Ärzteverband warnt vor „extremer Verschärfung der Rechtslage“ für Kinder
Am 9. September stimmt der Bundestag über Änderungen zum Infektionsschutzgesetz (IfSG) ab. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e.V. (BVJK) warnt vor den Auswirkungen der geplanten Regelungen. Diese könnten dazu führen, dass Kinder und Jugendliche mit Erkältungssymptomen und solche, die von einer COVID-Erkrankung genesen sind, von Schule und Kindergarten ausgeschlossen werden.
„So wichtig die Diskussion einer Maskenpflicht in Flugzeugen und in gastronomischen Betrieben sein mag, sehen wir ein augenfälliges Missverhältnis in der öffentlichen Diskussion gegenüber der Wahrung der Bildungs- und sozialen Teilhaberechte von Kindern und Jugendlichen“, kritisiert der Verbandspräsident Dr. Thomas Fischbach.
Eine solche extreme Verschärfung der Rechtslage nach 30 Monaten Pandemie kann von keiner Seite ernsthaft gewünscht sein“, heißt es weiter von dem Verband.
Auf den ersten Blick wirke der erweiterte Katalog von Erkrankungen, die in § 34 Infektionsschutzgesetz zu finden sei, „harmlos“. Die Folgen wären laut BVJK jedoch:
- Wenn der Verdacht besteht, dass ein Kind an Corona erkrankt sein könnte, wird zukünftig ein ärztliches Urteil notwendig sein, ohne das das betroffene Kind nicht mehr weiter die Gemeinschaftseinrichtung besuchen kann. Was einen Verdachtsfall darstellt, ist nicht geregelt. Das heißt, ein Kind wird unter Umständen auch im Falle einer banalen, aber „verdächtigen“ Erkältung so lange nicht in Kita oder Schule gehen können, bis Corona ausgeschlossen ist. Kinder müssten beim Auftreten von Symptomen, die theoretisch auch Corona zugeordneten werden könnten, die Kita oder Schule umgehend verlassen.
- Wenn ein Kind an COVID-19 erkrankt war und ein negativer Antigen-Test bestätigt, dass die Erkrankung überwunden ist und insofern keine Isolationspflicht mehr besteht, reicht dies nicht mehr aus. Das Kind kann nicht wieder in die Schule oder den Kindergarten gehen, sondern bedarf zukünftig hierfür zusätzlich einer ärztlichen Bestätigung.
Jahrelange Auswirkungen der Corona-Maßnahmen
Schon im Vorfeld hatte sich der Verband kritisch über das neue Infektionsschutzgesetz geäußert. Im Rahmen einer Anhörung vor dem Gesundheitsausschuss des Bundestages, die am 29. August stattgefunden hat, wiesen der BVKJ auf die während der Pandemie erfolgten Eingriffe in die Bildungs- und sozialen Teilhaberechte von Kindern und Jugendlichen hin.
Die Schließung von Kitas und Schulen sowie Einschränkungen bei der Freizeitgestaltung sehen sie als Mitursache für gesundheitliche Schäden der heranwachsenden Generation, darunter Übergewicht, Suchtverhalten, Probleme im Sozialverhalten sowie psychische Beeinträchtigungen. „Diese gesundheitlichen Schäden werden Kinder und Jugendliche möglicherweise jahrelang begleiten“, heißt es in der Stellungnahme vom 29. August.
In der Vergangenheit sei der Schulbetrieb durch die mit Corona-Tests verbundenen Isolations- und Quarantänemaßnahmen massiv gestört worden. Dass ein Kind als Kontaktperson eines Corona-positiven Mitschülers in Quarantäne muss, sei keineswegs gerechtfertigt. Hier könne man mit häufigeren Tests agieren, so der BVKJ.
Wenn aufgrund der allgemeinen Corona-Lage Maßnahmen notwendig würden, sollten diese für Kinder und Jugendliche jedoch niemals härter ausfallen, als für die übrige Bevölkerung. Konkret bedeute dies: „Wenn beispielsweise Masken am Arbeitsplatz nicht vorgeschrieben sind, sollten sie auch nicht von Jugendlichen in der Schule getragen werden müssen. Wenn Tests bei Kultur- und Freizeitveranstaltungen oder auch am Arbeitsplatz nicht vorgeschrieben sind, dürfen sie auch von Schülerinnen und Schülern nicht erwartet werden.“
Kinderrechte spielen im Infektionsschutzgesetz keine Rolle
Enttäuscht zeigte sich BVKJ-Bundessprecher Jakob Maske nach der Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestages: „Die Rechte von Kindern und Jugendlichen auf Bildung und soziale Teilhabe spielen für die Politik keine Rolle.“
Regelungen zu Corona-Tests, die zur „Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems“ lediglich Kinder, Jugendliche, Asylbewerber und Strafgefangene betreffen, seien „eindeutig nicht sachgerecht“. Es könne nicht sein, dass Erwachsene am Abend ungetestet Party machen und dann am nächsten Morgen ungetestet ins Großraumbüro gehen, während Kinder und Jugendliche einem „strengen Testregime unterworfen“ werden.
„Das widerspricht dem Gleichheitsgrundsatz und das widerspricht, angesichts der vielen falsch-positiven und falsch-negativen Testergebnisse, der Wissenschaft“, so Maske.
Zudem müssten Grundschulkinder generell von der Maskenpflicht befreit werden – nicht nur in Schulen, sondern auch bei Freizeit, Kultur und Sport. „Aber auch Kinder und Jugendliche an weiterführenden Schulen sollten nicht als erste in den Blick von verschärften Einschränkungen geraten, die für Erwachsene bei Arbeit und Freizeit nicht gelten.“
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