50 Euro im Monat: Gericht kippt pauschale Bargeldgrenze bei Bezahlkarten

Eine der ersten Entscheidungen zur Bezahlkarte für Asylsuchende hat in der Vorwoche das Sozialgericht Hamburg gefällt. Dieser zufolge ist das System der Bezahlkarten als solches zulässig, nicht aber eine pauschale Bargeldobergrenze von 50 Euro. Eine schwangere Migrantin hatte geklagt.
Optisch sehen die Karten aus wie jede andere Bezahlkarte - der Flüchtlingsstatus der Nutzer ist beim Bezahlen also nicht erkennbar. Eine Kooperation mit dem Kartenanbieter Visa soll eine hohe Akzeptanz der Karte gewährleisten.
Optisch sehen die Karten aus wie jede andere Bezahlkarte – der Flüchtlingsstatus der Nutzer ist beim Bezahlen also nicht erkennbar.Foto: Julian Stratenschulte/dpa
Von 25. Juli 2024

Die Freie und Hansestadt Hamburg hatte als erstes Bundesland im Februar mit der Ausgabe von Bezahlkarten an Asylsuchende begonnen. Die SocialCard ist für Schutzsuchende vorgesehen, solange diese in Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht sind. Die Karte berechtigt ihre Inhaber zur Abhebung von Bargeld in Höhe von 50 Euro im Monat. Bis zu 20 Mal dürfen die Berechtigten mit der Bezahlkarte in bestimmten Läden einkaufen.

Bezahlkarte mit Bargeldobergrenze soll Kapitalabfluss und Schlepperbezahlung verhindern

Im Herbst des Vorjahres hatten sich die Bundesländer und Bundeskanzler Olaf Scholz darauf geeinigt, im Bereich der Asylbewerberleistungen zu Bezahlkartensystemen überzugehen. Im Mai trat das Bundesgesetz in Kraft, das den Rahmen für dieses Vorgehen schaffen soll.

Da Konsens darüber bestand, dass Länder auch unabhängig von einem Bundesgesetz eine Bezahlkarte einführen könnten, ging Hamburg mit seinem System voran. Eine Bargeldobergrenze für Asylsuchende von 50 Euro im Monat hatten auch andere Länder wie Hessen als angemessen betrachtet. Die meisten Bundesländer haben sich bezüglich der technischen Umsetzung zu einem gemeinsamen Ausschreibungsverfahren zusammengeschlossen.

Die Bezahlkarte sollte verhindern, dass Bargeld von Asylsuchenden verwendet werde, um Schulden bei Schleppern – sollten diese auf Vorkasse verzichtet haben – zu bezahlen oder durch Überweisungen in Heimatländer Kapitalabfluss herbeizuführen. Bayern und Mecklenburg-Vorpommern planen eigene Systeme.

Was galt bisher?

In Gemeinschaftsunterkünften untergebrachte Asylsuchende hatten bereits zuvor primär Sachleistungen erhalten. An Bargeld gab es je nach Alter und Wohnsituation bis zu 182 Euro. Künftig sollten es nur noch 50 Euro sein – plus zehn Euro für minderjährige Kinder im Familienverband.

Das Sozialgericht in Hamburg sieht dies jedoch anders. In einem Beschluss vom Donnerstag der Vorwoche, 18. Juli, zu dem es erst jüngst eine Pressemitteilung gab, erklärte das Gericht eine pauschale Obergrenze für unzulässig. Geklagt hatte eine schwangere Asylsuchende aus einer Gemeinschaftsunterkunft in der Hansestadt.

Neben dem Regelbedarf seien auch die Mittel für Mehrbedarf aufgrund der Schwangerschaft und eine etwaige Erhöhung desselben für das erste Kind in bar auszubezahlen. Der Beschluss ist bisher nicht rechtskräftig, das Hamburger Amt für Migration kann vor dem Landessozialgericht noch Beschwerde einlegen.

Bezahlkarte nicht als solche unwürdig – pauschale Gestaltung jedoch nicht verfassungskonform

Das Sozialgericht hat dabei die Bezahlkarte als solche nicht beanstandet. Für diese gebe es eine gesetzliche Grundlage, und von einer Unwürdigkeit könne auch nicht a priori ausgegangen werden. Die Behörde habe auch einen Spielraum bezüglich der Leistungsgewährung für Asylsuchende.

Allerdings mache es eine starre Obergrenze, wie sie die pauschale 50-Euro-Regelung vorsehe, unmöglich, allen Einzelfällen gerecht zu werden. Es sei jedoch geboten, „örtliche Besonderheiten und unterschiedliche Lebenslagen der leistungsberechtigten Personen“ zu berücksichtigen.

Asyl- und Sozialverbände sowie Politiker von SPD, Grünen und der Linkspartei haben die Entscheidung des Sozialgerichts Hamburg begrüßt. Die Berliner SPD-Politikerin Cansel Kiziltepe spricht von einem „richtungsweisenden“ Beschluss und betont:

„Regelungen, die die Grundrechte von Betroffenen verletzten, nur um migrationspolitische Ziele zu steuern, sind nicht mit dem Grundgesetz vereinbar.“

Wird das Projekt wegen zu großer Bürokratie abgeblasen?

Aus Verbänden wie Pro Asyl heißt es, der „bürokratische Irrsinn“, der mit der Bezahlkarte verbunden sei, verfolge lediglich das Ziel, Asylsuchenden den Alltag zu erschweren. Nicht einmal günstige Onlineeinkäufe, Anmeldungen in Sportvereinen oder der Erwerb eines Bezahlkartenhandys seien so möglich, äußert die rechtspolitische Sprecherin von Pro Asyl, Wiebke Judith.

Auch in sozialen Medien fühlen sich Gegner der Bezahlkarte in ihren anfänglichen Bedenken bestätigt. Die Entscheidung sei angesichts bisheriger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Existenzminimum zu erwarten gewesen. Befürworter werfen den Richtern hingegen vor, deren Einrichtung so bürokratisch machen zu wollen, dass Länder und Kommunen davor zurückschrecken. Weitere Nutzer machen darauf aufmerksam, dass die Karte nicht als solche beanstandet wurde, sondern lediglich die Pauschale. Es liege nun an der Politik, sich an der Entscheidung auszurichten.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion