Corona-Ärger an der Grenze wegen Herz-Notfall: Tiroler Landeschef empört über Söders „Kontroll-Willkür“
30 Minuten Todesangst erlebte ein 77-jähriger Herzpatient, der im Rettungswagen von einem Tiroler Bezirkskrankenhaus in die Füssener Herzklinik eingeliefert werden sollte und an der deutsch-österreichischen Grenze bei Füssen-Ziegelwies von bayerischen Grenzposten abgewiesen wurde, weil der Ausdruck einer E-Mail fehlte. Nun schlägt das Ereignis hohe Wellen.
„Nicht nur die Wirtschaft und viele persönliche Schicksale werden in den bayerisch-tirolerischen Grenzregionen maximal belastet, sondern auch die Gesundheit der Menschen dies- und jenseits der Grenze“, wetterte der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP), als ihm der besagte Fall bekannt wurde.
Er beklagte, dass die jahrelang aufgebaute partnerschaftliche Zusammenarbeit in den Grenzregionen nun „der Willkür der deutschen Kontrollen“ zum Opfer fielen, so die „Tiroler Tageszeitung“ (TT). Diese „einseitigen und willkürlichen Grenzkontrollen“ seien durch nichts mehr zu rechtfertigen, erklärte der Chef der Tiroler Landesregierung.
Landtagspräsidentin beklagt „deutsches Grenzregime“
Auch die Präsidentin des Tiroler Landtags, Sonja Ledl-Rossmann meldete sich empört zu Wort: „Wenn Deutschland jetzt auch akute Rettungseinsätze verunmöglicht, schlägt das dem Fass den Boden aus“, zitiert „Chiemgau24“ die ehemalige Bundesratsvorsitzende.
Nach Angaben des österreichischen Regionalmediums „meinbezirk“ erinnerte Ledl-Rossmann noch daran, dass das Füssener Herzzentrum ein Vertragspartner der Tiroler Krankenkasse sei. Die stationären Grenzkontrollen seien unverständlich und weder verhältnismäßig noch EU-rechtskonform.
„Der Vorfall in Füssen zeigt ganz klar, dass das deutsche Grenzregime ausartet“, so die ÖVP-Spitzenpolitikerin. Sie habe sich bereits an die Landrätin vom Ostallgäu, Maria Rita Zinnecker (CSU), gewandt und „auf eine sofortige Beendigung der Schikanen an der Grenze“ gedrängt.
Auch das Allgäu habe sich ein rasches Ende der Grenzkontrollen gewünscht, so Landtagspräsidentin Ledl-Rossmann: „Wir sind uns einig, dass Vorfälle, wie das Abweisen eines im Einsatz befindlichen Rettungswagens, keinesfalls mehr vorkommen dürfen und harte Grenzkontrollen keine brauchbare Lösung sind.“
Justizsprecher: „Es reicht!“
Johannes Margreiter, Neos-Justizsprecher und Mitglied im Justizausschuss des österreichischen Nationalrats, kündigte mögliche rechtliche Schritte an.
Der Nationalratsabgeordnete monierte, dass hier laufend geltendes Recht gebrochen werde: „Im Schengenabkommen ist klar geregelt, in welchem Rahmen wir uns bewegen dürfen.“
Jedoch zeige der aktuelle Fall einmal mehr, wie absurd die Politik mittlerweile agiere. Margreiter erinnerte daran, dass die politischen Entscheidungen von den Verantwortlichen getroffen worden seien, um die Gesundheit der Menschen zu schützen, jetzt sei jedoch genau das Gegenteil der Fall:
Im Namen des Gesundheitsschutzes wird Gesundheit gefährdet! (…) Es reicht!“
(Johannes Margreiter, Nationalratsmitglied, Justizausschuss)
Margreiter verkündete weiter, dass er prüfen werde, ob man in diesem Fall rechtliche Schritte einleiten könne.
Söders Grenzpolizei involviert
Am Donnerstag, 25. März, informierte sich eine Beamtin der Bundespolizeiinspektion Kempten bei Andreas Inwinkl, Bezirksgeschäftsführer und Leiter des Rettungsdienstes beim Roten Kreuz in Reutte, Tirol, über den Vorfall. Sie zeigte sich anschließend erleichtert, dass es nicht die Bundespolizei war, die in den Fall involviert gewesen ist, sondern die Bayerische Grenzpolizei.
Diese wurde am 1. August 2018 aus der Bayerischen Landespolizei wiedererrichtet, so wie es Markus Söder nach seiner Wahl im März 2018 zum Ministerpräsidenten von Bayern angekündigt hatte. Söders neue Grenzpolizeieinheit sollte einem Bericht der „Augsburger Allgemeinen Zeitung“ zufolge 500 Beamte umfassen und einen „ganz großen Beitrag leisten, die Sicherheit in den bayerischen Grenzräumen zu verbessern“.
Im Fall des Herznotfallpatienten rief eine Beamtin der Bayerischen Grenzpolizei beim Roten Kreuz in Reutte an und wollte Details wissen. Eine Entschuldigung sei laut „Tiroler Tageszeitung“ in einem Folgebericht allerdings ausgeblieben.
Die Grenzpolizei von Bayern gab, wie der „Donaukurier“ berichtete, an, dass ein Notfall für die Beamten nicht zu erkennen gewesen sei. Dies habe das Polizeipräsidium Kempten am 25. März erklärt. Es wäre sonst anders entschieden worden, versicherte man.
Der Krankenwagen sei ohne Blaulicht und Martinshorn an die Grenze gekommen. Laut dem Fahrer sei es ein gewöhnlicher Krankentransport von Reutte nach Füssen gewesen. Der Fahrer habe keinen vorgeschriebenen Corona-Test gehabt und eine Eilbedürftigkeit sei nicht erkennbar gewesen, hieß es.
Notfall-Patient: „Muss ich jetzt sterben?“
Einem Bericht der „Tiroler Tageszeitungt“ nach hatte der 77-jährige deutsche Notfall-Patient, dem zuvor ein Herzkatheder gelegt worden war, in dem Rot-Kreuz-Wagen Todesangst. Der Rettungswagen mit dem negativ auf Corona getesteten Insassen musste nach Ablehnung an der Grenze zwei Kilometer zu einem MPreis-Supermarkt in Pinswang auf österreichischer Seite zurückfahren und dort auf ein fehlendes Papier warten.
Der Senior fragte die ihn begleitenden Sanitäter der Reuttener Rettung: „Muss ich jetzt sterben?“ Wohl endlos lang erscheinende 30 Minuten dauerte es, bis das von den bayerischen Grenzern geforderte Papier endlich von einem weiteren Rettungswagen nachgeliefert werden konnte. Nach Ankunft im Herzzentrum Füssen wurde der Mann umgehend operiert.
Das fehlende Papier
Bei dem fehlenden Dokument handelte es sich um eine Erklärung des Bayrischen Staatsministeriums, dass „eine Einreise für Behörden und Organisationen für Sicherheitsaufgaben, also Rettung, Polizei, Feuerwehr und andere, die sich im Einsatz befinden, erlaubt ist“, erklärte Rettungsdienstleiter Andreas Inwinkl.
Eine Kopie dieser Erklärung fehlte im Rettungswagen, weil das ursprünglich für den Krankentransport geplante Fahrzeug überraschend in die Werkstatt gebracht werden musste. Stattdessen kam ein Ersatzfahrzeug aus Ehrwald zum Einsatz für den Nottransport des Herzpatienten. In diesem habe sich der besagte Zettel jedoch nicht befunden.
Südafrika-Mutation in Tirol
Wie die „TT“ erläutert, sei das deutsche Einreiseverbot in der dritten Märzwoche durch Deutschland verlängert worden, weil in Tirol eine südafrikanische Mutation des China-Virus entdeckt wurde.
In Tirol (757.634 Einwohner) gibt es derzeit 49 aktiv Positive, die sich mit dieser Corona-Mutation angesteckt hätten. Dies sei mit Stand 23. März ein Anteil von 1,87 Prozent bei den Gesamtinfizierten, hieß es.
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