35 Jahre nach Mauerfall und Tian’anmen-Massaker: Das sagen Überlebende
Vor 35 Jahren, am 9. November 1989, fiel die Mauer. Mutige Menschen kämpften dafür teils jahrzehntelang. Mit Unterstützung durch den damaligen Sowjetführer Michail Gorbatschow vollzog sich so eine friedliche Revolution, die das Ende des SED-Regimes einläutete – eine Diktatur war überwunden.
Damit war ein geteiltes Volk wieder vereint und der Eiserne Vorhang, der mitten durch Deutschland lief, war gesprengt.
Im selben Jahr erhoben sich auch im kommunistischen China unter der Diktatur der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) Menschen für Freiheit und Veränderung. Was ursprünglich mit Studentenprotesten bereits im Jahr 1986 in Hefei und Shanghai begann und sich zu einer landesweiten Bürgerprotestbewegung ausweitete, führte schließlich zu einer friedlichen Besetzung des Tian’anmen-Platzes mitten im Machtzentrum des Regimes – in Peking.
Am 3. und 4. Juni 1989 schlug das chinesische Militär dort auf Befehl der Führung der KPCh gewaltsam den friedlichen Protest der Bevölkerung für demokratische Reformen und Grundfreiheiten nieder.
Vorbild war Solidarność-Bewegung in Polen
Ihr Vorbild war die Solidarność-Bewegung in Polen, erklärte einer der damaligen Anführer der protestierenden Studenten in Peking, Zhou Fengsuo.
Er ist einer der Podiumsgäste der von der Axel Springer Freedom Foundation und der Robert-Havemann-Gesellschaft organisierten Veranstaltung am 7. November nahe dem ehemaligen Grenzübergang Checkpoint Charlie im Zentrum Berlins.
Sie fand anlässlich der am selben Tag gestarteten Ausstellung „China ist nicht fern!“ vor dem Berliner Abgeordnetenhaus statt.
Die Ausstellung soll an den Aufstand in China und dessen gewaltsame Niederschlagung sowie an die Reaktionen in der DDR erinnern und gleichzeitig Einblick in die heutige Freiheitsbewegung in China geben.
Demzufolge war das Podium bei der öffentlichen Veranstaltung im asisi Panorama Berlin Checkpoint Charlie sowohl mit DDR-Bürgerrechtlern als auch chinesischen Demokratieaktivisten besetzt.
„Das System der KPCh, hat immer Angst“
Zhou berichtet dort davon, dass er damals als Physikstudent an einer der besten Universitäten Chinas wusste, dass das System der KPCh immer Angst habe. Seit seiner Kindheit hat er die durch das Regime geschaffene Spaltung der chinesischen Bevölkerung für ungerecht gehalten und dafür gekämpft, sie abzuschaffen.
Der friedliche Dialog in Polen zwischen den Arbeitern und der Kommunistischen Partei Polens war für sie als Studenten in China inspirierend. „Das wollten wir auch in China“, so Zhou.
„Während der Proteste waren wir voller Hoffnung auf einen friedlichen Wandel.“ Selbst innerhalb der KPCh habe es Hoffnung auf Veränderungen gegeben, berichtet er.
Millionen Menschen hätten sich schließlich den Protesten angeschlossen. Mit der gewaltsamen Niederschlagung der Demonstrationen habe die Partei den falschen Weg eingeschlagen, den sie bis heute weitergehe, so Zhou.
„Die Demokratie wurde von Panzern überrollt – wir waren sehr verärgert und voller Wut, dass diese Regierung überhaupt kein Interesse an Dialog hat und bereit ist, all ihre Macht gegen die Bevölkerung einzusetzen. Aber wir hatten auch Angst.“
Zhou glaubt an das Prinzip der Gewaltlosigkeit. „Wir können als Bewegung von damals stolz auf die damalige Friedfertigkeit von uns sein.“ Er sei sich sicher, dass Gewaltlosigkeit eines Tages, wie in der DDR, auch in China siegen werde.
Proteste in China hatten Einfluss auf DDR
Dass die Proteste für mehr Demokratie im Jahr 1989 in China auch Einfluss auf die Demokratie- und Freiheitsbewegung in der DDR hatten, berichten die mit an der Podiumsdiskussion teilnehmenden DDR-Bürgerrechtler Ulrike Poppe, Stefan Müller und Michael Heinisch.
„Die Proteste damals [in Peking] haben uns wahnsinnig viel Hoffnung gemacht“, so Müller. Es sei etwas in Bewegung gewesen und die Bürger dort konnten sich frei äußern.
Umso größer war dann die Enttäuschung für die DDR-Opposition nach dem Tian’anmen-Massaker, berichtet er weiter. Dies hätten sie über das Westfernsehen erfahren.
Zwei Tage danach, am 6. Juni, habe er mit anderen versucht, einen Protestbrief an die chinesische Botschaft in Ostberlin zu übergeben, berichtet der DDR-Bürgerrechtler. Denn dies waren Menschen, die sich „genau wie wir“ für ihr Land einsetzten.
Die Volkspolizei nahm sie daraufhin fest und sperrte sie über Nacht ein. Am nächsten Tag gingen sie zu einer Protestveranstaltung vor der Sophienkirche.
Dort kritisierte Müller mit Heinisch zusammen öffentlich erstmals mit einem politischen Transparent die „alten Bonzen“ der DDR. Denn diese hatten die blutige Niederschlagung von friedlich demonstrierenden Menschen in Peking durch die KPCh begrüßt.
Sie sahen in der positiven Bewertung des Massakers durch die DDR-Führung eine Drohung. Diese war eigens für das Aussprechen ihrer „Glückwünsche“ Ende Juni nach Peking gereist.
„Wenn ihr nicht die Fresse haltet, dann geht es euch wie den Studenten, wie den Konterrevolutionären auf dem Platz des Himmlischen Friedens“, so die Botschaft, die Müller sah.
„Mit dieser Angst haben wir gelebt und wir haben trotzdem nicht aufgehört“, erklärt er weiter.
Gesicht aufgerissen, Arm gebrochen
Bei einem dieser Proteste wurde Heinisch das Gesicht aufgerissen, als Polizeikräfte ihn über die Straße schleiften. Müller berichtete, dass ihm bei einer Versammlung Anfang September auf dem Alexanderplatz durch DDR-Sicherheitskräfte der Arm gebrochen wurde.
Heinisch ergänzte: „Das Entscheidende war, wir haben nicht zurückgehauen. Bei jeder Demonstration sind Hunderte Polizisten und Schlägertrupps über uns rübergegangen und haben uns verletzt und in Krankenhäuser gebracht. Aber wir haben nicht zurückgehauen. Das war richtig.“
Den letztendlichen Erfolg erklärt er sich so: „Wenn deutlich wird, Gewalt hat nicht die gewünschte Wirkung und löst keine Gegengewalt aus und schafft es nicht, dass der Protest aufhört, dann entwickelt Gewaltlosigkeit auch eine Kraft.“
Er habe die Hoffnung, dass das auch in China so passieren werde. „Diese Hoffnung gebe ich nicht auf“, erklärt Heinisch.
Ein chinesischer Demokratieaktivist sieht dies ebenfalls als Schlüssel und richtet einen Appell in Richtung der jetzigen Demokratiebewegung in und außerhalb Chinas: „Bleibt furchtlos, bleibt hoffnungsvoll.“ Furchtlosigkeit sei ansteckend, Hoffnung sei ansteckend. „Diktatorische Staaten haben Angst davor.“
Die Ausstellung „China ist nicht fern! 35 Jahre Mauerfall – 35 Jahre Tian’anmen“ ist noch bis zum 11. November vor dem Abgeordnetenhaus Berlin und vom 15. November bis 11. Dezember vor dem Axel-Springer-Haus zu besichtigen.
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