Abhörskandal: Union stellt Scholz‘ Glaubwürdigkeit infrage
Im Abhörskandal der deutschen Luftwaffe richtet die Union den Fokus auf Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Zuvor hatte Russland ein mitgeschnittenes Gespräch hoher Offiziere veröffentlicht, in der sie Einsatzszenarien für den deutschen Marschflugkörper Taurus erörterten, falls dieser doch noch an die Ukraine geliefert werden würde.
Die Union liest dort heraus, dass bei einer Lieferung eine Beteiligung deutscher Soldaten technisch nicht zwingend erforderlich ist.
Was die Union kritisiert
„Die Berichte sind in doppelter Hinsicht befremdlich“, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt dem „Spiegel“, „zum einen, dass sicherheitsrelevante Gespräche offensichtlich von den Russen mitgehört werden, zum anderen, dass der Bundeskanzler seine Ablehnung von Taurus-Lieferungen möglicherweise mit einer Falschdarstellung begründet“.
Er verlangte: „Der Bundeskanzler muss sich dafür vor dem Bundestag erklären.“ Und drohte: „Bei dieser Sachlage kann ein Untersuchungsausschuss nicht ausgeschlossen werden.“
Ähnlich argumentierte der CDU-Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter im ZDF: Es „muss geklärt werden, warum der Bundeskanzler mit Falschbehauptungen in die Öffentlichkeit geht, wo er sagt, dass deutsche Bundeswehr-Beteiligung vor Ort nötig sei“.
Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen sieht das genauso. Im Berliner „Tagesspiegel“ konstatierte er einen schweren Schaden für Scholz persönlich: Es stelle sich die Frage, „warum der russische Geheimdienst und vielleicht sogar eine höhere Stelle durch die Veröffentlichung des Gesprächs den Bundeskanzler gerade jetzt so massiv beschädigt“.
Was geschehen ist
Vier Offiziere, darunter Luftwaffen-Chef Ingo Gerhartz, hatten in einer Telefonkonferenz zur Vorbereitung eines Gesprächs mit Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) Einsatzszenarien für den deutschen Marschflugkörper Taurus erörtert, falls dieser doch noch an die Ukraine geliefert werden sollte.
Ihr Gespräch war auf der russischen Plattform „Russia Today“ veröffentlicht worden. Darin hatten sie festgehalten, dass eine baldige Lieferung und ein schneller Einsatz nur mit Beteiligung deutscher Soldaten möglich wäre – und dass eine Taurus-Ausbildung ukrainischer Soldaten für einen Einsatz in alleiniger Regie möglich wäre, aber Monate dauern würde.
Was Scholz gesagt hat
Scholz hatte sein Nein zu einer Taurus-Lieferung damit begründet, dass Deutschland dann in den Krieg hineingezogen werden könnte.
„Wir dürfen an keiner Stelle und an keinem Ort mit den Zielen, die dieses System erreicht, verknüpft sein“, hatte er auf einer Veranstaltung der Deutschen Presse-Agentur Anfang letzter Woche gesagt. Bei einem Bürgergespräch in Dresden erklärte er später, die Waffe könne bei einem falschen Einsatz Moskau erreichen.
Andere hätten dann Sorge zu tragen, wo was genau lande. „In unserem Fall würde das bedeuten, dass wir uns beteiligen müssten, um das zu können. Das wiederum halte ich für ausgeschlossen.“
Wie der Abhörskandal passieren konnte
Wie Russland an den Mitschnitt gelangte, wird nun vom Militärischen Abschirmdienst (MAD) untersucht. Nach dpa-Informationen haben die Offiziere über die Kommunikationsanwendung Webex miteinander gesprochen.
Eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums sagte der „Bild am Sonntag“: „Es gibt Anhaltspunkte, dass mit Blick auf die offensichtlich besprochenen Inhalte ein nicht ausreichend sicheres Kommunikationsmittel verwendet wurde. Dies ist unter anderem Gegenstand der weiteren Untersuchungen.“
Der Zeitung schrieb unter Berufung auf Sicherheitskreise, dass keine geschützte Leitung genutzt worden sei. Die Webex-Sitzung sei über eine Büro-Festnetzleitung der Bundeswehr auf die Mobiltelefone der Soldaten abgesetzt worden, hieß es.
Geprüft werde, welcher Sicherheitsstufe die in der Besprechung genannten Details unterlegen hätten. Zu klären sei auch, ob die verwendete Webex-Variante zumindest für den Austausch von Informationen der niedrigsten Geheimhaltungsstufe „Verschlusssachen – nur für den Dienstgebrauch“ zugelassen sei.
Welche Konsequenzen nun diskutiert werden
Parteiübergreifend fordern Politiker nun bessere Sicherheitsvorkehrungen – nicht nur für die Bundeswehr.
Die auf Sicherheitsthemen spezialisierte Vizevorsitzende der grünen Bundestagsfraktion, Agnieszka Brugger, warnte vor weiteren russischen Sabotageaktionen in den kommenden Monaten.
Ihr Parteikollege Konstantin von Notz, der dem Parlamentsgremium zur Kontrolle der Geheimdienste vorsteht, hat darüber hinaus von der Regierung Aufklärung in den zuständigen Bundestagsgremien gefordert.
Eine Entlassung von Luftwaffen-Inspekteur Gerhartz hält der frühere Wehrbeauftragte des Bundestags, Hans-Peter Bartels, für ausgeschlossen. „Die Bundesregierung wird Putin nicht den Gefallen tun, jetzt einzelne Luftwaffen-Generale zu entlassen“, sagte er dem „Tagesspiegel“ (Sonntag). (dpa)
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