Bürger für Thüringen und WerteUnion schmieden überraschende Allianz

Als liberal-wertkonservative Kraft tritt die in der WerteUnion aufgelöste Partei Bürger für Thüringen beim Landtagswahlkampf in Thüringen an. Gemeinsames Ziel ist ein zweistelliges Ergebnis. Epoch Times sprach mit Clarsen Ratz, einem Kandidaten für die WerteUnion und bisherigem Generalsekretär der Bürger für Thüringen.
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Auf der „Zukunftskonferenz für Thüringen“ wurde am Samstag, 21. Oktober, in Erfurt offiziell das „Bündnis für Thüringen“ unter dem Motto „Brücken statt Brandmauern“ gegründet.Foto: Bürger für Thüringen / dieBasis
Von 5. April 2024

Ende März fusionierte die thüringische Partei Bürger für Thüringen überraschend mit der WerteUnion, um gemeinsam für die Landtagswahl in Thüringen am 1. September 2024 anzutreten. Wir sprachen mit dem bisherigen Generalsekretär von Bürger für Thüringen, Clarsen Ratz (55), was dahintersteckt, wie es mit dem Verein Bürger für Thüringen weitergeht und was auf kommunaler Ebene in der Zusammenarbeit unter anderem mit der Partei DieBasis geplant ist.

Was steckt hinter der Fusion von Bürger für Thüringen mit der WerteUnion?

Wir hatten bereits ein Bündnis mit Kleinstparteien als Bürger für Thüringen gegründet. Aber mit dem Erscheinen von Bündnis Sahra Wagenknecht auf der politischen Bühne und der Gründung der WerteUnion als Partei war eine neue Lagebeurteilung notwendig. Für uns als Bürger für Thüringen war klar, dass ein Antreten gegen die WerteUnion für uns als Partei aus dem bürgerlichen Bereich bei der Landtagswahl keinen Sinn ergibt, weil das die Wählerstimmen zu sehr zerstreuen würde.

Am Ende würden wir sonst möglicherweise mit nur drei Prozent und die WerteUnion mit vielleicht 4,9 Prozent dastehen. Wenn man die Stimmen jedoch zusammenfasst, könnte das Ergebnis fast zweistellig ausfallen. Diesem Weg wollten wir uns nicht verschließen. Dann haben wir Gespräche mit der WerteUnion geführt, was sinnvoll und möglich ist. Beim Nebeneinanderlegen beider Wahlprogramme sahen wir eine 80-prozentige Schnittmenge. Als kleinerer Partner, der wir in Thüringen sind, war klar, dass wir in die WerteUnion aufgehen und nicht umgekehrt. So blieb am Ende der jetzige Weg übrig, den wir gemeinsam gegangen sind.

Clarsen Ratz tritt auf der Liste der WerteUnion bei den Landtagswahlen 2024 in Thüringen an. Foto: Josua Schertler/Bürger für Thüringen

Wir wollen den Thüringer Wählern so ein gutes politisches Angebot aus der bürgerlichen Mitte heraus bieten. Denn die Situation in Thüringen ist sehr speziell. Viele Thüringer wollen nicht mehr CDU wählen, da die CDU in den vergangenen Jahren sehr viel mit der Linkspartei gemacht hat und auch einen linken Ministerpräsidenten tolerierte, obwohl sie das 2019 nicht hätte müssen. Dann gibt es auch viele, die mit der AfD fremdeln und sie nicht als Wahloption für sich sehen. Damit diese Menschen nicht im Nichtwählerspektrum landen, wollen wir ihnen mit uns und der WerteUnion einen starken bürgerlichen Partner für die Wahl in Thüringen bieten.

Auf den Wahlzetteln taucht dann also nur noch die WerteUnion auf, ohne die Bürger für Thüringen?

Ja, genau, die Partei Bürger für Thüringen verschmilzt mit der WerteUnion und löst sich somit auf. Wir müssen unseren Wählern das natürlich in einem gemeinsamen Wahlkampf klar aufzeigen, dass wir als Bürger für Thüringen jetzt dort antreten. Dann gibt es noch den Verein Bürger für Thüringen, über den wir uns auch ganz klar für die Programmatik der WerteUnion aussprechen und verdeutlichen, dass die WerteUnion unser Partner ist, den man wählen sollte und der auch für Thüringen ein gutes Angebot ist.

Das heißt, der Verein Bürger für Thüringen wird weiter existieren und wir werden ihn in Zukunft noch stärken. Die Erfahrung der letzten vier Jahre, in denen wir in Thüringen aktiv waren, war, dass wir sehr viele Menschen trafen, die nicht unbedingt in eine Partei eintreten, sondern lieber in einem Verein aktiv sein wollten, weil sie mit Parteien fremdeln.

Ziel ist es, die politische Landschaft zu verändern. Das kann man zunächst auch über ehrenamtliches Engagement aus einem Verein heraus. Später können Mitglieder, wenn sie denn wollen – wie unsere jetzigen Kandidaten für die Landtagswahl –, mit ihren Impulsen aus dem Verein in die WerteUnion als eine starke Partei hinübergehen. So können neue Impulse in die politische Realität hineingebracht werden. Das ist in meinen Augen ein neuer Ansatz in der Politik für Deutschland. Denn für viele Bürger, die aktuell ein Problem mit dem jetzigen Parteiensystem haben, ist ein Verein ein einfacher erster Ansatz, politisch aktiv zu sein.

Wen genau stellen die Bürger für Thüringen als Kandidaten im Namen der WerteUnion auf?

Wir haben mit der WerteUnion vereinbart, dass von uns drei Personen auf der Wahlliste der WerteUnion erscheinen. Der Listenparteitag und Gründungsparteitag der WerteUnion Thüringen wird Anfang April stattfinden. Zu den Namen: Der bisherige Parteivorsitzende der Steffen Teichmann, Heike Reyhl und ich, Clarsen Ratz, werden als ehemalige Bürger für Thüringen auf der Liste der WerteUnion antreten.

Die jetzige Landtagspolitikerin der Bürger für Thüringen, Frau Dr. Ute Bergner (66) hat für sich entschieden, sich aus der aktiven Politik ein Stück weit zurückzuziehen. Sie bleibt aber die Vereinsvorsitzende des Vereins Bürger für Thüringen und wird uns sehr stark in beratender Funktion unterstützen. Sie trägt nicht umsonst bei uns in Thüringen mittlerweile den Namen „Mutter Courage“. Und diese Funktion wird sie weiter ausüben.

Was sind die 20 Prozent, die die Bürger für Thüringen und die WerteUnion unterscheiden? Und was unterscheidet sie beide von der AfD?

Also zur AfD unterscheidet uns sehr viel. Es ist allein die Art und Weise, wie wir auftreten. Wir sind Fürsprecher für verschiedene Dinge und setzen uns für etwas ein. Die AfD spricht immer davon, dass sie gegen etwas ist. Das ist ein großer Unterschied.

Also das kann man allein schon einmal im Wirtschaftsbereich festmachen. Wenn Sie sich die Programmatik zur Wirtschaftspolitik der AfD anschauen, dann werden Sie feststellen, dass es dort, wenn Sie tiefer hineinblicken, nahezu planwirtschaftliche sozialistische Gedankenmodelle sind, die die AfD als Wirtschaft ansieht. WerteUnion und Bürger für Thüringen hingegen sind klar liberal-wertkonservativ orientiert: Im wirtschaftlichen Bereich sind wir auf den Mittelstand konzentriert – also eine starke Wirtschaft und ein schlanker Staat, der sich weitestgehend aus der Verantwortung zieht und die Menschen und Unternehmer selbstbestimmt handeln lässt. Während die anderen auf mehr Staat setzen, setzen wir auf weniger Staat.

Was die Unterschiede zwischen der WerteUnion und uns angeht, so ist ein Unterschied, dass wir uns immer sehr stark für wechselnde Mehrheiten ausgesprochen haben. Die WerteUnion kann das als grundsätzliches Modell für sich nicht sehen. Sie sieht wechselnde Mehrheiten durchaus als eine politische Möglichkeit, wenn die Ergebnisse nach einer Wahl es nicht anders zulassen. Aber sie sieht es nicht als ein generelles politisches Modell, so wie das bei uns in Thüringen war.

Wechselnde Mehrheit beschreibt ein Parlament mit unabhängigen Abgeordneten, die keinem Fraktionszwang ausgesetzt sind, oder eine Regierung, die mit wechselnden Mehrheiten regiert.

Wo sehen Sie den größten Veränderungsbedarf in der Gesellschaft und in der politischen Landschaft?

Ich sehe ein zunehmendes gesellschaftliches Auseinanderdriften, eine Zersplitterung und Spaltung der Gesellschaft. Sie muss unbedingt wieder zusammengeführt werden. Gleichzeitig muss die Politik von ideologischen Ansätzen befreit werden. Es ist für die Menschen einfach nicht mehr verständlich, dass wenn die Opposition einen Antrag in den Thüringer Landtag einbringt, egal ob es früher die Linkspartei war oder jetzt die AfD, dass der Antrag nur, weil er von der „falschen“ Partei kommt, abgelehnt wird.

Für uns ist eine Politik in der Sache die aussichtsreichste Politik. So wollen wir zukünftig Politik auch ausüben. Wenn die Anträge der Parteien in der Sache und in der Begründung so sind, dass sie dem Land und den Menschen in Thüringen dienen und frei von jeglichen ideologischen Grundsätzen sind, dann werden wir sie unterstützen.

Wir müssen uns wieder einander zuhören und über dieses Zuhören gemeinsam in den Dialog kommen und das Fremdeln mit der Demokratie aufgeben. Die Menschen sollen wieder durch eine aktive Bürgerdemokratie nach Schweizer Vorbild das Gefühl entwickeln, dass sie in einer Demokratie nicht alle vier Jahre nur zum Wahlgang zur Wahlurne aufgerufen sind, sondern dass sie aktiv mitbestimmen können.

Was für eine Stimmung nehmen Sie in der Gesellschaft wahr?

Die Menschen spüren, dass wir vor großen gesellschaftlichen Veränderungen stehen und das bereitet vielen Sorgen. Ich vergleiche das immer mit 1989. Auch damals wussten wir, dass sich unsere Gesellschaft in vielen Punkten verändern muss und sich verändern wird. 1989 sahen die Menschen in der Wiedervereinigung Deutschlands eine hoffnungsvolle Möglichkeit, zu mehr Freiheit zu gelangen. Jetzt fehlt uns ein hoffnungsvolles gesellschaftliches Modell.

Für uns ist ganz klar, dass die Reise nur in einer Demokratie weitergehen kann. Sie muss sich aber nach über 70 Jahren zeitgemäßer machen. Wir müssen das Gute, was unsere Demokratie gestärkt hat, bewahren. Und wir müssen schauen, wo Reformen notwendig sind. Das heißt eben mehr Bürgerbeteiligung, eine aktive Bürgerdemokratie und eine Versachlichung der ganzen Politik. Die Politiker haben sich eine eigene Sprache angewöhnt, die die Menschen nicht mehr verstehen. Wir müssen wieder sprechen, wie die Menschen da draußen auch auf der Straße sprechen, damit Politik auch wieder verstanden wird.

Welche Funktion hat der Verein Bürger für Thüringen zukünftig?

Er wird wieder ein starker, gemeinnütziger Verein werden, der sich im politischen Spektrum bewegt. In Kooperationen mit der Partei DieBasis werden wir in verschiedenen Städten – beispielsweise in Jena – mit einer gemeinsamen Liste zur Kommunalwahl in Thüringen antreten. Denn Vereine dürfen in Thüringen an Kommunalwahlen teilnehmen, an Landtagswahlen nicht. Dann werden wir uns über den Verein weiter für eine Verfassungsänderung einsetzen. Dafür hatten wir einen Volksentscheid auf den Weg gebracht und werden dies zu gegebener Zeit wiederholen.

Der Verein soll auch dazu dienen, mehr Nähe zu den Bürgern herzustellen. Die letzten Debatten, die ich im Landtag erlebte, waren so weltfremd für mich, teilweise so weit weg von den Menschen gewandt, dass ich mich gefragt habe, ob die Parlamentarier des Thüringer Landtags die Sorgen der Menschen im Land eigentlich noch wahrnehmen. Zudem setzen wir uns für eine wirkliche, echte, saubere und gute Pressefreiheit ein, weil wir die unmittelbar für wichtig halten für unsere Gesellschaft. Medien sollen frei und nicht staatlich gelenkt agieren können.

Clarsen Ratz war bisher Generalsekretär der Partei Bürger für Thüringen. Der gleichnamige Verein wurde im März 2020 gegründet. Dies geschah auch als Reaktion auf die Vorgänge um die Wahl des Thüringer FDP-Chefs Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten, als Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte, die Wahl rückgängig zu machen. Die Gründungsmitglieder des Vereins sahen darin die Demokratie und die freie Meinungsäußerung in Thüringen gefährdet. Das Ziel des Vereins ist es, den demokratischen Willensbildungsprozess in Thüringen „in neue Bahnen“ zu lenken. Die Partei Bürger für Thüringen entstand Ende 2020.



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