CDU ändert Ton: „Ein Islam, der unsere Werte nicht teilt, gehört nicht zu Deutschland“

Die CDU hat ihren Standpunkt zum Thema Islam in ihrem neuen Grundsatzprogramm doch geändert. Der neue Passus soll den Vorwurf entkräften, Muslime unter Pauschalverdacht stellen zu wollen. Das Programm soll im Mai endgültig abgesegnet werden.
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann (r) und die stellvertretenden Vorsitzenden der Programm- und Grundsatzkommission, Serap Güler und Mario Voigt.
Das Archivbild zeigt CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann (r.), Serap Güler (M.) und Mario Voigt (l.), die beiden stellvertretenden Vorsitzenden der Programm- und Grundsatzkommission.Foto: Michael Kappeler/dpa
Von 16. April 2024

Knapp drei Wochen vor ihrem Bundesparteitag hat die CDU eine Passage im Entwurf ihres neuen Grundsatzprogramms noch einmal überarbeitet. Das Verhältnis der Partei zu muslimischen Gläubigen soll sich künftig nicht mehr in den Worten „Muslime, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland“ niederschlagen. Stattdessen soll es mehreren Medienberichten zufolge künftig heißen:

Ein Islam, der unsere Werte nicht teilt und unsere freiheitliche Gesellschaft ablehnt, gehört nicht zu Deutschland.“

Wie das Onlineportal „Table.Media“ als erstes Medium berichtete, habe sich die zuständige Antragskommission der CDU bereits am vergangenen Wochenende auf die neue Formulierung geeinigt. Die Beratungen in Anwesenheit von Generalsekretär Carsten Linnemann sollen etwa 90 Minuten gedauert haben. Auch Parteichef Friedrich Merz habe zumindest „zeitweise“ an dem Treffen teilgenommen.

Die CDU habe damit auf den vielfach geäußerten Unmut über den ursprünglichen Satz reagiert. Dieser sei nach Meinung der Kritiker geeignet gewesen, Muslime in Deutschland unter „Pauschalverdacht“ zu stellen, fasst „Table.Media“ den Kernvorwurf zusammen.

Breite Kritik an Ursprungstext – auch intern

Wie der „Münchner Merkur“ berichtet, habe Lars Klingbeil, der Co-Vorsitzende der SPD, von einer „rhetorischen Ausgrenzung einer ganzen Bevölkerungsgruppe“ gesprochen. Auch Aiman Mazyek, der scheidende Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, hatte die CDU bereits im Dezember im Magazin „Stern“ davor gewarnt, die alte Formulierung beizubehalten: „Spicken bei der AfD war schon in der Schule nicht besonders klug“, so Mazyek. Die Erfahrung zeige, dass sich der Wähler am Ende ohnehin für „das Original“ entscheiden werde.

Mit Unverständnis hatte laut „Stern“ auch Burhan Kesici, der Vorsitzende des Islamrats, auf die erste Version der Islam-Passage reagiert. Der Satz „Muslime, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland“ suggeriere, „dass Muslime die Werte in Deutschland ablehnen würden“. Außerdem würden „solche Aussagen […] die Identifikation der Muslime mit Deutschland“ erschweren. Auch die Frage nach der Definition „unserer Werte“ bleibe offen.

Selbst in den Reihen der Christdemokraten hatte sich laut „Table.Media“ zuvor ein gewisser Unmut artikuliert. So habe CDU-Vorstandsmitglied Serap Güler, neben Mario Voigt die zweite stellvertretende Vorsitzende der Programm- und Grundsatzkommission, den Ursprungssatz abgelehnt. Auch manche als besonders „liberal“ geltende Parteimitglieder aus den Landesverbänden Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein hätten sich kritisch zur Islam-Passage geäußert. Beide Bundesländer werden jeweils von einem schwarz-grünen Bündnis regiert.

Erbe Merkels: Überwinden oder pflegen?

Die CDU hatte beim Entwurf ihres neuen Grundsatzprogramms „In Freiheit leben – Deutschland sicher in die Zukunft führen“ vor der Herausforderung gestanden, möglichst niemanden vor den Kopf zu stoßen und sich zugleich von den Positionen ihrer Ex-Kanzlerin Angela Merkel und des früheren CDU-Bundespräsidenten Christian Wulff abzugrenzen. Wulff hatte 2010 gesagt, dass mittlerweile „auch der Islam zu Deutschland gehört“. Merkel hatte 2015 erklärt: „Der Islam gehört zu uns, weil wir hier Millionen von Muslimen haben.“ 2018 legte sie nach:

Und diese Muslime gehören auch zu Deutschland. Und genauso gehört ihre Religion damit zu Deutschland, also auch der Islam.“

Wie der Nachrichtensender NTV berichtet, hatte sich Generalsekretär Linnemann kurz nach der Vorstellung des ursprünglichen Programmentwurfs im Dezember 2023 von den Standpunkten von Merkel und Merz distanziert: „Ich finde, der politische Islam gehört nicht zu Deutschland“, so Linnemann damals. Eine „überragende Zahl der Muslime in Deutschland“ stehe allerdings auf der Seite der Freiheit. „Und deshalb dürfen wir nicht zulassen, dass der politische Islam, der politische Islamismus in Deutschland Einkehr erhält“, zitiert NTV den Generalsekretär.

Von einem endgültigen Bruch mit der Merkel-Ära wollte Linnemann aber zum Jahreswechsel 2023/24 nichts wissen: Im Gegenteil hoffte er darauf, die Altkanzlerin als Unterstützerin für den Bundestagswahlkampf 2025 gewinnen zu können. Höchstwahrscheinlich aber wird sie nicht einmal der Einladung zum kommenden Bundesparteitag folgen.

Unter Merkel-Nachfolger Friedrich Merz hatte spätestens nach dem Verlust der Regierungsmacht im Herbst 2021 eine Rückbesinnung auf konservative Positionen angestanden. Diese soll sich nun im neuen, nunmehr vierten CDU-Parteiprogramm niederschlagen – unter anderem in Bekenntnissen für eine strengere Asylpolitik, für die „Option“ Atomkraft und für Reformen in der Arbeitsmarkt- und Rentenpolitik. Auch der Begriff der „Leitkultur“ steht bei der CDU wieder hoch im Kurs. Die Partei sieht das Bekenntnis dazu offenbar als Bringschuld. Denn im Grundsatzprogramm steht nach wie vor:

Alle, die hier leben wollen, müssen unsere Leitkultur ohne Wenn und Aber anerkennen.“

Der „Merkur“ definiert die Leitkultur gemäß CDU-Vorstellungen als „die Achtung der Würde jedes Menschen, der Grund- und Menschenrechte, des Rechtsstaats, des Respekts und der Toleranz sowie die Anerkennung des Existenzrechts Israels“.

Das 4. CDU-Grundsatzprogramm

Das neue, gut 70 Seiten starke Grundsatzprogramm der CDU war am 11. Dezember 2023 sowohl dem Präsidium als auch dem Vorstand der Partei präsentiert worden. Generalsekretär Linnemann, der auch die Leitung der Programmkommission übernommen hatte, erklärte nach Informationen des „Handelsblatts“, die Partei habe ihr „Wertefundament erneuert und bekräftigt“. Die „CDU Deutschlands“ sei nun „wieder regierungsfähig“.

Nach Diskussionen auf Kreisverbandsebene mit Parteimitgliedern hatte der Bundesvorstand zu abschließenden Beratungen während der Vorstandsklausur am 12. und 13. Januar 2024 in Heidelberg eingeladen. Offiziell verabschiedet werden soll das Grundsatzprogramm auf dem 36. CDU-Bundesparteitag, der vom 6. bis 8. Mai 2024 in Berlin stattfinden wird.



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