Commerzbank-Desaster: Haben Scholz und Lindner 100 Millionen Euro verspielt?
Die Bundesregierung könnte beim überraschenden Verkauf von Commerzbank-Aktien an die italienische Bank UniCredit viel Geld verzockt haben. Der frühere Kapitalmarkt-Chef der Bank of America, Craig Coben, spricht in einem Gastbeitrag für die „Financial Times“ (FT) von 100 Millionen Euro. „Deutschland hat weit über 100 Millionen Euro an potenziellen Gewinnen aus dem Anteilsverkauf verloren, die es durch die Prämie eines strategischen Käufers hätte erzielen können“, schreibt Coben, der heute Managing Director bei SEDA Experts ist und als international hoch angesehener Fachmann gilt. Weiter schreibt Coben, Deutschland könnte sich damit „auch strategisch ausmanövriert sehen, da der Einfluss auf die Zukunft der Commerzbank möglicherweise geschwächt ist“.
Bundesregierung ließ sich überrumpeln
UniCredit verfolgte mit dem Kauf von Aktienanteilen der Commerzbank offenbar die vollständige Übernahme der Frankfurter Bank. Die Italiener hatten ihr Aktienpaket im Zuge einer Auktion erworben. In der Regel zahlt ein strategischer Käufer in so einer Situation meistens höhere Preise als ein Finanzinvestor. Das könnte auch beim Kauf der Commerzbank-Aktien so gewesen sein. Die Bundesregierung wurde beim Kauf der Commerzbank-Aktien durch UniCredit überrumpelt.
„Die Bundesregierung hat vom Bestehen eines Anteils der UniCredit an der Commerzbank erst erfahren, als die Finanzagentur die Auktion bereits unumkehrbar gestartet hatte“, meldete damals die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) unter Berufung auf Regierungskreise.
Diesen Ablauf bestätigte gegenüber der FAZ auch eine Sprecherin der Finanzagentur. „Die Finanzagentur hat gegen 17:30 Uhr das Bookbuilding gestartet. Erst kurz vor Closing hat die Finanzagentur davon Kenntnis erlangt, dass UniCredit bereits eine 4,5-porzentige Aktienbeteiligung an der Commerzbank hält. In einem solchen diskriminierungsfreien Verfahren, wie es eine ABB-Transaktion ist, kann eine solche Information keinen Einfluss auf die Zuteilung haben. Diese erfolgte allein nach wirtschaftlichen Kriterien. Die UniCredit hat bekanntermaßen das mit Abstand höchste Gebot abgegeben.“
Wie die FAZ weiter schreibt, habe UniCredit damals die Fristen im Wertpapierhandelsgesetz so genutzt, dass der Bund bis zuletzt im Unklaren über die Absichten der Bank geblieben ist. Das Gesetz sieht vor, dass jemand, der Stimmrechtsanteile einer natürlichen oder juristischen Person aus Deutschland überschreitet oder unterschreitet, das sowohl dem Emittenten als auch der Finanzaufsicht unverzüglich mitzuteilen hat. Unverzüglich heißt allerdings: Spätestens innerhalb von vier Handelstagen.
Aktien gekauft, die der deutsche Staat verkauft hat
Auch die „Financial Times“ zitiert anonyme Regierungsvertreter, die angeben, von dem Angriff der UniCredit auf die Commerzbank nichts gewusst zu haben und von einem „Angriff“ und „unfreundlichem Akt“ sprachen.
UniCredit-CEO Andrea Orcel sieht die Sache allerdings völlig anders und versucht zu beruhigen. Von einer feindlichen Übernahme möchte er nichts wissen. Im Interview mit der italienischen Zeitung „Il Messaggero“ (hinter einer Bezahlschranke) am letzten Donnerstag lehnte er ein öffentliches Übernahmeangebot ab. „Nein, das wäre ein aggressiver Akt“, so Orcel auf eine entsprechende Frage. „Wir haben 4,5 Prozent auf dem Markt gekauft, die uns der deutsche Staat verkauft hat. Wir sind zufrieden mit dem, was wir getan haben.“
In einem Interview mit dem „Handelsblatt“ äußerte sich der UniCredit-Vorstand weiter auf Nachfrage zum Vorwurf, er habe die Bundesregierung mit seinem Vorstoß überrumpelt. „Wir wurden von Vertretern des Finanzministeriums und deren Beratern auf Arbeitsebene vor der Auktion des staatlichen Aktienpakets von 4,5 Prozent kontaktiert“, so Orcel. Bei der Auktion des Bundesanteils habe die Finanzagentur dann Angebote von verschiedenen Investoren eingeholt und sich am Ende für das Angebot von UniCredit entschieden. „Allen Beteiligten war klar, dass unser Anteil dadurch auf neun Prozent steigt und welche Implikationen das hat“, so der UniCredit-CEO.
Staat stieg im Zuge der Finanzkrise ein
Vor gut 16 Jahren war der Bund mit dem Kauf von Aktien in die Commerzbank eingestiegen. Im Zuge der Finanzkrise war damals auch die Commerzbank ins Straucheln geraten. In den Jahren 2008 und 2009 erhielt die Bank deshalb Kapitalhilfen des Finanzmarktstabilisierungsfonds (FMS) in Höhe von insgesamt 18,2 Milliarden Euro. Davon sind nach Angaben von Florian Toncar (FDP), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen, bislang 13,15 Milliarden Euro zurückgeführt worden. Es verbleiben etwas mehr als fünf Milliarden Euro. Toncar sagte in einer Pressemitteilung, der Einstieg während der Bankenkrise sei wichtig gewesen, um „die Finanzmarktstabilität zu schützen“. Gleichzeitig kündigte Toncar Anfang September in der Meldung an, dass der Bund beabsichtige, seine Beteiligung an der Commerzbank zu verringern. Zu diesem Zeitpunkt hielt nach Angaben des Staatssekretärs der Bund über den FMS noch eine Beteiligung von 16,49 Prozent an der Commerzbank.
Dass hochrangige Regierungsvertreter nun im Nachgang behaupten, sie seien vom Kauf der UniCredit überrascht worden, erklärt sich CEO Andrea Orcel nicht. „In einem solch formalisierten Verkaufsprozess werden Sie von den Vertretern des Finanzministeriums und ihren Beratern kontaktiert“, sagt er im Interview mit dem „Handelsblatt“. Dass seine Bank Interesse an der Commerzbank habe, sei „allen relevanten Akteuren in Deutschland“ schon seit Langem bekannt, so Orcel weiter. Das, so die Vermutung des Bankvorstands, sei auch der Grund gewesen, warum die UniCredit kontaktiert wurde.
Laut Orcel wäre seine Bank nicht aktiv geworden, wenn „wir nicht willkommen gewesen wären“. Die deutsche Regierung habe die Aktien zum Verkauf ausgeschrieben und UniCredit sei zur Teilnahme an der Auktion eingeladen worden. Man sei sehr froh, dass das Angebot in einem „transparenten Verfahren“ ausgewählt wurde.
Das Portal „Business Insider“ stellt den Vorgang mit Berufung auf einen Bericht der „Financial Times“ allerdings etwas anders dar.
UniCredit nun zweitgrößter Aktionär
So habe die Investmentbank JPMorgan die Bundesregierung beim Verkauf ihrer Anteile an der Commerzbank eng beraten. JPMorgan lud dann wohl auch UniCredit ein, ein Gebot für 4,5 Prozent der Anteile nach Börsenschluss abzugeben, obwohl die Regierung zuvor klargemacht hatte, nicht an strategische ausländische Investoren wie UniCredit verkaufen zu wollen.
Trotzdem ermöglichte JPMorgan, dass UniCredit ihren Anteil an der Commerzbank auf 9 Prozent verdoppeln konnte, wodurch die Bank zum zweitgrößten Aktionär wurde. Der Verkauf erfolgte durch ein beschleunigtes Bookbuilding-Verfahren, welches normalerweise für den schnellen Verkauf an Finanzinvestoren genutzt wird, nicht jedoch für strategische Investoren wie UniCredit.
Kritiker sprechen laut der „Financial Times“ (hinter einer Bezahlschranke), im Hinblick auf den gegangenen Weg vom falschen Verfahren. Nachdem Goldman Sachs, die ursprünglich auch am Verkauf beteiligt war, sich zurückzog, weil UniCredit strategische Absichten verfolgte, blieb JPMorgan allein verantwortlich für die Abwicklung.
Laut der FT hat die Entscheidung zu Frustration bei wichtigen Politikern geführt. Nun wird überprüft, wie der Verkauf abgelaufen ist. „Niemand in der Regierung wollte UniCredit einladen“, sagte eine mit den Diskussionen vertraute Person der Zeitung.
Deutscher Steuerzahler müsste bei Krisen italienische Bank retten
Wie Andrea Orcel gegenüber „Il Messaggero“ sagte, plane die Bank zunächst, die Zustimmung der Europäischen Zentralbank (EZB) einzuholen, um vom deutschen Staat weitere Anteile zu erwerben und ihre Beteiligung auf 29,9 Prozent zu steigern.
Die italienische Regierung habe zugesichert, die Gründung einer neuen Megabank zu unterstützen, allerdings unter der Bedingung, dass das Hauptquartier in Mailand bleibt. Laut der „Financial Times“ (FT) mehren sich in Kreisen deutscher Banken die Bedenken, dass Deutschland im Falle eines Zusammenbruchs der Bank nach einer Fusion möglicherweise gezwungen wäre, mit Steuermitteln einzugreifen.
Wenn UniCredit die Commerzbank übernehmen sollte, könnte Berlin gezwungen sein, die in Italien ansässige Bank in einer Finanzkrise zu retten. So berichtet die FT und zitiert „wichtige Personen, die an den Gesprächen in Berlin und Frankfurt beteiligt waren“.
Die Commerzbank spiele eine zentrale Rolle als Kreditgeber für die deutsche Exportindustrie und den Mittelstand, also die kleinen und mittleren Unternehmen, welche die deutsche Wirtschaft stärken. Jens Weidmann, der Aufsichtsratsvorsitzende der Commerzbank und ehemaliger Bundesbankpräsident, „hat in seinem früheren Amt wiederholt vor hohen Staatsschulden in den Eurozonenländern gewarnt“, berichtet die FT weiter.
Das Blatt führt aus, dass „Italiens Staatsschuldenquote die zweithöchste in der Eurozone ist und mehr als doppelt so hoch wie die Deutschlands. Moody’s bewertet deutsche Staatsschulden mit AAA, der höchstmöglichen Bewertung, während Italiens Schulden mit Baa3 nur eine Stufe über Ramschniveau liegen.“
Bund verkauft vorerst keine Anteile mehr
Am Freitagabend hat die Bundesregierung nun gehandelt und entschieden, vorerst keine Aktienanteile der Commerzbank mehr zu veräußern. Unter anderem berichtete das „Handelsblatt“ darüber. Mit der Entscheidung bekenne man sich „zur Strategie der Eigenständigkeit“ der zweitgrößten deutschen Bank, hieß es laut dem Blatt in Regierungskreisen.
Der Beschluss wurde vom Lenkungsausschuss gefasst, der sich aus Vertretern des Kanzleramtes sowie der Ministerien für Finanzen, Wirtschaft und Justiz zusammensetzt. Die offizielle Bekanntgabe erfolgte durch die Finanzagentur des Bundes.
„Die Commerzbank ist ein stabiles und profitables Unternehmen, dessen Strategie auf Unabhängigkeit abzielt“, erklärte die Finanzagentur am Freitagabend. „Der Bund wird seine Beteiligung daran vorerst weiterführen.“
Mit der Entscheidung vom Freitag sendet der Bund ein deutliches Signal an die UniCredit in Italien, dass eine Übernahme der Commerzbank durch die UniCredit in Berlin nicht erwünscht ist. Damit wird eine Übernahme durch UniCredit deutlich unwahrscheinlicher, denn internationale Übernahmen gegen den Willen einer Regierung gelten in der Bankenszene als ausgesprochen schwierig bis unmöglich.
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