1.000 Milliarden neue Schulden – hat Merz seine Wähler getäuscht?

Friedrich Merz steht in der Kritik: Der Kanzlerkandidat von CDU und CSU hatte sich im Wahlkampf klar gegen neue Schulden ausgesprochen – nun unterstützt er ein Sondervermögen in Billionenhöhe für Verteidigung und Infrastruktur. Während er seine Position als notwendige Anpassung an veränderte Umstände rechtfertigt, werfen ihm Kritiker Wählertäuschung vor.
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Merz wehrt sich gegen den Vorwurf der „Wählertäuschung“.Foto: RALF HIRSCHBERGER/AFP via Getty Images
Von 16. März 2025

Der Kanzlerkandidat von CDU und CSU, Friedrich Merz, hat sich gegen Vorwürfe gewehrt, Wählertäuschung zu betreiben. Obwohl er sich im Wahlkampf gegen neue Schulden ausgesprochen hatte, sieht er das nun geplante Schuldenpaket als geboten an. Nach intensiven Verhandlungen mit SPD und Grünen könnte die erforderliche Zweidrittelmehrheit für eine Grundgesetzänderung zur Schuldenbremse im Bundestag zustande kommen.

CDU-Chef: „War schon vor der Wahl zu Schuldenbremse-Kompromiss bereit“

Den Vorwurf, seine Wähler belogen zu haben, nehme er zwar „ernst“, so Merz gegenüber „Bild“, aber er halte ihn jedoch „nicht für gerechtfertigt“. Man habe in den vergangenen Wochen darüber diskutiert, welche „neuen Antworten angesichts der sich noch einmal dramatisch verändernden internationalen Lage geboten“ seien.

Der CDU-Chef will schon vor der Wahl gesagt haben, man könne „über eine Änderung des Grundgesetzes sprechen“. Dort seien immerhin nur wenige Artikel unveränderbar. Aber wenn das geschehe, müsse man „die Schuldenbremse dahingehend ergänzen, dass wir dann wirklich Investitionen in unsere Zukunft zusätzlich ermöglichen“. Genau dies geschehe nun.

Das Gesamtpaket sei die „richtige Antwort“ der Politik auf „die Zeit, in der wir heute leben“. Es sei „dringend geboten“, dass das Land „massiv“ in seine Verteidigung investiere. Die Bürger erwarteten jedoch, „dass wir zugleich etwas für die Infrastruktur, für die Schulen, für die Krankenhäuser und für die Verkehrswege tun“.

Zeithistoriker attestiert Merz einen Glaubwürdigkeitsverlust

Merz will die Schuldenregel ändern, um Sondervermögen in einer Gesamthöhe von 1.000 Milliarden Euro für Infrastruktur und Verteidigung zu ermöglichen. Zusätzlich hatte Merz den Grünen auch Klimaschutzinvestitionen im Umfang von 100 Milliarden Euro zugesagt, nachdem er bereits zu Beginn 50 Milliarden Euro zugesagt hatte. Merz äußerte dazu in „Bild“:

„Ein Grüner werde ich sicher nicht. Aber ein Kanzler, der sich der umweltpolitischen Verantwortung stellt.“

Außerdem soll das Ziel der Klimaneutralität Deutschlands bis 2045 in die Verfassung aufgenommen werden. FDP-Vize Wolfgang Kubicki erklärte dazu: „Wir erheben unsere wirtschaftsfeindliche Überambition also zum Verfassungsrang.“ Zeithistoriker Prof. Andreas Rödder sieht in einer Verankerung des Vorhabens auf dieser Ebene ein im Verfassungsrang stehendes Verbot, Abstriche an der Energiewende zu machen.

Rödder attestiert der Union auf „Welt TV“ einen „Glaubwürdigkeitsverlust“. Er vergleicht das Vorgehen von Merz mit der „Methode Merkel, Probleme mit viel Geld zu adressieren“. Mit der nunmehrigen Vereinbarung zwischen Union, SPD und Grünen sei die von CDU und CSU im Wahlkampf geforderte Politikwende „im Grunde pulverisiert“.

Dobrindt warf Ampel „Finanzakrobatik“ vor

Vor allem Merz und die Bundes-CDU hatten sich spätestens seit November 2023 als entschlossene Verteidiger der Schuldenbremse präsentiert. Damals hatte das Bundesverfassungsgericht das zweite Nachtragshaushaltsgesetz 2021 für verfassungswidrig erklärt.

Im Kern sahen sie in der Umwidmung von Kreditermächtigungen im Corona-Sonderfonds zu solchen für Klima und Transformation im KTF eine Umgehung der Schuldenbremse im Grundgesetz. Der Bund darf sich, so der Tenor der Entscheidung, keine Notlagenkredite für spätere Jahre auf Vorrat zurücklegen. Karlsruhe erklärte Kreditermächtigungen im Umfang von 60 Milliarden Euro für nichtig, weil die Konstruktion über mehrere Jahre gegen die Verfassung verstoßen habe.

Merz hatte das Urteil damals als „Zeitenwende für den Bundeshaushalt“ bezeichnet. Er forderte die damalige Ampelkoalition dazu auf, für den Bundeshaushalt 2024 neue Prioritäten zu setzen. Die Unionsfraktion warf der Regierung vor, sich über Regeln hinwegzusetzen und „Betrug an der Schuldenbremse“ zu begehen. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt erklärte:

„Finanzpolitik lässt sich nicht durch Finanzakrobatik ersetzen.“

Ministerpräsidenten wollten Schuldenbremse reformieren – Merz zeigte sich hart

Neben SPD und Grünen hatten sich im Anschluss an das Urteil auch einzelne Ministerpräsidenten der Union für eine Reform der Schuldenbremse ausgesprochen. Dazu gehörten unter anderem die Ministerpräsidenten Boris Rhein (Hessen), Reiner Haseloff (Sachsen-Anhalt) und Kai Wegner (Berlin).

Sie regten an, zwischen „Investitionen“ und „Konsumausgaben“ zu unterscheiden. Nur für Erstgenannte solle es Ausnahmen von der Schuldenbremse geben. Auf Bundesebene blieb die Unionsführung jedoch stets hart, was eine Aufweichung der Schuldenregel anbelangt. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann betonte mehrfach, dass es mit der CDU „keine Reform oder Abschaffung der Schuldenbremse“ geben werde.

Als der scheidende Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck im Dezember 2023 ein zweckgebundenes Sondervermögen für Investitionen gefordert hatte, winkte die Union ab. Man habe zwar das Sondervermögen der Bundeswehr unter dem Eindruck des Ukrainekrieges mitgetragen, erklärte Parlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei. Er sagte damals jedoch auch:

„Für ein weiteres Sondervermögen fehlt die Grundlage.“

Die Ampel, so hieß es damals, zeige „eine erstaunliche Kreativität, wie sie die Schuldenbremse austricksen könnte“. Dies sei jedoch eine „Sackgasse“. Der Staat könne sich auf Rekordeinnahmen stützen. Deshalb gebe es keinen Grund, die Schulden weiter in die Höhe zu treiben.

#NEINwanger fordert FW-Chef zur Obstruktion im Bundesrat auf

Nun betont Friedrich Merz, dass es ihm darum gehe, die „Handlungsfähigkeit der politischen Mitte“ sicherzustellen. Er sei mit Blick auf den Bundesrat zudem „sehr zuversichtlich, dass auch in Bayern alle Beteiligten um ihre Verantwortung wissen“. Während im Bundestag die Zweidrittelmehrheit für das Schuldenpaket als gesichert erscheint, könnte es im Bundesrat auf die Stimmen aus Bayern ankommen.

Dort regiert CSU-Chef Markus Söder als Ministerpräsident gemeinsam mit den Freien Wählern (FW). Deren Vorsitzender Hubert Aiwanger hatte zuletzt massive Kritik an den Schuldenplänen geübt. Auf X fordern Nutzer den FW-Chef unter dem Hashtag #NEINwanger dazu auf, sich gegen die Grundgesetzänderung zu widersetzen.



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