AfD-Fraktionschefin Weidel zu Koalitionskrise: „Wir sind beim Jagen“
Die AfD-Bundestagsfraktion sieht den Streit innerhalb der Unions-Parteien als Ergebnis der AfD-Politik. „Söder treibt Seehofer, Seehofer treibt Merkel, alle zeigen mit dem Finger aufeinander“, sagte die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel am Montag in Berlin. „Im Huckepack hat man noch die SPD, die bundesweit immer weiter abschmiert und einen historischen Bedeutungsverlust – aus meiner Sicht völlig zurecht – erlebt, und das Ganze ist natürlich eine zerstrittene Koalition, die sind mit sich selber beschäftigt und das ist uns zuzuschreiben. Jetzt sehen Sie, wie Jagd geht. Wir sind beim Jagen.“ Der AfD-Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland hatte am Abend der Bundestagswahl angekündigt, die Regierung „jagen“ zu wollen.
Im festgefahrenen Streit über die Flüchtlingspolitik unternehmen die Spitzen von CDU und CSU einen möglicherweise letzten Einigungsversuch. Bundeskanzlerin Angela Merkel empfängt am Montagabend eine siebenköpfige CSU-Delegation, um den Bruch der Union über die von der CSU angedrohte Zurückweisung von Flüchtlingen an der Grenze doch noch zu abzuwenden. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble warnte nach Informationen von Reuters aus Teilnehmerkreisen im CDU-Bundesvorstand davor, dass die Unionsparteien „am Abgrund“ stünden. SPD-Chefin Andrea Nahles forderte, dass noch am Montag ein Koalitionsausschuss von SPD, CDU und CSU tagen müsse, auf dem über die Zukunft der Regierung gesprochen werde.
Seehofer hatte nach einer stundenlangen Sitzung der CSU in München in der Nacht zum Montag seinen Rücktritt angeboten, ihn aber auf Drängen anderer CSU-Politiker zunächst wieder zurückgenommen. Er nannte eine neue Frist für eine mögliche Einigung mit der CDU bis zu seinem 69. Geburtstag am Mittwoch. Die CSU dringt mehrheitlich weiter darauf, dass die Bundesregierung neben den auf EU-Ebene getroffenen Maßnahmen zur Reduzierung der Migration auch nationale Maßnahmen ergreifen müsse. Dazu soll die Zurückweisung von Flüchtlingen gehören, die in anderen EU-Staaten registriert sind. Während Seehofer die Beschlüsse des EU-Gipfels als nicht ausreichend zur Eindämmung illegaler Migration bezeichnete, sieht die CDU-Spitze dies ganz anders.
Mehrere Bundesvorstandsmitglieder warfen der CSU-Spitze nach Reuters-Informationen eine bewusste Desinformationspolitik über das vor, was in der EU vereinbart worden sei und was in der CDU diskutiert werde. Sollte die CSU ihre Drohung umsetzen und Seehofer im Alleingang die von CDU und SPD abgelehnten Zurückweisungen an der Grenze anordnen, hätte Kanzlerin Merkel nach Ansicht führender CDU-Politiker keine andere Wahl als die Entlassung des Innenministers. Dies könnte einen Koalitionsbruch auslösen. Am frühen Nachmittag wollte die CDU/CSU-Bundestagsfraktion zusammenkommen.
Am Sonntagabend hatte sich der CDU-Bundesvorstand mit einer Enthaltung hinter Merkel und deren europäischen Ansatz gestellt. „Einseitige Zurückweisungen wären das falsche Signal an unsere europäischen Gesprächspartner“, heißt es in einem Beschluss, auf den der CDU-Bundesvorstand am Montag erneut hinwies. Zugleich bemühte man sich aber um eine versöhnlichere Sprache. „In der Migrationspolitik verfolgen wir dieselben Ziele“, heißt es in einer Erklärung von Montag. Beide Unionsparteien wollten die Zuwanderung nach Deutschland „ordnen, steuern und begrenzen“. Man wolle, dass die Union zusammenbleibe.
CDU-Vize Julia Klöckner sprach davon, dass man der CSU bereits „breite Brücken“ gebaut habe. Dazu gehören aus CDU-Sicht die bilateralen Rücknahmeabkommen sowie das Zugeständnis, dass an der Grenze diejenigen Flüchtlinge abgewiesen werden können, die entweder bereits mit einem Asylantrag in Deutschland gescheitert waren oder aber in Spanien oder Griechenland registriert worden waren.
An dem Spitzengespräche nehmen von CDU-Seite Merkel, Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer, Unions-Fraktionschef Volker Kauder sowie die fünf CDU-Vizes teil. Die CSU kommt nach Reuters-Informationen mit Seehofer, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, Generalsekretär Markus Blume, dem früheren Ministerpräsidenten Edmund Stoiber, dem Chef der CSU-Gruppe im Bundestags, Alexander Dobrindt, Verkehrsminister Andreas Scheuer sowie Digitalisierungs-Staatsministerin Dorothee Bär in die CDU-Zentrale.
SPD und Opposition äußerten sich kritisch zum Unionsstreit. „Mein Optimismus war vorgestern größer“, sagte SPD-Chefin Nahles auf die Frage, ob sie zuversichtlich sei, dass CDU und CSU ihren Streit über die Flüchtlingspolitik beenden könnten. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter wirft der CSU vor, mit ihren „testosterongesteuerten Egoismen“ die Bundesregierung zu zerlegen. Auf die Frage, ob die Grünen zum Eintritt in die Regierung bereitstünden, sagte Hofreiter, die Grünen würden sich Gesprächen nicht verweigern. FDP-Chef Christian Lindner kritisierte, die CSU habe aus einer Sachfrage eine Machtfrage gemacht. Sie zeige, dass sie zurzeit keine bürgerliche Partei sei, wenn sie mit Ultimaten und Drohgebärden arbeite.
Bayerns Ministerpräsident Söder (CSU) forderte unterdessen, dass die bayerischen Grenzschutz-Einheiten in seinem Bundesland die gleichen Rechten wie die Bundespolizei erhalten sollten. Bayerns Grenzschutz solle selbstständig und als Ergänzung der Bundespolizei die Aufgaben wahrnehmen können. Innenminister und CSU-Chef Seehofer habe ihm dies zugesagt.
(reuters)
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