und stärkste Kraft im Osten – hat gezeigt, dass wir deutlich noch unsere Kommunikation verbessern müssen“, sagte Weidel auf dem AfD-Bundesparteitag in Essen dem Fernsehsender „Phoenix“.

Der Wahlkampf sei „nicht optimal gelaufen“. In Zukunft werde man bei den Spitzenkandidaten genauer schauen, „ob jemand, den wir nach vorne stellen, hier auch kompatibel ist, sich in diese Mannschaft einfügen möchte und auch kann“.

Nach dem Ausschluss aus der Fraktion Identität und Demokratie (ID) im Europäischen Parlament sieht Weidel „in naher Zukunft“ keine Geschäftsgrundlage für eine Zusammenarbeit. Zwar sei es ein Kernprojekt für sie gewesen, die AfD „in die europäische Parteienfamilie der ID“ zu führen. „Der Rassemblement, also Marine Le Pen persönlich, hatte großen Anstoß an der Personalie Maximilian Krah genommen, weil die beiden wohl auch ihre Geschichte hatten in der ID-Fraktion“, sagte die AfD-Vorsitzende.

Eine Polizeikette zur Absicherung des AfD-Parteitags am 29. Juni 2024 in Essen. Foto: Hesham Elsherif/Getty Images

Protest-Bündnisse und ein Biss

Nach den teils gewalttätigen Protesten gegen den AfD-Bundesparteitag in Essen ist die Nacht nach Angaben der Polizei ruhig geblieben. „Die vergangene Nacht verlief ruhig“, schrieb die Polizei am Sonntagmorgen auf ihrer Website. Für den Tagesverlauf waren demnach drei Versammlungen angemeldet.

Unter anderem gab es am Morgen eine Mahnwache in Sichtweite der Grugahalle. Insgesamt wird aber ein geringeres Protestgeschehen als am Samstag erwartet. Blockaden im Umfeld des Veranstaltungsortes gab es am Sonntag bislang nicht.

Für die Proteste hatten sich unter anderem die Bündnisse „Gemeinsam laut“ und „Widersetzen“ zusammengeschlossen. Sie sprachen vor Journalisten von 70.000 Demonstranten am Freitag und Samstag. „Das waren die größten Proteste, die Essen je gesehen hat“, sagte eine Sprecherin von „Gemeinsam laut“ am Sonntag. „Von Linker bis CDU waren Menschen auf der Straße.“

Nach Angaben des Protestbündnisses wurden Demonstranten an den Haaren gezogen, es sei auch Pfefferspray ins Gesicht gesprüht worden. Genaue Zahlen lägen aber nicht vor. Alle Verletzungen, die dadurch entstanden seien, „dass dieser Afd-Parteitag diese vielfältigen Proteste brauchte“, seien eine Verletzung zu viel, sagte eine Sprecherin. „Wir stehen für eine friedliche Gesellschaft“.

Ein AfD-Delegierter biss einem Demonstranten ins Bein, Stefan Hrdy sagte der „Bild“-Zeitung, bei seinem Biss habe es sich um Notwehr gehandelt. Jemand habe ihn von hinten in die Wade getreten, woraufhin er gestürzt sei, „und hatte dann drei oder vier Leute auf mir drauf.“ Vor dem Biss sei er getreten worden. Hrdy, ein ehemaliger GSG9-Elitepolizist, rechtfertigt sein Vorgehen mit Notwehr: „Der Mann, dem ich dann in Notwehr ins Bein gebissen habe, hatte mich zuvor ins Gesicht getreten.“

Eine Sprecherin des Bündnisses „Widersetzen“ gab an, dass der Delegierte auch eine Frau in einer Sitzblockade angespuckt habe. Sowohl diese als auch der Gebissene überlegten noch, ob sie Anzeige erstatten wollten.

Demonstranten gegen den AfD-Parteitag, Essen, 29. Juni 2024. Foto: Hesham Elsherif/Getty Images

Verletzte bei der Polizei – „Gewaltsame Störaktionen“

Proteste gegen den Parteitag waren am Vortag teilweise eskaliert. In einer ersten Zwischenbilanz sprach die Polizei von insgesamt 32 Gegendemonstrationen, zu denen mehrere zehntausend Menschen zusammenkamen. Demonstriert wurde „größtenteils friedlich“.

Leider habe es aber auch immer wieder größere Gruppen „von zum Teil mehreren hundert Personen“ gegeben, „die durch gewaltsame Störaktionen versuchten, die Delegierten an der Teilnahme des Bundesparteitags zu hindern oder Sperrstellen zu durchbrechen“, teilte die Polizei weiter mit. Im Rahmen dieser Aktionen hätten Polizisten wiederholt Gebrauch von Schlagstock und Reizgas gemacht.

Kurz nach 10 Uhr war es laut Polizei zudem zu einer Attacke von ca. 200 Personen auf die Einsatzkräfte gekommen. Hierbei erlitten unter anderem ein Polizist sowie eine Polizistin durch Schläge und Tritte teilweise schwere Verletzungen.

Nach der Behandlung im Krankenhaus hätten sich die zunächst als schwer eingestuften Verletzungen der Beamtin allerdings als nicht so gravierend dargestellt. Die Polizei sprach zuerst von einem schwer verletzten Beamten und 27 leicht verletzten Einsatzkräften.

Auf X (ehemals Twitter) dokumentieren Videos unter anderem Gewalt durch Linksextreme. Teilweise nehmen diese übergriffige Formen an, wie dieses Video zeigt.

Auch Antifa-Fahnen sind zu sehen. In einem Tweet bei X heißt es:

 

Teilweise sind die Proteste gegen den AfD-Parteitag am 29. Juni 2024 nicht so friedlich wie erhofft. Foto: Hesham Elsherif/Getty Images

(afp/dpa/dts/red)



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