Abschiebungsskandal: Bevölkerung hält Staat für überfordert – Mehrheit für Ankerzentren
Die Ankerzentren sind nach Ellwangen wieder verstärkt im Gespräch. Doch während die Bevölkerung nach einer aktuellen Umfrage die WELT-Leser (Civey/WELT) mit 77 Prozent für die Einrichtung von Ankerzentren stimmten, sind Polizeigewerkschaft und Bundespolizei dagegen. Auf Länderebene herrscht zuweilen Uneinigkeit. Bei zwei der drei Bundesländer, die der Einrichtung von Ankerzentren in einer Pilotphase zugestimmt haben (Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen) rumort es hinter den Kulissen.
Man möchte erst die konkrete Umsetzung und Detailfragen zu den Ankerzentren geklärt haben, so ist zu hören. Andere Bundesländer scheinen eine Beobachterrolle eingenommen zu haben.
Hessen steht wackelig da
Von den drei die zugesagt haben, steht das schwarz-grün regierte Hessen besonders wackelig da. Nach Kritik aus der hessischen Landesregierung an den Aussagen des Bundesinnenministeriums (BMI), dass Hessen sich freiwillig zur Teilnahme am Pilotprojekt gemeldet habe, ruderte das BMI, laut „WELT“ zurück. Hessen habe lediglich „um die Einbeziehung in die Überlegungen gebeten“. Es scheint in der hessischen Landesregierung neben Widerstand auch zu viele offene Fragen zu Seehofers Ankerzentren zu geben.
Auch das schwarz-gelb regierte Nordrhein-Westfalen (NRW) wünscht sich mehr Klarheit. So äußerte Armin Laschet, NRW-Ministerpräsident, dass er Ankerzentren in NRW möchte, nun aber Seehofers Vorschläge konkretisiert wissen möchte. Joachim Stamp (FDP), NRW-Flüchtlingsminister, forderte in einem „WELT“-Interview gar einen Migrationsgipfel von Bund, Ländern und Kommunen, um die Unklarheiten zu beseitigen. Horst Seehofer solle endlich konkretisieren, wie die Ankerzentren aussehen sollen.
Für reine Abschiebezentren sieht Stamp in NRW keine Zustimmung
Für reine Abschiebezentren sieht Stamp in NRW keine Zustimmung, wohingegen die Integration von Vertretungen der Verwaltungsgerichte direkt in die Ankerzentren sehr auf Zustimmung stieße. Man müsse auch klären, wie man mit Kettenduldungen umgeht und gut integrierten Asylbewerbern eine konkrete Bleibeperspektive verschafft, so Stamp gegenüber der WELT weiter.
„Wir könnten denjenigen, die schon über Jahre hier leben und große Integrationsanstrengungen gezeigt haben, beispielsweise ein Aufenthaltsrecht auf Probe gewähren. Wenn sie nach zwei Jahren entsprechende Kriterien erfüllen, könnte das in einen dauerhaften Status münden, bis hin zur Möglichkeit einer Einbürgerung“, so Stamp zur WELT.
Niedersachsen fordert BUND auf, seine „Hausaufgaben“ zu machen
Niedersachsen sieht eher, dass der BUND endlich seine „Hausaufgaben“ machen müsse. So führt der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius die Rückübernahmeabkommen mit den Herkunftsländern, die Ermöglichung von Charterabschiebungen und die Anerkennung von Passersatzpapieren durch die Herkunftsländer auf – um all dies müsse sich der BUND kümmern, so Pistorius zur WELT.
Was hingegen die Länder eint, ist der Wunsch die Abschiebungsprobleme rasch lösen zu wollen. Wenn möglicherweise politische Interessen dem Wunsch der Bevölkerung vorstehen. „Uns interessiert, schnell Probleme zu lösen“. Denn nur so könne man Rechtspopulisten den Wind aus den Segeln nehmen, so Laschet zur WELT.
Betrachtet man allerdings die 81 Prozent, die bei einer Umfrage den Staat bei Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber für überfordert hielten, sollte man das Augenmerk eher darauf richten, als auf die Sorge um die politische Existenz.
Kauder erwartet Mithilfe durch die Länder
Im Koalitionsvertrag ist festgelegt, dass die Bearbeitungen von Asylverfahren „künftig in zentralen Aufnahme-, Entscheidungs- und Rückführungseinrichtungen, in denen BAMF, BA, Jugendämter, Justiz, Ausländerbehörden und andere Hand in Hand arbeiten, erfolgen. In den AnKER-Einrichtungen sollen Ankunft, Entscheidung, kommunale Verteilung bzw. Rückführung (AnKER) stattfinden.“
So ist es verständlich, dass Unionsfraktionschef Volker Kauder die Bundesländer auffordert, ihre Vorbehalte dagegen aufzugeben. „Fast alle Ministerpräsidenten unseres Landes haben an den Koalitionsverhandlungen teilgenommen und deswegen erwarte ich, dass sie auch mithelfen, dass wir diese Ankerzentren durchführen können“, sagte Kauder am Sonntag in Frankfurt am Main, berichtet „Spiegel online“.
(er)
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