18 Millionen Hartz-IV-Bezieher binnen zehn Jahren

Hat sich Deutschland an Hartz IV gewöhnt? Zumindest haben weite Teile der Bevölkerung schon einmal Erfahrung damit gemacht.
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Eine Mitarbeiter bearbeitet am 5. Juli 2010 Dokumente des Sozialgerichts der Stadt Berlin, die die laufenden Rechtsstreitigkeiten um das Arbeitslosengeld Hartz IV belegen. Foto von Sean Gallup/Getty Images
Epoch Times25. März 2018

In den vergangenen zehn Jahren haben insgesamt 18,2 Millionen Menschen Hartz-IV-Leistungen bezogen.

Es waren 9,33 Millionen Männer und 8,97 Millionen Frauen, wie aus einer der dpa vorliegenden Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken im Bundestag hervorgeht. Unter 15 Jahre alt waren 5,47 Millionen.

Gezählt sind dabei die Menschen, die zwischen Januar 2007 und November 2017 mindestens kurzfristig einmal Hartz IV bekommen haben. Dabei haben auch viele in einer persönlichen Übergangszeit vorübergehend Grundsicherung bezogen, etwa weil sie keine Ansprüche aus der Arbeitslosenversicherung hatten.

Im Februar bekamen laut Bundesagentur für Arbeit 5,95 Millionen Menschen Hartz IV. Davon waren 4,26 Millionen erwerbsfähig. Rund zwei Drittel hiervon bekamen Hartz IV, ohne arbeitslos zu sein, etwa weil sie einem Minijob oder einer Maßnahme zur Rückkehr auf den Arbeitsmarkt nachgingen, Schule oder Hochschule besuchten oder weil sie wegen Krankheit arbeitsunfähig waren. Unterm Strich bekommt demnach fast jeder zehnte Haushalt in Deutschland Hartz IV.

416 Euro pro Monat

Im Schnitt machen die Leistungen der Grundsicherung dabei 954 Euro für eine sogenannte Bedarfsgemeinschaft aus. Für Alleinstehende Hartz-IV-Bezieher gilt der Regelsatz von 416 Euro pro Monat.

Eine hitzige Debatte über Hartz IV in Deutschland hatte kurz vor seiner Ernennung zum Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) losgetreten mit seiner Aussage, damit habe jeder, „was er zum Leben braucht“.

Selbst Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte reagiert mit der Mahnung, die Zahl der Hartz-IV-Empfänger müsse reduziert werden.

Zuletzt wertete der frühere Arbeitsminister Norbert Blüm Spahns Aussagen als „herzlos“. Die Debatte über Hartz und Arbeitslosigkeit wird nach Einschätzung von Beobachtern nicht schnell wieder enden.

Ein Mitarbeiter steht auf Wunsch des Fotografen im Archiv des Sozialgerichts Berlin am 5. Juli 2010 bei den Akten, die abgeschlossene Rechtsstreitigkeiten über Hartz-IV in Deutschland dokumentieren. Das Berliner Sozialgericht gab 2010 bekannt, dass es die 100.000ste Klage im Zusammenhang mit Hartz IV seit 2005 erhalten hat. Die häufigsten Streitpunkte sind die Verweigerung von Mietzahlungen oder Heizkosten, die Forderung der Behörden nach Rückzahlung der gezahlten Leistungen oder die Verweigerung von Leistungen bei Aufnahme einer Teilzeitbeschäftigung. Die Zahl der Streitfälle steigt von Jahr zu Jahr. Foto: Sean Gallup/Getty Images

Marco Peck, Mitarbeiter in der Poststelle des Sozialgerichts Berlin, über Belegen für Rechtsstreitigkeiten, die sich überwiegend auf Hartz IV beziehen (2010). Foto: Sean Gallup/Getty Images

Linken-Sprechering Sabine Zimmermann: „Verarmung breiter Bevölkerungsteile“

Der Grund ist, dass die große Koalition möglichst viele Hartz-IV-Bezieher zurück auf den regulären Arbeitsmarkt führen will. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte in seiner Antrittsrede am Donnerstag im Bundestag gesagt, dies sei „Voraussetzung für ein freies und selbstbestimmtes Leben“. Im Fokus sind dabei die 857 000 Langzeitarbeitslosen, die länger als zwölf Monate ohne Job sind.

Die hohe Zahl an Hartz-IV-Beziehern über die Jahre hinweg zeigt nach Ansicht der Linken-Politikerin Sabine Zimmermann die „Verarmung breiter Bevölkerungsteile“. Verschiedene Bundesregierungen hätten im Kampf dagegen versagt, sagte die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linken-Bundestagsfraktion.

„Besonders bitter ist, dass auch so viele Kinder die Erfahrung des entwürdigenden Bezugs von Hartz-IV-Leistungen machen“, meinte Zimmermann, die die Anfrage gestellt hatte. Seit den Hartz-Reformen werde die soziale Sicherung für Erwerbslose überwiegend Hartz IV überlassen. Eingeführt worden war Hartz IV mit der im Herbst 2003 auf den Weg gebrachten Agenda 2010 des damaligen SPD-Kanzlers Gerhard Schröder – in diesem Herbst wird die Agenda 15 Jahre alt.

„Die Leistungen schützen nicht vor Armut und gewährleisten keine angemessene Teilhabe an der Gesellschaft“, sagte Zimmermann.

Für die Beschäftigten, die aufstocken müssen, ist es entwürdigend, dass sie trotz Arbeit zum Sozialfall werden und sich dem Repressionssystem Hartz IV unterwerfen müssen, um zu überleben.“

Warten im Jobcenter. Foto: Sean Gallup/Getty Images

 

(dpa)

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