Plagiatsvorwurf: Hat die CDU wirklich von der AfD abgeschrieben?

Die CDU hat in der vergangenen Woche den Entwurf ihres Grundsatzprogramms vorgestellt. Schnell kam aus den Reihen der AfD der Vorwurf, die Christdemokraten hätten von ihnen abgeschrieben. Ist das aber tatsächlich so?
CDU-Chef Friedrich Merz mit Carsten Linnemann, der neuer Generalsekretär der Partei werden soll.
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann (r.) stellte in der letzten Woche den Entwurf des Grundsatzprogramms vor. Wie viel AfD steckt tatsächlich im Programm?Foto: Michael Kappeler/dpa
Von 18. Dezember 2023

Anfang Dezember stellte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann den Entwurf des Grundsatzprogramms seiner Partei vor. Es ist das vierte Grundsatzprogramm in der Geschichte der CDU. Mit dem Programm, das im Mai kommenden Jahres offiziell auf einem Parteitag verabschiedet werden soll, möchte die Partei vor allem eines erreichen: Vertrauen zurückgewinnen.

Kurz nachdem die CDU auf einer Pressekonferenz Hauptsäulen ihres Grundsatzprogramm-Entwurfs vorgestellt hat, meldete sich AfD-Parteivorsitzende Alice Weidel zu Wort. Gegenüber der „Bild“ sagte Weidel, dass die CDU die „unsägliche Brandmauer zumindest programmatisch eingerissen hat“. Weiter nannte Weidel gegenüber dem Blatt drei Beispiel-Punkte, wo die CDU sich bei ihrer Partei bedient habe: „Sei es das Thema Grenzschutz, das Ablehnen der Gender-Ideologie und die Wiederherstellung der Kernenergie – all das sind Kernforderungen der AfD.“ Was ist aber tatsächlich an dem Vorwurf dran, dass die CDU bei der AfD abgeschrieben hat?

Überschneidungen und Unterschiede bei Migration

Schaut man auf das Thema Migration, dann lassen sich durchaus Überschneidungen erkennen. Beide Parteien setzen sich vor allem für eine schärfere Grenzkontrolle ein.

In der Sache vertreten beide Parteien allerdings unterschiedliche Ansätze. Schaut man in das Grundsatzprogramm der AfD, dann fordert die Partei „den Aufbau eines flächendeckenden deutschen Grenzschutzes unter dem Dach der Bundespolizei“. Es sollen außerdem „betriebsbereite Grenzübergangsstellen bereitstehen, die je nach Gefährdungslage jederzeit in Betrieb genommen werden können“. Und: Auch die Bundeswehr soll zum Grenzschutz eingesetzt werden. Der alleinige Schutz der europäischen Außengrenzen reicht der AfD also nicht aus. Sie setzt auf die Festung Deutschland.

Anders die CDU, die auf die Festung Europa setzt. Die Partei möchte vor allem die EU-Außengrenzen besser schützen. Sie sollen „umfassend elektronisch überwacht“ und auch durch Baumaßnahmen gesichert werden. Dazu soll eine „europäische Küstenwache und eine Grenzpolizei geschaffen werden.“

CDU vollzieht beim Atomstrom eine Kehrtwende

Unterschiedlich sind die Positionen von CDU und AfD auch beim Thema Atomkraft. Zumindest beim Blick in beide Grundsatzprogramme. Die AfD schließt hier einen Ausstieg aus der Atomkraft nicht aus.

So kann man im AfD-Grundsatzprogramm, das allerdings noch aus dem Jahr 2016 stammt, lesen:

„Solange die Stromversorgung nicht ausreichend gesichert ist, setzt sich die AfD dafür ein, eine Laufzeitverlängerung der noch in Betrieb befindlichen Kernkraftwerke übergangsweise zu gestatten. […] Wir wollen die Forschung zur Kernenergie sowie Reaktor- und Kraftwerkstechnik wieder erlauben. […] Die Nutzung der Kernenergie ist jedoch kein Selbstzweck und ihre zukünftige Ersetzung denkbar. Deshalb sind alle übrigen Energieformen weiter mit Nachdruck zu erforschen.“

Die CDU gibt sich in ihrem Grundsatzprogramm inzwischen deutlich technikoffener und schreibt in ihrem Entwurf des Grundsatzprogramms:

„Wir können zurzeit nicht auf die Option Kernkraft verzichten. Und werden die klimafreundliche Erzeugung und Speicherung gerade von Strom vorantreiben. Wir setzen bei der Gesamtenergieversorgung von morgen auf Technologieoffenheit in Anwendung und Forschung. Dazu gehören derzeit Brennstoffzellen, Wasserstoffkraftwerke, klimafreundliche Gaskraftwerke, Kernkraftwerke der vierten und fünften Generation sowie Fusionskraftwerke. Wir wollen den weltweit ersten Fusionsreaktor bauen.“

Hier hat die CDU unter Friedrich Merz tatsächlich eine bemerkenswerte Kehrtwende hingelegt. Schließlich war es die CDU unter der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel, die 2011 den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen hat.

Was nun auf den ersten Blick im CDU-Grundsatzprogramm wie von der AfD abgeschrieben klingt, entpuppt sich bei einer genaueren Betrachtung dann doch als unterschiedliche Position. Die AfD hält einen Atomausstieg für möglich. Zur Atomkraft als Teil eines Energiemixes bekennt sich hingegen die CDU unter Merz.

Die AfD hat sich über das Grundsatzprogramm hinaus inzwischen auch in diesem Bereich offenbar weiterentwickelt. Gerade erst im November 2023 hat die Partei im Bundestag einen Antrag gestellt, den Ausbau von Atomenergie in Deutschland wieder zu forcieren. Die gerade erst am Jahresanfang abgeschalteten Atomkraftwerke, so die AfD-Bundestagsfraktion, sollen wieder reaktiviert werden. Weiter möchte die Fraktion Kernkraft wieder ausbauen. Der Antrag wurde im Bundestag bisher nicht beraten. Es bleibt also abzuwarten, wie sich die Union im Bundestag positionieren wird.

Gender für CDU keine Ideologie

Auch beim Thema „Gender“ sind die Positionen, anders, als Alice Weidel behauptet, zwischen CDU und AfD nicht unbedingt deckungsgleich. Beide Parteien verurteilen die sogenannte „Gendersprache“. Im Detail tun sich dann allerdings Unterschiede auf.

Die AfD spricht in ihrem Grundsatzprogramm von einer „Ideologie“, die gestoppt werden muss. Weiter behauptet die AfD, dass es derzeit „staatlich geförderte Umerziehungsprogramme“ gäbe.

Bei der CDU klingt das Thema „Gender“ differenzierter:

„Wir sind für eine geschlechtergerechte Sprache, aber gegen Gender-Zwang. […] Eine Überfrachtung der Menschen durch die Einführung gesellschaftspolitisch aufgeladener Sprachregelungen verunsichert, erschwert die Verständlichkeit und führt zu Konflikten. […] Wir wollen, dass in allen Behörden, Schulen, Universitäten und anderen staatlichen Einrichtungen sowie im öffentlich-rechtlichen Rundfunk keine grammatikalisch falsche Gender-Sprache verwendet wird. Wir sind für eine den Vorgaben des Rates für deutsche Rechtschreibung entsprechende Schreibweise.“

Der Unterschied zwischen beiden Positionen: Ein Bekenntnis zu einer „geschlechtergerechten Sprache“ gibt es im AfD-Grundsatzprogramm nicht. Die CDU hingegen sieht bei dem Thema auch keine volksumerziehende Ideologie am Werk.

Dass verschiedene Parteien ähnliche Themen ansprechen, ist nichts Ungewöhnliches. Von gleichen Positionen bei der AfD und der CDU kann allerdings nicht die Rede sein. Vielmehr scheint die CDU unter Merz und seinem Generalsekretär Linnemann wieder stärker als unter Merkel ihren Markenkern herausstreichen zu wollen. Zurück zu den Wurzeln – dabei die Distanz zu AfD-Positionen zu wahren, scheint der Weg der Merz-CDU zu sein. In der Umsetzung politischer Vorhaben unterscheidet sich die CDU von der AfD. Der Vorwurf des Plagiats lässt sich jedenfalls nicht halten.



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