Derzeit keine Chance auf parlamentarische Mehrheit: Antrag auf AfD-Verbotsverfahren verzögert sich

Die Initiative zur Einleitung eines AfD-Verbotsverfahrens im Bundestag verzögert sich. Vor Mitte November ist kein Antrag zu erwarten. Initiator Marco Wanderwitz (CDU) hofft durch ein angekündigtes Gutachten des Verfassungsschutzes Skeptiker im Bundestag zu überzeugen. Verfassungsrechtler geben der Initiative allerdings wenig Chancen.
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Im November soll im Bundestag ein Antrag für die Einleitung eines Verbotsverfahrens gegen die AfD eingebracht werden.Foto: diegograndi/iStock
Von 18. Oktober 2024

Die Befürworter eines AfD-Verbotsverfahrens im Bundestag wollen den vorliegenden Gruppenantrag bisher nicht in der laufenden Sitzungswoche einbringen.

„Wir werden mindestens noch die nächste Sitzungswoche weitere Unterstützer-Unterschriften sammeln und dann einbringen“, sagte Initiator Marco Wanderwitz (CDU) dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Das wäre frühestens Mitte November. „Wir werden aber im Bundestag keinen Antrag zur Abstimmung stellen, der keine Chance auf eine parlamentarische Mehrheit hat“, stellte Wanderwitz klar.

Gutachten zur Verfassungsfeindlichkeit

Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang hatte am Montag angekündigt, noch in diesem Jahr ein neues Gutachten über verfassungsfeindliche Bestrebungen in der AfD vorzulegen und über eine neue Einstufung zu entscheiden.

Das könnte die Unterstützung für einen Verbotsantrag auch bei der Unionsfraktion und der SPD-Fraktion deutlich vergrößern, erwartet Wanderwitz. „Es gilt, die Dynamik zu nutzen, die durch eine mögliche Neueinstufung der AfD als gesichert rechtsextrem durch das Bundesamt für Verfassungsschutz entstehen würde“, sagte er dem RND.

Eine fraktionsübergreifende Gruppe von Abgeordneten aus der Union, der SPD, den Grünen und der Linken hatte schon vor Monaten angekündigt, im Bundestag einen Antrag zur Einleitung eines AfD-Verbotsverfahrens beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe einzuleiten. Wanderwitz hatte am Donnerstag im „ZDF-Morgenmagazin“ gesagt, dass die AfD die freiheitlich-demokratische Grundordnung gefährde und den Staat als Ganzes. „Darum ist es höchste Zeit, sie zu verbieten“. Dabei verwies Wanderwitz auch auf die lange Verfahrensdauer eines Parteienverbots.

„Je später wir anfangen, desto länger wird es dauern, bis wir zu einem hoffentlich erfolgreichen Verfahren kommen“, so der Initiator. In den vergangenen Jahren sei versucht worden, die AfD „wegzureden“ oder sie „gut zu regieren“. Diese Instrumente seien nun ausgereizt. „Eine rechtsradikale Partei wird gewählt, weil sie rechtsradikal ist“, zeigte sich Wanderwitz überzeugt.

Union: „Überwiegende Mehrheit“ gegen den Antrag

In seiner eigenen Fraktion steht man der Initiative allerdings kritisch gegenüber. Am Dienstag hatte der Leitungs- und Planungsstab des Fraktionsvorsitzenden Friedrich Merz ein „Blitz-Briefing“ an die Unionsabgeordneten verschickt, das Epoch Times vorliegt. Darin heißt es, mit „überragender Mehrheit“ habe die Fraktion sich dazu entschieden, dem Gruppenantrag zur Einleitung eines AfD-Verbotsverfahrens nicht beizutreten. „Die Fraktion hält den Versuch eines Verbots der AfD zum jetzigen Zeitpunkt für juristisch nicht erfolgversprechend und politisch kontraproduktiv“.

Weiter heißt es, dass die „Mitglieder der Fraktion die Rechtslage sowie den politischen Kontext fundiert und ausgewogen abgewogen“ hätten. 

Wir gehen vielmehr davon aus, dass bei der AfD die Voraussetzungen eines Parteiverbots (noch) nicht erfüllt sind und die Verfassungsschutzämter nicht über hinreichendes Beweismaterial für ein Verbotsverfahren verfügen.“

Es sei ein Trugschluss zu glauben, dass die AfD sich „wegverbieten“ lasse, betont das Papier weiter. Man müsse vielmehr die Folgen eines Scheiterns des Verbotsantrags bedenken. Die AfD erhielte faktisch ein verfassungsgerichtliches „Gütesiegel“. Dieses Risiko einzugehen, halten wir für nicht vertretbar, so das Blitz-Briefing. 

Juristisch und politisch „unklug und riskant“

Die Union ist nicht die einzige Partei im Bundestag, die die Initiative ihres Fraktionsmitglieds Wanderwitz kritisch sieht. Auch aus der FDP kommen Signale, dass sie den Weg des Gruppenantrags nicht mitgehen wird. FDP-Innenpolitikerin Linda Teuteberg hält einen Verbotsantrag gegen die AfD juristisch und politisch für „unklug und riskant“. „Statt ihr eine weitere Opfererzählung für den Bundestagswahlkampf zu schenken, muss die AfD endlich ernsthaft politisch gestellt werden“, sagte Teuteberg im ZDF-„Morgenmagazin“. Gleichwohl sehe auch sie, dass es durch die AfD „ernsthafte Gefahren für unsere Demokratie gibt“. 

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) äußerte sich Anfang Oktober sehr zurückhaltend zu einem AfD-Verbotsverfahren. „Da sind jetzt erst mal ganz andere Dinge angesagt“, sagte er bei einem Bürgerdialog vor dem Tag der Deutschen Einheit in Schwerin. Ein Verbotsverfahren müsse sehr sorgfältig vorbereitet werden. „Deshalb steht das jetzt nicht auf der Tagesordnung“.

BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht sprach gegenüber dem Nachrichtenportal „t-online“ im Hinblick auf den Gruppenantrag vom „dümmsten Antrag des Jahres“. Wagenknecht wies weiter darauf hin, dass die Ampelparteien und auch die CDU die Interessen der Wähler nicht ernst nähmen. Mit dem Verbotsantrag wolle man „den unliebsamen Konkurrenten jetzt mit der Verbotskeule erledigen.”

Verfassungsrechtler sehen Verbot kritisch

Zweifel daran, dass das Bundesverfassungsgericht nach dem aktuellen Erkenntnisstand die AfD verbieten könnte, äußerten immer wieder auch Verfassungsrechtler. Der emeritierter Professor für öffentliches Recht an der Universität Freiburg, Dieter Murswiek, stellte im Interview mit Epoch Times im Hinblick auf den Erfolg eines AfD-Verbots fest: 

Das wird vor dem Bundesverfassungsgericht mit allergrößter Wahrscheinlichkeit scheitern.“

Ähnlich sieht es auch der Verfasssungsrechtler Christian Waldhoff. Waldhoff ist Professor für öffentliches Recht an der Humboldt-Universität in Berlin und kann auf Erfahrungen mit Parteiverbotsverfahren zurückblicken. Von 2013 bis 2017 vertrat der Jurist den Bundesrat im Verbotsverfahren gegen die NPD, heute „Die Heimat“. In der „Zeit“ sagt Waldhoff:

Ich bin da skeptisch. Denn der Antrag an den Bundestag enthält leider an belastendem Material nicht mehr als das, was man schon aus den Medien kennt. Und das reicht aus meiner Sicht für ein Verbotsverfahren nicht aus.“

Ebenfalls Erfahrungen in einem Parteiverbotsverfahren hat der Berliner Verfassungsrechtler Professor Christoph Möller, der mit Waldhoff ebenfalls den Bundesrat im NPD-Verbotsverfahren vertrat. In einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ (Bezahlschranke) vertrat er im Dezember des vergangenen Jahres die Auffassung, es lägen „starke Anhaltspunkte für die Verfassungsfeindlichkeit der Partei“ vor. Gleichzeitig betonte er auch er die Schwierigkeiten bei der Beweisführung in einem solchen Verfahren.

Hürden für ein Verbot hoch

Der Bundestag kommt vom 4. bis 8. November und vom 11. bis 15. November in Berlin zu seinen Sitzungen im November zusammen. Bis dahin müssten die Mehrheiten für einen solchen Antrag stehen.

Parteien, die mit ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Mitglieder darauf abzielen, die freiheitlich demokratische Grundordnung zu stören oder abzuschaffen, oder die Existenz der Bundesrepublik Deutschland bedrohen, gelten laut Artikel 21 Absatz 2 des Grundgesetzes als verfassungswidrig. Die Hürden für das Verbot einer Partei sind verfassungsrechtlich allerdings sehr hoch. 

Ein Parteiverbot kann nur von Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht eingereicht werden. Laut bisheriger Urteile des Bundesverfassungsgerichts reicht die bloße Verbreitung verfassungsfeindlicher Ideen dafür jedoch nicht aus. Notwendig ist außerdem eine aktiv kämpferische und aggressive Haltung gegenüber der bestehenden Ordnung mit dem Ziel ihrer Abschaffung, sowie greifbare Hinweise darauf, dass die Durchsetzung dieser verfassungsfeindlichen Ziele realistisch ist. Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft die AfD im Moment als rechtsextremistischen Verdachtsfall ein.



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