CDU, BSW, SPD: Mögliche Brombeer-Koalition in Thüringen – Krieg bleibt Streitthema

In Thüringen stehen die Zeichen für ein schwarz-rot-rotes Regierungsbündnis offenbar gut: Am Freitag haben Vertreter der Fraktionen von CDU, BSW und SPD ihr gemeinsames Sondierungspapier vorgestellt. Ob es zu Koalitionsverhandlungen kommt, müssen nun die Landesparteispitzen entscheiden.
Thüringens Landtag trifft sich zu seiner ersten, wahrscheinlich turbulenten Sitzung (Archivbild).
Das Symbolbild zeigt eine Mauer mit dem Schriftzug „Thüringer Landtag“.Foto: Martin Schutt/dpa
Von 18. Oktober 2024

Die drei Chef-Unterhändler der Thüringer Landtagsfraktionen von CDU, BSW und SPD haben am 18. Oktober 2024 in Erfurt ein positives Fazit ihrer wochenlangen Sondierungsgespräche gezogen und erste Eckpunkte ihres 19-seitigen Sondierungspapiers („Mut zur Verantwortung – Thüringen nach vorne bringen“) vorgestellt.

„Die Thüringer haben Veränderungen gewählt und wir wollen gemeinsam auch nach Wegen suchen, den Thüringerinnen und Thüringern diese Veränderungen zu geben, um das Leben der Thüringerinnen und Thüringern wieder leichter zu machen“, sagte Andreas Bühl, der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion bei der Pressekonferenz am frühen Nachmittag.

Das „herausfordernde Wahlergebnis“ erfordere „kreativere“ Gedanken darüber, „was bisher im Parlamentarismus gemacht worden“ sei. Alle drei Fraktionen haben im Plenarsaal zusammen nur 44 von 88 Sitzen.

Parteispitzen sollen möglichst schnell entscheiden

Während der Besprechungen der vergangenen Wochen habe insgesamt eine „besonders vertrauensvolle und konstruktive Atmosphäre“ geherrscht, teilte Bühl mit. Nun sei es an den Parteivorständen, auf Grundlage des Sondierungspapiers über eine mögliche Regierungskoalition der drei Parteien zu entscheiden. Die Spitzengremien der Landesverbände von CDU und BSW träfen sich dazu noch am Abend, die SPD werde am Samstag damit beginnen, sagte Bühl.

Je nach Urteil könne man danach mit den Koalitionsverhandlungen beginnen oder müsse noch einmal nachverhandeln, ergänzte Tilo Kummer, der Parlamentarische Geschäftsführer der BSW-Fraktion. Schon wegen der anstehenden Haushaltsberatungen laufe die Zeit „zwischen den Fingern dahin“.

Bühl betonte auch bei Nachfragen der Presse immer wieder, dass der genaue Zeitplan für Weiteres sich wohl erst im Laufe der kommenden Woche herauskristallisieren werde. Zu möglichen Ressortverteilungen im Landeskabinett oder gar zu künftige Ministerposten äußerten sich die Fraktionsvertreter nicht.


Die Sitzverteilung im Plenum nach den Landtagswahlen 2024 in Thüringen. Foto: ts/Epoch Times

„Konsultationsverfahren“ soll Mehrheiten ermöglichen

Sollten die Landesspitzen von CDU, BSW und SPD grünes Licht geben, werde man mit einer „De-Facto-Mehrheit von 44 Stimmen“ vor der Aufgabe stehen, sich Mehrheiten zu suchen, erklärte Bühl. Dafür solle das Parlament intensiver und schon frühzeitig in eine „mögliche Regierungsarbeit“ einbezogen werden, um ein „Meinungsbild“ zu erhalten. Angesichts der Erfahrungen mit einer Minderheitsregierung aus den vergangenen Jahren wolle man dafür ein formales „Konsultationsverfahren“ als Teil der Regierungsarbeit etablieren.

„Das bedeutet, dass wir vor einer Kabinettsbefassung mit Initiativen und Gesetzesvorhaben bereits in den Landtag gehen wollen“, erklärte Bühl. Dabei solle der Landtagspräsident schon früh über die jeweiligen Eckpunkte eines Vorhabens informiert werden. Diesem obliege dann die Aufgabe, sämtlichen Fraktionen eine Frist zur Stellungnahme einzuräumen. „Mit diesem Votum kann dann die Landesregierung weiterarbeiten“, so Bühl – entweder per Anpassung oder Beerdigung des Vorhabens.

Von einem solchen Konsultationsverfahren erhoffe man sich eine Beschleunigung und auch eine „bessere Beteiligung“ auch jener Fraktionen, deren Wähler nicht durch die Regierungsparteien repräsentiert seien.

Klares Nein zur Zusammenarbeit mit der AfD

Keinesfalls aber werde es eine aktive Zusammenarbeit mit der AfD bei einer CDU/BSW-/SPD-Landesregierung geben, betonte Bühl. Mit den Linken werde keine „gesonderte Vereinbarung“ gebraucht, „weil wir eben einen Mechanismus haben, der sowieso eine Beteiligung vonseiten der Regierung frühzeitig mit dem Landtag vorsieht“, sagte Bühl.

Jeder der drei Unterhändler stellte nun einige Eckpunkte der Sondierungsgespräche vor. Bühl stellte die Schwerpunkte der Asyl- und Bildungspolitik vor und skizzierte die Überlegungen zu einem „modernen Staat“:

Asylpolitik: „Beschleunigter Richtungswechsel“ durch Einrichtung einer zentralen Ausländerbehörde und durch schnellere Anerkennung von Fachkräften. Die Standorte Suhl und Eisenberg sollen geschlossen werden, die Aufnahmekapazität soll mit neuen Einrichtungen erweitert werden, die je nach Bleibeperspektive ausgestattet werden sollen. Erstmals solle es auch Abschiebehaftplätze geben.

Bildungspolitik:
Sprachtests vor der Einschulung, Ausbau der frühkindlichen Bildung, Lesen-Schreiben-Rechnen-Garantie in Grundschulen, weniger Unterrichtsausfall, Arbeitsplatzgarantie für angehende Lehrer schon während des Studiums, mehr Eigenverantwortung der Schulen durch eigene Schulbudgets, Beibehaltung der etablierten Schularten („Schulfrieden“).

Moderner Staat: Anpassung an die demografische Entwicklung, Bürokratieabbau nach entsprechender Bestandsaufnahme, insbesondere im Baurecht. Außerdem „Thüringen-Digital-Turbo“ mit Einrichtung einer zentralen Kompetenzstelle. Verstärkter Ausbau der Mobilfunk- und Glasfaser-Infrastruktur.

Von links: Tilo Kummer (BSW), Andreas Bühl (CDU) und Katharina Schenk bei der Präsentation ihres Sondierungspapiers am 18. Oktober 2024. Foto: Bildschirmfoto/Livestream der CDU Thüringen auf „X“ (https://x.com/i/broadcasts/1djGXrZQRNdxZ)

BSW besteht auf Friedensvereinbarung auch im Koalitionsvertrag

Bevor BSW-Unterhändler Tilo Kummer seine Überlegungen zur Wirtschafts-, Energie-, Bau- und Bürgerbeteiligungspolitik erläuterte, betonte er den Wunsch seiner Wähler nach Frieden, sozialer Gerechtigkeit und einer „neuen Kultur des Miteinanders“.

Insofern sei es für das BSW ein „Gebot der Vernunft“ gewesen, trotz aller Unterschiede „die Möglichkeiten dafür zu nutzen und sich auf den Weg zu machen“. Es existiere ein „gemeinsames Bewusstsein um die Verantwortung für Thüringen“. Sollten sich die Parteigremien nicht zu einer Friedensvereinbarung in einem Koalitionsvertrag durchringen können, werde es keine Zusammenarbeit geben. Nach Angaben der Deutschen Presse-Agentur hatte bislang lediglich folgende Formulierung den Eintrag in das Sondierungspapier geschafft:

Dem Thema Frieden in Europa werden wir in den kommenden Verhandlungen Raum verschaffen und mit einer Standortbestimmung im Rahmen einer möglichen Präambel gemeinsam begegnen.“

Insgesamt stellte der BSW-Vertreter Kummer folgenden Eckpunkten aus dem Sondierungspapier vor:

  • Vereinbarung zum Thema Frieden
  • Beibehaltung der Schuldenbremse
  • „Haushalterische Spielräume“ nutzen, um den Menschen und Unternehmen ihre Einkünfte und Existenzen zu sichern und „soziale Gerechtigkeit“ herzustellen
  • Erhöhung des Eigenkapitals der Aufbaubank aus dem 330 Millionen Euro schweren Landes-Wohnungsbauvermögens zur Unterstützung des sozialen Wohnungsbaus, für die energetische Sanierung im ländlichen Raum und für barrierearme Wohnangebote
  • Nutzung von Rücklagen der öffentlichen Hand nutzen, um etwa Energieanlagenbau und Forstwirtschaft zum wechselseitigen Vorteil miteinander zu verknüpfen
  • Spielräume für Bürgerbeteiligung erweitern

SPD hofft auf „neue politische Kreativität“

Katharina Schenk, die Stellvertretende Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, beschrieb das Sondierungspapier als „Aufbruchssignal“: „Unterschiedliche Traditionen und Sichtweisen“ seien „nicht etwa Hindernisse, sondern Treiber für neue politische Kreativität“. Die Sozialdemokraten hätten besonders auf eine „Gerechtigkeitsoffensive für alle Generationen“ Wert gelegt. Schenk nannte vier Unterpunkte:

  • Abschaffung der Hortgebühren und Einführung von Gratis-Mittagessen in Kindergärten und Grundschulen
  • Tarifbindung auf dem Arbeitsmarkt stärken, um Lohnunterschiede zwischen Ost und West zu verringern
  • Zuschüsse und steuerliche Entlastungen für 50.000 unterversorgte Altersruhegeldbezieher
  • Unterstützung durch Einführung eines Landepflegegelds oder eines Extragehalts für jene 275.000 Menschen, die in Thüringen Angehörige pflegen

Die Präsentation ist unter anderem auf YouTube abrufbar.

Aus der Landtagswahl vom 1. September 2024 war die AfD mit 32,8 Prozent klar als stärkste Kraft herorgegangen. Die CDU folgte mit deutlichem Abstand und 23,6 Prozent auf Rang zwei. Das BSW erreichte 15,8 Prozent, die Linkspartei von Ministerpräsident Bodo Ramelow 13,1 Prozent und die SPD 6,1 Prozent.

Die Grünen verpassten mit 3,2 Prozent den Wiedereinzug in den Landtag, ebenso wie die FDP mit nur noch 1,1 Prozent.



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