10 Stadien, 51 Spiele und 12 Millionen in den Fanmeilen – Polizei sieht sich gut gerüstet

Das Bundesinnenministerium sieht eine besonders hohe Polizeipräsenz als adäquates Mittel zur Gefahrenabwehr bei der Fußball-EM. Konkrete Hinweise auf Anschlagspläne gebe es nicht. Bis zum 19. Juli werde an den Grenzen, an Flughäfen und im Bahnverkehr verstärkt kontrolliert.
Schottische Fans jubeln auf dem Marienplatz in München. Schottland und Deutschland treffen am Freitag beim Eröffnungsspiel der Fußball-Europameisterschaft in der Allianz-Arena aufeinander.
Schottische Fans jubeln auf dem Marienplatz in München. Schottland und Deutschland treffen am Freitag beim Eröffnungsspiel der Fußball-Europameisterschaft in der Allianz-Arena aufeinander.Foto: Martin Rickett/PA Wire/dpa
Von 15. Juni 2024

Den Kräften der deutschen Bundes- und Bereitschaftspolizei steht ein anstrengender Monat bevor: Bis zum 14. Juli müssen die Beamten für Sicherheit bei der Fußball-Europameisterschaft sorgen – dann findet das Finale im Berliner Olympiastadion statt. Los geht’s am Abend des 14. Juni mit dem Eröffnungsspiel Deutschland gegen Schottland in der Münchner Allianz-Arena.

Bundesinnen- und Sportministerin Nancy Faeser (SPD) hatte in den vergangenen Wochen angesichts der angespannten Sicherheitslage immer wieder von einem „Kraftakt“ gesprochen. Erst vor wenigen Tagen hatte die Polizei am Flughafen Köln/Bonn einen mutmaßlichen IS-Unterstützer mit deutsch-marokkanisch-polnischer Staatsangehörigkeit festgenommen, der sich für einen Ordner-Job beworben hatte. Der Verdächtige sitzt in Untersuchungshaft.

Hohe Polizeipräsenz angekündigt

Drei Gefahrenkomplexe erfordern nach Einschätzung des BMI besonderes Augenmerk: Die Polizei könnte es mit Cyber-Angriffen speziell gegen ukrainische Server zu tun bekommen. Wie bei jedem großen Fußballereignis könnte es außerdem zu Fan-Ausschreitungen kommen. Die größte Sorge dürfte allerdings möglichen Terrorattacken gelten.

Obwohl dem Bundesinnenministerium (BMI) nach eigenen Angaben keine konkreten Hinweise auf Anschlagspläne vorliegen, werde die Polizei deshalb „an allen Spielorten und überall, wo sich viele Menschen bewegen, […] hohe Präsenz zeigen“, so Faeser in einer Pressemitteilung zur UEFA EURO 2024. Seit vergangenem Montag finden auf Anweisung der BMI-Chefin bereits verstärkte Kontrollen an den Grenzen, an Flughäfen und im Bahnverkehr statt. Sie sollen bis zum 19. Juli 2024 dauern.

Ginge es nach Dirk Wiese, dem SPD-Vizefraktionschef im Bundestag, würde er die Grenzkontrollen sogar „für einen gewissen Zeitraum über die Europameisterschaft hinaus“ aufrechterhalten – „aus sicherheitspolitischen Gründen“. Immerhin fänden zwischen dem 26. Juli und dem 22. August auch noch Olympische Spiele in Paris statt. Zudem müsse man darauf schauen, „wie sich die Flüchtlingszahlen entwickeln“, meinte Wiese.

Die seit Tagen verstärkten Kontrollen hätten bereits zu weniger irregulärer Migration geführt, lobte Wiese. Außerdem sei es „in den letzten Wochen und Monaten immer wieder gelungen, potenzielle Attentäter frühzeitig zu erkennen und aus dem Verkehr zu ziehen“. Sorge bereite ihm allerdings, dass der Iran, Russland oder China versuchen könnten, das Sicherheitsgefühl der Menschen zu beeinflussen. Möglicherweise werde versucht, das Ticketsystem zu stören oder „Fake News“ über die Großbildleinwände zu verbreiten.

Herrmann hält Terrorgefahr für höher als 2006

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hält die Terrorgefahr augenblicklich für „eher noch höher“ als zur WM 2006.

Im ZDF-Morgenmagazin“ erklärte er, dass man schon vor 18 Jahren Konzepte etwa gegen islamistische Anschläge entwickelt habe. Auch dieses Mal seien die Sicherheitskräfte bestens vorbereitet: Man habe schon vor Monaten ihre Kollegen aus anderen Teilnehmerländern kontaktiert, die Grenzen seien gesichert und in den Fanzonen seien Messer oder andere gefährliche Gegenstände verboten.

51 Spiele in zehn Stadien, zentral koordiniert vom IPCC

Neben München und Berlin wird in acht weiteren Großstadien gekickt: Stuttgart, Frankfurt am Main, Leipzig und Hamburg gehören dazu. Mit gleich vier Arenen ist die Fußballhochburg Nordrhein-Westfalen (NRW) mit ihren Stadien in Köln, Düsseldorf, Dortmund und Gelsenkirchen besonders stark repräsentiert: Allein in NRW werden 20 der 51 Turnierspiele ausgetragen. Ferner müssen die Sicherheitsbehörden die unzähligen Fantreffs im ganzen Land im Auge behalten.

Nach Angaben der „Rheinischen Post“ erwartet die UEFA 2,7 Millionen Fans in den Stadien. Bis zu zwölf Millionen Menschen könnten Lust verspüren, die Spiele auf den offiziellen Fanmeilen zu verfolgen.

„Allein 22.000 Beamtinnen und Beamte der Bundespolizei sind jeden Tag für die Sicherheit der EM im Einsatz – das ist der größte Einsatz in der Geschichte der Bundespolizei“, teilte Faeser mit. „Wir sind sehr wachsam und gut vorbereitet“.

Sämtliche relevanten Informationen über die Polizeieinsätze sollen im eigens für die EM eingerichteten International Police Cooperation Center (IPCC) in Neuss unter der Leitung der Polizei NRW gesammelt, bewertet und gesteuert werden. In den IPCC-Räumlichkeiten, die im Neusser Landesamt für zentrale polizeiliche Dienste (LAFP) eingerichtet wurden, werden nach Angaben des NRW-Innenministeriums mehr als 300 Polizisten „vom Bund, aus den Bundesländern und von den 24 beteiligten teilnehmenden Ländern vier Wochen lang“ zusammenarbeiten.

Nach Angaben des BMI sollen insgesamt 580 ausländische Polizisten ihre deutschen Kollegen unterstützen – manche davon im IPCC, die meisten im Streifendienst. Zudem sollen über 16.000 freiwillige Helfer für einen reibungslosen Ablauf des Turniers sorgen.

Bundespolizei sieht sich gut gerüstet

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) blickt positiv auf das Großereignis. „Die Bundespolizei ist insgesamt gut auf die EM vorbereitet“, erklärte Andreas Roßkopf, GdP-Chef für Bundespolizeiangelegenheiten, im Gespräch mit der „Rheinischen Post“. Man habe sich monatelang „organisatorisch, aber auch einsatztaktisch“ auf die EM eingestimmt. Um Personalmangel müsse man sich keine Sorgen machen, denn es bestehe eine Urlaubssperre.

„Die Polizei Nordrhein-Westfalen startet bestens vorbereitet in die Europameisterschaft und macht alles Menschenmögliche, um alle Gefahren zu bannen“, bestätigte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU). Sicherheit habe „oberste Priorität“, auch wenn man ein „absolut sicheres“ Turnier nicht „gewährleisten“ könne. Reul ermunterte zum Mitmachen:

Gehen Sie ins Stadion oder auf die Fanmeile. Werden Sie Teil dieses Heimspiels. Ich selbst freue mich auch, im Stadion dabei zu sein.“

Nach einer gemeinsamen repräsentativen Umfrage des Sinus-Instituts und YouGov von Ende April macht sich mit 47 Prozent fast jeder zweite Deutsche Sorgen um einen Terroranschlag bei der EM. In der Altersgruppe unter 30 Jahren ängstige sich nur jeder Dritte (35 Prozent) davor.

Motivationsdämpfer für NRW-Polizei

Wenige Tage vor Turnierstart hatte ausgerechnet Reul für Ärger bei seinen Sicherheitskräften gesorgt: Wie die „Rheinische Post“ berichtete, ließ Reul fast 12.700 abgelaufene Überstunden von über 2.300 Polizeibeamten streichen. „Dies bedeutet, dass diese Stunden weder in Freizeit noch finanziell ausgeglichen werden können“, habe Reul in einem internen Schreiben erklärt. Der Landesrechnungshof habe die zuvor übliche Praxis des Landes NRW kritisiert, die Überstunden auch nach Ablauf des Verjährungsschutzes anzuerkennen.

Der grüne Co-Parteichef Omid Nouripour fasste Reuls Entscheidung offenbar als Steilvorlage auf: Agenturangaben zufolge forderte er im Gespräch mit dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (RND) „eine bessere Ausstattung und moderne IT für unsere Sicherheitsbehörden und mehr Personal, damit die Überstundenkonten nicht immer weiter anwachsen“.

Aktuelle Informationen zum Verlauf des Turniers finden Sie auf der offiziellen Website der UEFA EURO 2024.

Letztes großes Turnier auf deutschem Boden vor 18 Jahren

Zuletzt hatte Deutschland 2006 ein großes internationales Fußballturnier ausgerichtet: Beim „Sommermärchen“ wurde schließlich Italien nach einem 5:3-Sieg im Elfmeterschießen gegen Frankreich Weltmeister. Für den Gastgeber reichte es damals nur zu Platz drei und zum inoffiziellen Titel „Weltmeister der Herzen“. Im Sommer 1974 hatte die Jahrhundertelf um Franz Beckenbauer und Gert Müller bei der ersten WM in Deutschland noch den Titel geholt.

Die letzte Fußball-Europameisterschaft der Herren auf deutschem Boden hatte im Sommer 1988 stattgefunden. Den Turniersieg holten damals die Niederländer, die die Sowjetunion im Finale mit 2:0 Toren schlugen. Zuvor war Deutschland im Halbfinale gegen den späteren Champion gescheitert.

Zehn Jahre ohne Finalsieg – zuletzt 1996 Europameister

Der jüngste Titelgewinn der deutschen Fußball-Nationalmannschaft ist schon zehn Jahre her: Im Sommer 2014 wurde das DFB-Team nach dem 1:0-Finalsieg gegen Argentinien in Brasilien Weltmeister. Es war der vierte WM-Titel nach 1990, 1974 und 1954.

Der bislang letzte Triumph einer deutschen Elf bei einer Europameisterschaft gelang 1996: Oliver Bierhoff erzielte in der Verlängerung den 2:1-Siegtreffer gegen Tschechien. Zuvor war die Nationalmannschaft 1980 und 1972 auf europäischer Ebene erfolgreich gewesen.

Drei Blamagen in den jüngsten drei Wettbewerben

Bei den letzten drei internationalen Wettkämpfen hatte Deutschland eine eher klägliche Vorstellung abgegeben. Sowohl bei der WM in Katar Ende 2022 als auch bei der EM 2020/21 war die deutsche Elf in der Vorrunde ausgeschieden. Dabei hatte das erste Aus einer deutschen Nationalmannschaft in der Gruppenphase, das sich das DFB-Team bei der WM 2018 in Russland geleistet hatte, eigentlich nur ein Ausrutscher bleiben sollen.

Der jüngste nennenswerte internationale Erfolg bestand im Erreichen des Halbfinales bei der EM 2016: Deutschland unterlag im EM-Halbfinale mit 0:2 gegen Frankreich, das den Titel aber im Finale Portugal überlassen musste.

Nun ruhen die Hoffnungen der deutschen Fans auf dem Sachverstand von Bundestrainer Julian Nagelsmann.

 

 



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