„160 Jahre Kampferfahrung“: Scholz und SPD glauben an Aufholjagd vor Wahl
Fast einmütig hat der SPD-Parteitag Amtsinhaber Olaf Scholz am 11. Januar wieder zum Kanzlerkandidaten gemacht. Scholz und die SPD wollen gegen die schwachen Umfragewerte ankämpfen. Wahlforscher sind äußerst skeptisch, dass Scholz eine ähnliche Aufholjagd wie 2021 noch gelingen kann.
Aus seiner Zeit als Hamburger Regierungschef wisse er, dass Wahlkämpfe auch im Winter ein gutes Ende finden könnten. „In Hamburg habe ich mich zweimal im Februar zur Wahl gestellt und zweimal gewonnen“, sagte Scholz.
Später sagte er im Sender „Phoenix“, die SPD starte bei der Bundestagswahl zwar „nicht aus der Pole Position“. Er wolle aber dafür sorgen, dass die Partei „wie beim letzten Mal (…) am Ende doch das Rennen macht“.
Klare Unterschiede zur Wahl 2021
Die SPD sei in den Umfragen „noch nicht da wo wir hinwollen“, räumte Ko-Parteichefin Saskia Esken vor den Parteitagsdelegierten ein. „Manch einer hat uns schon abgeschrieben.“ Die SPD lasse sich davon
mit über 160 Jahren Kampferfahrung aber überhaupt nicht beeindrucken“.
2021 fand die Aufholjagd der SPD erst kurz vor der Wahl statt. Sechs Wochen vor dem Urnengang sprangen die SPD-Werte plötzlich über 20 Prozent. Drei Wochen vor der Wahl lagen die Sozialdemokraten dann an der Spitze.
Meinungsforscher verweisen auf wesentliche Unterschiede zur letzten Bundestagswahl.
„2021 profitierte Scholz ganz klar von den Fehlern der anderen“, sagt Peter Matuschek vom Meinungsforschungsinstitut Forsa.
Die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock sei damals wegen einer Plagiatsaffäre „entzaubert“ worden, der Unionskandidat Armin Laschet (CDU) habe Fehler gemacht, wie den Lacher beim Besuch eines Flutgebiets nach der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal.
Den bisherigen Fokus der SPD auf soziale Kernthemen wie Mindestlohn und Rente hält Forsa-Fachmann Matuschek nicht für erfolgversprechend: Das stoße zwar nicht auf Ablehnung, soziale Themen seien in der Mitte der Gesellschaft „aber für viele nicht so wichtig“.
Infratest: Scholz steht „maßgeblich für die schlechte Regierungsbilanz“
Heute sei für Scholz die Ausgangslage „deutlich schwieriger“, sagt Roland Abold vom Meinungsforschungsinstitut infratest dimap.
Er sei damals trotz seiner Ministerzeit als Kanzlerkandidat „neu und relativ unverbraucht“ erschienen.
Heute steht er maßgeblich für die schlechte Regierungsbilanz und wird mit dem Scheitern der Ampel-Regierung identifiziert.“
Matuschek pflichtet bei:
Bei Scholz haben wir selten Werte für einen amtierenden Bundeskanzler gesehen, die so schlecht waren.“
Wichtigste Themen für die Wähler seien derzeit die Wirtschaftslage und Migration, sagt infratest-Experte Abold. „Hier ist es aktuell um die Kompetenzen, die der SPD bescheinigt werden, nicht so gut bestellt.“
Das Fazit der Wahlforscher: Beide bezeichnen es als „extrem unwahrscheinlich“, dass es die SPD noch auf Platz eins schafft. „Der Abstand zur Union ist einfach zu groß“, meint Matuschek. Scheitert Scholz mit seinem Aufholplan, wird er als SPD-Kanzler mit der kürzesten Amtszeit in die Parteigeschichte eingehen.
SPD bei 14 bis 16 Prozent
Die SPD stand bei der Nominierung von Scholz zum Kanzlerkandidaten Ende November bei 14 bis 16 Prozent. Die ersten Umfragen in diesem Jahr geben ihr 14 bis 17 Prozent – in den sieben Wochen hat sich damit de facto nichts bewegt.
Die SPD bleibt meist weiter auf Platz drei hinter der AfD und weit abgeschlagen hinter der führenden Union, die bei 29 bis 33 Prozent verortet wird. Im ZDF-„Politbarometer“ rutschte die SPD sogar auf Platz vier hinter die Grünen.
Die Sozialdemokraten hoffen dennoch weiter auf ein „Wahlkampf-Wunder“ wie 2021. Auch damals war die SPD mit Umfragewerten unter 15 Prozent gestartet, sie ging dann mit 25,7 Prozent als Gewinnerin über die Ziellinie.
(afp/red)
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