200 Juristen fordern in offenem Brief AfD-Verbot
Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) hat am 9. Januar – also weniger als sieben Wochen vor der Bundestagswahl 2025 – einen offenen Brief veröffentlicht, der die Einleitung der Prüfung zur Verfassungswidrigkeit der AfD beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) fordert. RAV bezeichnet sich selbst als „politische Anwaltsorganisation“ und Teil der Bürgerrechtsbewegung.
Das Schreiben mit dem Titel „Ein Verbotsverfahren gegen die AfD hat Aussicht auf Erfolg“ richtet sich an die Abgeordneten des Bundestages und die Mitglieder der Bundesregierung. Es wird namentlich von 200 Juristen unterstützt.
Nur Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung können laut Paragraf 43 Absatz 1 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes einen Antrag an das Karlsruher Gericht zur Prüfung der Verfassungswidrigkeit der AfD nach Artikel 21 des Grundgesetzes stellen.
In dem offenen Brief der Juristen wird die AfD als eine „verfassungsfeindliche Partei“ bezeichnet, die sich seit ihrer Gründung zunehmend radikalisiert habe und „inzwischen eine schwerwiegende Bedrohung für den Bestand der freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ darstelle.
Verfasser beziehen sich auf 72-seitiges Gutachten
Begründet wird dies mit Aussagen von AfD-Parteivertretern, die „klar erkennbar von einer rassistischen, muslimfeindlichen, antisemitischen, antiziganistischen und LGBTQI*-feindlichen Haltung“ zeugen würden und mit der Menschenwürde unvereinbar seien.
Diese Aussagen würden ein „ethnisch-kulturelles Volksverständnis“ offenbaren, „das der elementaren Rechtsgleichheit zuwiderläuft“ und damit „eine verfassungsfeindliche Haltung klar erkennen“ lassen, heißt es in dem Schreiben.
Und weiter: Diese Haltung sei eingebettet in ein politisches Konzept, das strategisch darauf ausgerichtet sei, das bestehende demokratische System mit einem „menschenwürdewidrigen und undemokratischen System“ zu ersetzen.
Dabei beziehen sich die Verfasser auf ein 72-seitiges Gutachten des Deutschen Instituts für Menschenrechte (DIMR) vom Juni 2023.
Dieses Gutachten habe gezeigt, dass die Voraussetzungen für ein Parteiverbot gegen die AfD vorliegen würden, heißt es in dem offenen Brief.
AfD kritisiert „Ideologie des Multikulturalismus“
Das DIMR-Gutachten, das vom Juristen Hendrik Cremer verfasst wurde, zitiert das AfD-Grundsatzprogramm von 2016. Darin stellte die Partei das Ideal einer kulturell homogenen Bevölkerung dar, die es zu verteidigen gelte.
Die AfD kritisiert dort die „Ideologie des Multikulturalismus, die importierte kulturelle Strömungen auf geschichtsblinde Weise der einheimischen Kultur gleichstellt und deren Werte damit zutiefst relativiert“. Das sei eine ernste Bedrohung für den sozialen Frieden und für den „Fortbestand der Nation als kulturelle Einheit“. Staat und die Zivilgesellschaft müssten die deutsche Leitkultur selbstbewusst verteidigen.
In der Hervorhebung einer „deutschen kulturellen Identität“ als Leitkultur durch die AfD sieht der Verfasser des Gutachtens eine Hierarchisierung und Abwertung von Menschen, die nach Vorstellungen der AfD nicht Teil der deutschen „einheimischen Kultur“ seien. Dies sei mit den Garantien aus Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar und bringe ein rassistisches nationalvölkisches Konzept der AfD zum Ausdruck, heißt es im Gutachten.
Auch die Aussage aus dem AfD-Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2017, „der Islam gehört nicht zu Deutschland“, sieht Cremer kritisch. Und: In seiner Ausbreitung und der wachsenden Zahl von Muslimen sehe die AfD eine „große Gefahr für unseren Staat, unsere Gesellschaft und unsere Werteordnung“.
Die AfD habe mit diesen Aussagen ihre rassistische, nationalvölkische Ausrichtung untermauert, heißt es im Gutachten.
Bedrohungsszenarien allein mit der Anwesenheit von Menschen zu begründen, die eine bestimmte Religionszugehörigkeit aufwiesen, stelle den Grundsatz der gleichen Menschenwürde eines jeden Individuums des Grundgesetzes „fundamental infrage“.
AfD hält Parteiverbotsverfahren für chancenlos
Die AfD erwiderte damals auf die Veröffentlichung des Gutachtens und die Behauptung des DIMR, es gebe Argumente für ein Verbot der AfD, jeder Grundlage entbehre. Die Aussagen seien „eindeutig parteipolitisch motiviert“.
Bei dem „sogenannten Institut“ handele es sich um keine unabhängige Institution, sondern um eine Organisation, die aus dem Bundeshaushalt finanziert werde und somit vom Wohlwollen der Regierungsmehrheit im Parlament abhängig sei.
Das DIMR bezeichnet sich selbst als die „unabhängige Nationale Menschenrechtsinstitution Deutschlands“. Es sei „nur den Menschenrechten verpflichtet“ und werde hauptsächlich als gemeinnütziger Verein vom Deutschen Bundestag sowie – für einzelne Projekte – aus Drittmitteln finanziert, heißt es in der Selbstdarstellung.
Gruppe von Verfassungsrechtlern sieht Voraussetzung für Verbot erfüllt
Die Verfasser des offenen Briefes beziehen sich auch auf eine Stellungnahme von Verfassungsrechtlern vom November 2024.
An die Bundestagsabgeordneten gerichtet erklären diese darin, dass die Voraussetzungen für ein Parteiverbot gegen die AfD vorliegen würden und eine weitere Verschleppung der Antragstellung unverantwortlich sei.
In einem „Kurzgutachten“ zur Stellungnahme dieser Verfassungsrechtler bezeichnete der von der AfD beauftragte Rechtsanwalt Christian Conrad die Stellungnahme als „ergebnisorientiertes Schreiben“, das die maßgebliche Rechtsprechung ausblende, berichtet LTO. Er sah darin eine „bewusste Desinformation“ und ein „Instrument politischer Aktivisten“, welches die Bundestagsabgeordneten in eine bestimmte Richtung beeinflussen solle.
Es basiere nur auf den öffentlich verfügbaren Informationen, so der Rechtsanwalt, ohne dass die darin zitierten Personen die Möglichkeit bekommen, ihre Aussagen näher zu erläutern. Auch spielt Conrad möglicherweise darauf an, dass Informationen der Geheimdienste unberücksichtigt blieben.
Denn im Kern bezieht sich die Stellungnahme der Verfassungsrechtler ausschließlich auf eine Auswahl an Zitaten von AfD-Bundes- und Landespolitikern, auf die die Rechtsgelehrten mit juristischen und rechtspolitischen Ausführungen in einem 19-seitigen Anhang eingehen.
Verfassungsrechtler hat Bedenken gegenüber Verbotsverfahren
Auch der Berliner Verfassungsrechtler Christoph Möllers äußerte gegenüber LTO seine Bedenken zu dem Schreiben seiner Kollegen: „Ich denke nicht, dass man die Chancen mit dem augenblicklichen Wissensstand ernsthaft abschätzen kann.“ Möllers hat den Bundesrat beim erfolglosen zweiten NPD-Parteiverbotsverfahren vor dem BVerfG vertreten. Allein verfassungsfeindliche Inhalte zu verbreiten, reiche nicht für ein Parteiverbot aus, erklärte er dem Medium weiter. Es müsse eine Handlungsdimension hinzukommen und der Partei müssten Aussagen zurechenbar sein, die auf Aktivitäten zur Beseitigung wesentlicher Verfassungsgrundsätze gerichtet seien, so der Verfassungsrechtler.
LTO weist darauf hin, dass falls der Verbotsantrag nicht hinreichend begründet ist, er bereits vom BVerfG abgelehnt wird, was wie ein Freispruch für die AfD gewertet werden könne. Und: Sobald der Bundestag beschließt, einen AfD-Verbotsantrag ans BVerfG zu stellen, müssten etwaige V-Leute aus den Führungsebenen der Partei abgezogen werden. Vielleicht erklärt dies, warum selbst Kritiker der AfD aus den anderen Parteien sich von einem AfD-Verbotsverfahren distanziert haben.
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