AfD-Bundesparteitag: Durchwachsenes Ergebnis für Weidel – Höcke-Flügel geschwächt

Bei den Vorstandswahlen im Rahmen des Bundesparteitags der AfD in Essen ist Bundessprecherin Alice Weidel mit 79,77 Prozent in ihrem Amt bestätigt worden. In Summe ist das Höcke-Lager geschwächt. Ein Grund dafür könnte die zunehmende Uneinigkeit in der Parteirechten sein.
Tino Chrupalla freut sich mit Alice Weidel nach seiner Wiederwahl.
Tino Chrupalla freut sich mit Alice Weidel nach seiner Wiederwahl.Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
Von 30. Juni 2024

Am Samstag, 29. Juni, hat die AfD auf ihrem Bundesparteitag in Essen ihren Bundesvorstand neu gewählt. Am Rande des Parteitags hatten Zehntausende Gegner der vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuften Partei vor der Halle und in der Innenstadt demonstriert. Unter ihnen waren auch zahlreiche gewaltbereite Linksextremisten. Bisherigen Erkenntnissen zufolge sollen 28 Polizeibeamte bei Zusammenstößen mit diesen verletzt worden sein – mindestens zwei von ihnen schwer.

„Ersatzbank, nicht aus dem Kader“: Weidel versucht Krah-Anhänger zu beruhigen

In der Halle ist der erste volle Tag des Parteitags im Vergleich zu früheren geordnet und ohne Eklats zu Ende über die Bühne gegangen. Ein wesentlicher Grund dafür dürfte das Interesse aller Delegierten gewesen sein, wenige Wochen vor den für die AfD wichtigen Landtagswahlen kein zerstrittenes Bild nach außen zu liefern.

Bereits zu einem frühen Stadium wurde auch deutlich, dass auf dem Parteitag keine Revolten stattfinden würden. Eine solche wäre ins Haus gestanden, hätten die Delegierten beschlossen, die Doppelspitze bereits jetzt abzuschaffen. Stattdessen blieb es bei dieser, und es gab für die Bundessprecher Alice Weidel und Tino Chrupalla keine Gegenkandidaten.

In ihrer Rede auf dem Parteitag versuchte Weidel, der Kritik gegenzusteuern, die Parteispitze habe EU-Spitzenkandidat Maximilian Krah die gebotene Solidarität verweigert. Sie verglich dessen Ausbootung durch die EU-Delegation der AfD mit einem Fußballer im Formtief und äußerte:

„Wer auf der Ersatzbank landet, fliegt nicht gleich aus dem Kader.“

Chrupalla: Landtagswahlen gewinnen

Weiterhin beschwor Weidel den Kampf gegen die Ampel, die „Politik gegen die eigene Bevölkerung“ mache und für eine „Deindustrialisierung Deutschlands“ sowie eine Migrationskrise verantwortlich sei.

Kritischer gegenüber Krah wurde Tino Chrupalla. Er äußerte, die AfD werde künftig „bei der Auswahl der Spitzenkandidaten sorgsamer“ agieren müssen. Durch „unvorsichtiges und unprofessionelles Verhalten“ hätte mancher von ihnen „Angriffsfläche“ geboten. Dadurch, dass „Graswurzelbewegungen“ über die EU-Liste entschieden hätten, sei Qualifikation nicht das entscheidende Kriterium gewesen.

Die AfD müsse, so Chrupalla, nun geschlossen und gemeinsam auftreten. Dies gelte insbesondere mit Blick auf die bevorstehenden Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg:

„Wir sind die Nummer eins im Osten und wir wollen diese Wahlen gewinnen.“

Beide Bundessprecher wurden am Ende im Amt bestätigt, wobei das Ergebnis von Alice Weidel mit 79,77 Prozent gemessen an ihrer exponierten Rolle in der Öffentlichkeit als nicht optimal erscheint. Mit 82,72 Prozent war Chrupallas Ergebnis besser als das seiner Sprecherkollegin.

Mit hohen Ergebnissen gewählt wurden die ersten beiden Stellvertreter – Stephan Brandner mit 90,77 und Peter Boehringer mit 85,77 Prozent. Den stärksten Rückhalt sollten jedoch drei Beisitzer erhalten; mit 89,79 Prozent erhielt Heiko Scholz aus Hessen das höchste Ergebnis aller Kandidaten. Krah selbst hatte bereits im Vorfeld erklärt, nicht mehr für ein Vorstandsamt kandidieren zu wollen, und blieb dem Parteitag fern.

„Gemäßigter“ Boykott-Befürworter gegen Türken als Stellvertreter gewählt

Wie vielfach bereits vor dem Parteitag erwartet wurde, haben jüngste Konflikte innerhalb der Parteirechten nicht nur dem Bundessprecher-Duo eine ungefährdete Wiederwahl ermöglicht und am Ende auch Maximilian Krah und Björn Höcke geschadet.

Ein deutlicher Ausdruck davon ist, dass mit Kay Gottschalk ein bekennender Höcke-Gegner der Vergangenheit als dritter stellvertretender Bundesvorsitzender in den Vorstand zurückkehrt. In Essen setzte sich der Politiker des nordrhein-westfälischen Landesverbandes mit mehr als 61 Prozent gegen Dirk Spaniel durch, der in Baden-Württemberg als Weidel-Gegner agiert.

Gottschalk, der ungeachtet seiner Vorstöße wie eines Aufrufs zum „Boykott der Geschäfte von Türken“ als „gemäßigt“ gilt, wurde 2017 in den Bundesvorstand gewählt. Zwei Jahre später unterlag er dem später aus der Partei ausgeschlossenen Brandenburger Funktionär Andreas Kalbitz.

Im Rahmen seiner Kandidatenvorstellung äußerte Gottschalk, dass die Partei bestimme, wer „zu ihrem Vorfeld“ gehöre. Dies war als klare Kampfansage an „aktivistische“ und „subkulturelle“ Kreise zu verstehen, die sich auf TikTok und im Umfeld einschlägiger Thinktanks wie des früheren „Instituts für Staatspolitik“ (IfS) bewegen. Höcke und vor allem Krah waren zuletzt darauf bedacht, schwerpunktmäßig dieses häufig intensiv vom Verfassungsschutz beobachtete Publikum zu bedienen.

Reusch will die AfD aus dem Visier des Verfassungsschutzes bekommen

Als weiterer Rückschlag für die Parteirechte gilt die Wahl des Juristen Roman Reusch. Dieser vertritt die Partei in mehreren Verfahren gegen den Inlandsgeheimdienst. In der Partei selbst versucht er, dem Verfassungsschutz keine Angriffsflächen zu bieten. Erst im Vorjahr war Reusch als Beisitzer des Landesverbandes Brandenburg zurückgetreten, nachdem er dort keinen Rückhalt für ein Parteiausschlussverfahren eines brandenburgischen Vorstandsmitglieds der JA Brandenburg gefunden hatte.

Reusch setzte sich mit 63,99 Prozent in einer Kampfabstimmung um den fünften Beisitzerposten gegen den bayerischen Landtagsabgeordneten Ingo Hahn durch. In seiner Vorstellungsrede warf der Jurist die Frage auf, ob manche Rechtsaußenpolitiker in der Partei, die durch besonders extreme Aussagen dem Verfassungsschutz Vorlagen lieferten, nicht selbst von diesem dafür bezahlt würden.

Bereits vor dem Parteitag waren vermeintliche „Konsenslisten“ im Umlauf, die angeblich einen Kompromiss zwischen den relevanten Akteuren innerhalb der Partei darstellten. Eine davon, die vom 25. Juni datiert, war sehr nahe am tatsächlichen Ergebnis der Vorstandswahlen angesiedelt.

JA-Chef Gnauck schafft es mit hauchdünner Mehrheit in den Vorstand

Angeblich soll die Liste auch den Segen Höckes gehabt haben. Mit Stephan Brandner als stellvertretendem Vorsitzenden bleibt Thüringen selbst prominent vertreten. Gerüchte, wonach Höcke seinen Co-Sprecher Stefan Möller ins Rennen schicken könnte, bewahrheiteten sich nicht. Neben einer Überrepräsentanz des mitgliedermäßig kleinen Landesverbandes hätte auch die jüngste Krah-Kontroverse dessen Chancen, gewählt zu werden, geschwächt.

Mit Martin Reichardt bleibt ein Höcke nahestehender Funktionär aus Sachsen-Anhalt in der Vorstandsetage. Seine 86,68 Prozent waren das dritthöchste Ergebnis des Parteitags. Sachsen ist durch Bundessprecher Tino Chrupalla und Bundesschatzmeister Carsten Hütter vertreten. Brandenburg verfügt gleich über drei Vertreter, die unterschiedlichen Lagern zugeordnet werden.

Trostpflaster für die Parteirechten sind die Beisitzerposten für Dirk Brandes aus Niedersachsen, der dem aufgelösten „Flügel“ zugeordnet wurde und mit 88,31 Prozent das zweitbeste Ergebnis einfuhr, sowie für den JA-Vorsitzenden Hannes Gnauck. Der Chef der als gesichert rechtsextremistisch eingestuften Jungen Alternative setzte sich knapp mit 50,57 Prozent im dritten Wahlgang gegen den früheren „Schill-Partei“-Funktionär Markus Wagner durch.



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