AfD-Bewerber für Europa festgelegt – Ziel ist ein Europa als „Bund europäischer Nationen“

Die AfD suchte in einer Marathon-Wahlversammlung in Magdeburg 30 Bewerber für das EU-Parlament. Einige AfD-Vertreter wollen eine „neue europäische Wirtschafts- und Interessengemeinschaft“, einige andere einen EU-Austritt Deutschlands, den sogenannten Dexit.
Titelbild
Beatrix von Storch (L) am 5. August 2023 an der Europawahlversammlung der AfD auf dem Messegelände in Magdeburg.Foto: RONNY HARTMANN/afp/AFP via Getty Images
Epoch Times6. August 2023

Bei der Kandidatenauswahl der AfD zur Europawahl 2024 haben viele Bewerber eine Abkehr von der Europäischen Union und eine Abschottung gegen Migration gefordert. Die Partei vergab am Samstag in Magdeburg in einem langwierigen Verfahren weitere Plätze auf ihrer Wahlliste. Am Sonntag (7. August) folgt die Beratung des Europawahlprogramms.

Die Delegierten entschieden am Samstag, nicht nur 30, sondern 35 Listenplätze zu besetzen. Etwa eine halbe Stunde vor Mitternacht waren alle 35 Kandidaten für das nächste Jahr bestimmt.

Ein im Juni veröffentlichter Entwurf setzte als Ziel eine „geordnete Auflösung der EU“ und die Gründung einer „neuen europäischen Wirtschafts- und Interessengemeinschaft“. Einige AfD-Vertreter plädieren auch für einen EU-Austritt Deutschlands, den sogenannten Dexit.

Laut Parteispitze geriet der Passus zur „Auflösung der EU“ aber durch ein „redaktionelles Versehen“ in den Text. Dies soll nach dem Wunsch der Parteiführung durch die Delegierten in Magdeburg wieder geändert werden. Parteichef Tino Chrupalla sagte, es werde an einem neuen Entwurf gearbeitet, der als „Kompromiss“ dienen könne. Nach Angaben aus Parteikreisen soll der Entwurf vom Juni entschärft werden.

„Wir wollen den Dexit haben“

In den Vorstellungsrunden fanden sowohl die Auflösung der EU als auch der Dexit durchaus Unterstützung. „Lasst uns zusammen die EU beenden“, sagte der Bewerber Thomas Schmidt. Mitbewerber Peter Ditges sagte: „Ich möchte antreten, um diese Farce in Brüssel zu beenden.“

Mitbewerberin Elisabeth Becker betonte: „Wir wollen ja den Dexit haben.“ Ihr Parteikollege Jurij Christopher Kofner sagte, er „erkläre der woken Ideologie den Krieg“ mit friedlichen Mitteln. „Wir müssen unsere Heimat zurückerobern.“ Deutschland sei ein von den USA und der EU „besetztes Land“.

Spitzenkandidat wurde der Europaabgeordnete Maximilian Krah, der auch intern nicht unumstritten ist.

Parteivorsitzende Alice Weidel wies im Sender „Welt“ die Interpretation zurück, dass die AfD weiter nach rechts gerückt sei. „Herr Krah ist ein Kandidat, auf den sich die verschiedenen Lager und Strömungen dieser Partei im Vorfeld verständigt haben“, sagte Weidel. Die von Krah erzielten zwei Drittel der Delegiertenstimmen seien ein „sehr, sehr solides Ergebnis“.

Die AfD-Europaabgeordnete Sylvia Limmer sieht hingegen Erfolge des rechten Lagers um den thüringischen Landeschef Björn Höcke. Auch in der AfD zähle nun „Wohlverhalten und Konformität“, sagte Limmer der „Welt“ und der ARD. Sie war mit Bewerbungen um aussichtsreiche Listenplätze gescheitert und hatte die „strammen Höcke-Kader“ dafür verantwortlich gemacht.

„Ein Bund europäischer Nationen“

Aus Sicht der AfD soll an die Stelle der EU „ein Bund europäischer Nationen“ treten. Freihandel, Zollunion und eine europäische Sicherheitsarchitektur seien weiter gewünscht. „Es ist ja nicht so, dass wir einen Austritt fordern und danach kommt nichts“, betonte Chrupalla.

Seit langem fordert die AfD eine deutsche Abkehr vom Euro und die Rückkehr zur D-Mark. Nach Einschätzung von Experten würde dies eine Wirtschafts-, Finanz- und Bankenkrise für Deutschland und die übrigen Länder der Währungsunion auslösen.

Ein deutscher EU-Austritt wäre womöglich ein Ende der Gemeinschaft in bisheriger Form. Umfragen zufolge ist eine große Mehrheit in Deutschland dagegen. Wie eine „geordnete Auflösung“ der EU aussehen könnte, ist offen.

Zweifel an menschengemachtem Klimawandel

Die AfD wendet sich im Entwurf ihres Wahlprogramms auch gegen Klimaschutzmaßnahmen und spricht von einer „Klimahysterie“. Chrupalla sagte, der menschengemachte Anteil am Klimawandel sei „so gering, dass das keinen Ausschlag hat“.

Und er fügte hinzu: „1,5 Grad Erwärmung der Erde? Es wird nichts passieren, wenn die Erde 1,5 Grad wärmer ist. Das sind auch alles Dinge, wo mit Hysterie gearbeitet wird. Wenn vom Schmelzen der Pole gesprochen wird: Der Nordpol, wir sehen es, ist in einer guten Verfassung.“

Haltung zur Ukraine

Parteichefin Weidel äußerte sich auch zum Krieg in der Ukraine und sagte: „Wir halten grundsätzlich die Debatte über die Schuldfrage im Ukraine-Krieg für viel zu verkürzt.“ Der Ukraine-Krieg habe eine Vorgeschichte, die ausgeblendet werde, sagte sie mit Blick auf die NATO.

Doch wandte sich Weidel gegen einen NATO-Austritt, wie sie von einigen AfD-Politikern debattiert wird. „Ein Gebilde kann man nur von innen heraus reformieren“, sagte Weidel. Die europäische Säule der Allianz müsse gestärkt werden, weil die USA andere Sicherheitsinteressen hätten.

„Maulkorb“ für Verfassungsschutz

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) wird seine Einschätzung des AfD-Bundesparteitags und der dort gewählten Kandidaten für die Europawahl vorerst nicht wiederholen.

Es habe in einem gerichtlichen Verfahren eine Stillhaltezusage abgegeben, die Äußerungen während der Europawahlversammlung an diesem Wochenende zu unterlassen, teilte das Verwaltungsgericht Köln auf Anfrage mit.

BfV-Präsident Thomas Haldenwang hatte nach dem ersten Teil des Parteitags am vergangenen Wochenende dpa gesagt, Vertreter des ehemaligen gemäßigteren Lagers hätten dabei so gut wie keine Rolle mehr gespielt. „Vielmehr äußerten diverse Wahlbewerber rechtsextremistische Verschwörungstheorien, wie beispielsweise die vom sogenannten ‚Großen Austausch‘.“

Die AfD stellte daraufhin beim Verwaltungsgericht Köln einen Eilantrag, dies während der Fortsetzung der Europawahlversammlung an diesem Wochenende und darüber hinaus zu unterlassen. Dieser weitergehenden Forderung folgte das Gericht jedoch nicht. Denn: Eine mögliche Beeinträchtigung der parteiinternen Willensbildung sei mit Abschluss der Europawahlversammlung nicht mehr zu befürchten. Und einer möglichen Beeinträchtigung der bundesdeutschen Willensbildung bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen am 8. Oktober komme kein überragendes Gewicht zu.

Aus Sicht der AfD hat das Bundesamt für Verfassungsschutz mit der Zusage „seinem eigenen Präsidenten nicht nur einen ‚Maulkorb‘ verpasst, sondern zugleich eine gerichtliche Verurteilung vermieden“. Nach Ende der Europawahlversammlung werde das Eilverfahren fortzuführen sein, um ein gerichtliches Verbot der Äußerungen zu erzielen. „Haldenwang versucht erneut aus seinem Amt heraus, politisch Einfluss zu nehmen“, kritisierten die Parteivorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla.

(dpa/red)



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