200.000 Unterschriften: Petition holt Homöopathie vom Abstellgleis der Gesundheitspolitik

Im Bundestag wurde über den Einsatz von Homöopathie debattiert. Kinderarzt Stefan Schmidt-Troschke schob die Diskussion durch eine Petition an. Politiker verschiedener Parteien setzten sich mit Dr. Schmidt-Troschke und seinem Anliegen auseinander.
Titelbild
Klassische Globuli der Homöopathie.Foto: iStock
Von 4. Juni 2024

Seit Jahren gibt es Diskussionen rund um das Thema Homöopathie. Es wird unter anderem darüber diskutiert, ob die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) die homöopathischen Leistungen sowie jene homöopathischer und anthroposophischer Arzneimittel weiterhin übernehmen soll.

Für die Beibehaltung des Status quo, setzt sich Dr. Stefan Schmidt-Troschke, Kinderarzt und Geschäftsführer des Vereins Gesundheit aktiv und Begründer des Patientenbündnisses „weil’s hilft!“, mittels Petition ein.

Sein Gesuch, das rund 200.000 Unterstützer fand, wurde am 3. Juni im Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages debattiert. Der Petent erschien gemeinsam mit seiner Begleitung, Onkologin Prof. Diana Steinmann, vor dem Ausschuss.

Dr. Schmidt-Troschke verwies dabei auf einen Referentenentwurf des Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes (GVSG), in dem die Abschaffung der Homöopathie als Satzungsleistung enthalten gewesen war. Im aktuellen Kabinettsentwurf des GVSG ist die Streichung nicht mehr enthalten. Dennoch deutete Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) immer wieder an, dass diese Regelung im parlamentarischen Verfahren wieder aufgenommen werden könnte.

In Bezug auf die Anwendung von Homöopathie bei Patienten kritisierte der Arzt vor dem Ausschuss unter anderem die fehlende Kommunikation: „Interessant an der ganzen Diskussion ist immer, dass im Wesentlichen über diese Menschen gesprochen wird, über die Ärztinnen und Ärzte, aber in der Regel nicht mit ihnen“. Das sei ein „ganz großes Manko“ in der öffentlichen Diskussion über dieses Thema.

Arzt gegen Kosteneinsparungen in der Homöopathie

Warum ausgerechnet im Bereich Homöopathie und anthroposophischer Medizin, die von allen mit am besten evaluiert seien, Kosten eingespart werden sollen, ist für den Petenten unverständlich. Denn die anfallenden Kosten machen lediglich 0,03 Prozent der Gesamtkosten aus. Außerdem könne man davon ausgehen, dass Patienten bei Wegfall dieser Leistungen auf kostenintensivere Ansätze oder Therapien auswichen, die sodann die Kosten nach oben treiben.

„Für uns scheint dieses Vorgehen auf einer Art von Willkür zu beruhen“, so Dr. Schmidt-Troschke. Denn neben den beiden vorgenannten Methoden gebe es noch viele hundert weitere, wie Aroma- und Eigenurintherapie sowie Fußreflexzonenmassage, die ebenfalls zu den Satzungsleistungen gehören. Die Evidenz eines Heilungseffekts bei diesen diskutierten Ansätzen gehe auch über den Placeboeffekt hinaus.

Der Kinder- und Jugendarzt appellierte an die Politiker, dass die Patienten gute Erfahrungen mit Homöopathie und anthroposophischer Medizin gemacht haben und sie auch anwenden wollen. Dies seien die „Bürger, für die sie Politik machen“, sagte der Mediziner vor dem Ausschuss.

Würden diese Verfahren aus den Leistungen herausgenommen, so nehme man Patienten die Wahlfreiheit „aus einer vormundschaftlichen Haltung heraus, die Sie im Grunde auch noch nicht mal sachlich gut begründen können“, kritisierte Dr. Schmidt-Troschke. Statt ideologisch sollte Gesundheitspolitik wissenschaftlich informiert, demokratisch und patientenorientiert gestaltet werden, fuhr er fort.

„Verbieten Sie nicht aus dem hohlen Bauch heraus bewährte Methoden, ohne sich der eigentlichen Lage von Bedürfnissen der Menschen, der Kosten und des Nutzens dieser Methoden wirklich bewusst zu sein. Herr Lauterbach ließ verlauten, dass Homöopathie als Kassenleistung keinen Sinn macht. Ich frage Sie: Was könnte mehr Sinn machen, als sie zu erhalten?“, so der Arzt.

Aktuell keine Streichung geplant

Mehrfach führte der Parlamentarische Staatssekretär Prof. Edgar Franke (SPD) während der Sitzung aus, dass das aktuelle Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz keine Streichung der angesprochenen Leistungen beinhalte. Gesundheitsminister Lauterbach betrachte die Erstattungsfähigkeit mit Blick auf die Evidenzlage hinsichtlich der Wirksamkeit kritisch, so Prof. Franke. Patienten würde suggeriert, dass es sich um eine wirksame Behandlungsmethode handele und Erkrankungen ungenügend schulmedizinisch behandelt werden könnten.

Er machte gleichzeitig mehrfach deutlich, dass die Abgeordneten entscheiden müssten, wie verfahren werden soll. Schließlich hätte das Bundesgesundheitsministerium keine direkte Einflussnahme in das Gesetzgebungsverfahren.

Während der Diskussion gab der Parlamentarische Staatssekretär auch einen Einblick in die familiären Erfahrungen mit Homöopathie, die bei seinen beiden Töchtern zur Anwendung gekommen sei. Dass homöopathische Behandlungen Erfolg hätten, stellte er nicht in Zweifel. Die Frage nach ihrer Erstattungsfähigkeit sei eine politische. Aktuell sieht der Gesetzentwurf weiterhin eine Erstattung vor.

Das Rätsel der Homöopathie

Annika Klose (SPD) befragte den Petenten hinsichtlich der Wirkungsweise und des „naturwissenschaftlich fragwürdigen“ Herstellungsverfahrens, da es sich bei Homöopathie um in hohem Maß verdünnte Mittel handele. „Sind sich alle Patienten bewusst über die Herstellung? Sollte es eine Vorgabe geben, um die Patienten über diese Herstellungsmethode aufzuklären, bevor sie auf dessen Wirksamkeit vertrauen?“, wollte sie wissen.

Prof. Steinmann antwortete mit einem Beispiel. Als junge Mutter war sie auf der Suche nach einem Mittel ohne Nebenwirkungen für ihren Sohn. Durch Zufall stieß sie bei ihren Recherchen auf die Homöopathie. Nach umfangreicher Anamnese und Gabe verschiedener Mittel konnte ihr Sohn innerhalb von einigen Monaten von dem „sehr belastenden Problem“ geheilt werden. Diese Erfahrung habe sich später wiederholt.

Gleichzeitig räumte die Strahlenforscherin ein, dass die Frage berechtigt sei, wie die Homöopathie tatsächlich funktioniert. Mit Hochdruck werde daran gearbeitet, die Wirkungsweise aufzuzeigen. „Das wird eine der spannendsten Fragestellungen in den nächsten 50 Jahren sein, dass wir das Thema knacken dürfen“, so Steinmann. Über 100 kontrollierte randomisierte Studien zeigten bereits jetzt positive Ergebnisse bei der Homöopathie.

CDU wirft Ministerium „Nebelkerzen“ vor

Simone Borchardt (CDU) warf dem Ministerium im Hinblick auf die homöopathischen Kosten, die eingespart werden könnten, vor, „Nebelkerzen“ zu werfen. Sie fragte nach der wissenschaftlichen Grundlage, auf deren Basis die Streichung vorgenommen werden sollte. Gleichzeitig stellte sie in den Raum, dass „wenn wir Homöopathie richtig einsetzen, die Ersparnisse weitaus größer sein können, weil wir nämlich Krankengeld, stationäre Behandlung, ambulante Behandlung und Ähnliches bezahlen“.

„Die Lehre über homöopathische Arzneimittel entspricht nicht dem heutigen Stand der naturwissenschaftlichen und medizinischen Erkenntnisse, sondern verwendet eher spirituelle beziehungsweise historische Begrifflichkeiten und Argumente, was sich auch im Arzneimittelgesetz (AMG) widerspiegelt“, hieß es zur Antwort aus dem Ministerium. Bislang sei kein homöopathisches Arzneimittel durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zugelassen, bei dem der Antragsteller mittels einer nach dem anerkannten Stand von Wissenschaft und Technik angelegten Studie die Wirksamkeit nachgewiesen habe.

Gereon Bollmann (AfD) warf ein, dass die Homöopathie schon gut 200 Jahre alt sei und auch heute noch Anwendung finde. Im juristischen Bereich könne man durchaus von Gewohnheitsrecht sprechen. „Sie sagen jetzt immer: Also, die Homöopathie ist den Wirksamkeitsbeweis schuldig geblieben und daher kann man auf sie verzichten. Müsste es nicht eher umgekehrt sein?“ Seit 200 Jahren habe die Homöopathie Gutes für die Menschheit getan. „Muss man nicht im Gegenteil beweisen, dass sie unwirksam ist, wenn man sie abschaffen will?“, so Bollmann.

Kombinierter Ansatz statt Entweder-oder

Dr. Schmidt-Troschke verwies auf seine jahrelangen Erfahrungen am Uni-Klinikum in Witten Herdecke, wo auch krebskranke Kinder behandelt wurden, deren Eltern keine „harte Therapie“ befürworteten.

„Es macht hochgradig Sinn, diese moderne naturwissenschaftliche Medizin, […] mit gerne gut evaluierten und auch beforschten Verfahren zu ergänzen im Rahmen einer integrativen Medizin“, schilderte er. Wenn man beide Ansätze kombiniere, anstatt gegeneinanderzustellen, könne man viel erreichen.

Auch im Sinne der älteren chronischen Patienten wäre es sinnvoll, neue Wege zu gehen. Wenn über 70-Jährige mehr als drei Medikamente einnähmen, könne man deren Effekte nicht mehr messen. Studien seien in der Regel als Einzelmedikamente an 50- bis 60-Jährigen gemacht worden. „Das gilt als naturwissenschaftliche Medizin“, so Dr. Schmidt-Troschke.

Er regte an, die zur Verfügung stehenden Versorgungsdaten in einer auf der Bevölkerungsbasis angelegten Studie auszuwerten und zu ermitteln, in welchem Kontext Medizin erfolgreicher oder weniger erfolgreich ist.

Man müsse sich fragen: „Wie geht es den Leuten eigentlich? Fühlen sie sich insgesamt gesünder?“ Man müsse auch an die alten Leute denken, die sich nicht mehr vor die Tür trauen, so der Arzt. Weiter sagte er: Auf der Basis solcher Daten hätte man am Ende eine Urteilsgrundlage, um zu entscheiden, was von den Kassen erstattet werden soll und was nicht.



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