Cannabis am Steuer: „Keine verlässlichen Forschungen“ für neuen Grenzwert

Seit vergangener Woche gilt ein neuer Grenzwert für den Cannabiskonsum am Steuer. Die bisherige Regelung von maximal einem Nanogramm THC pro Milliliter Blut gilt jetzt nur noch für Fahranfänger. Für alle anderen wurde der Grenzwert mehr als verdreifacht.
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Foto: bruev/iStock
Von 29. August 2024

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Ab 3,5 Nanogramm THC pro Milliliter Blut oder mehr drohen jetzt empfindliche Geldbußen und Fahrverbote.

Noch Anfang Juni 2024 wurde im Rahmen einer Anhörung im Deutschen Bundestag mit Experten über die Erhöhung dieses Grenzwertes debattiert. Die CDU-Fraktion hatte sich ursprünglich mit einem eigenen Gesetzesentwurf dagegen ausgesprochen und diese Haltung unter anderem wie folgt argumentiert:

„Stattdessen bedarf es eines sensiblen Umgangs mit dem Rauschgift – insbesondere im Straßenverkehr. Entscheidungen dürfen nicht aus rein politischem Kalkül zu Flankierung der Legalisierung erfolgen.“

ADAC-Präsident sieht es gelassener

Demgegenüber hatte sich damals ADAC-Verkehrspräsident Gerhard Hillebrand offen für die jetzt amtliche Grenzwerterhöhung ausgesprochen: Es gebe bisher keine Anhaltspunkte dafür, dass die Interessen der Verkehrssicherheit durch eine Erhöhung beeinträchtigt würden.

Der alte Grenzwert von 1 ng/ml habe vornehmlich bei Gewohnheitskonsumenten zu viele „falsch positive“ Ergebnisse gebracht, weil festgestellt worden sei, „dass zwar Cannabis nachweisbar ist, eine Beeinträchtigung der Fahrsicherheit jedoch nicht mehr gegeben ist“.

Polizeigewerkschafter Wendt sagt: Finger weg!

Epoch Times befragte dazu Rainer Wendt, den Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG).

Es gibt einen neuen Grenzwert für Cannabis im Straßenverkehr. Haben Sie eine Idee, wie die Polizei das konkret überprüfen soll? Muss es jedes Mal ein Bluttest sein?

„Das war ja in der Vergangenheit auch schon ein Bluttest. Und das wird auch in Zukunft so sein. Es geht jetzt um einen Grenzwert von 3,5 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum. Das hört sich kompliziert an und ist es auch.

Wir hätten es für richtig erachtet, eine ganz andere Regelung zu treffen, nämlich sich den Alkoholgrenzen zu nähern und zu sagen: kein Alkohol im Straßenverkehr, aber auch kein Kiffen im Straßenverkehr.

Das heißt, wer Auto fährt oder überhaupt Fahrzeuge benutzt im Straßenverkehr, sollte die Finger von beidem lassen. Das wäre eine gute Gelegenheit gewesen. Stattdessen hat man den Grenzwert erhöht, und zwar um mehr als das Dreifache. Das war der falsche Weg.“

Jetzt gibt es Untersuchungen, die sagen, wer wenig kifft, der baut es in ein paar Stunden ab. Wer regelmäßig kifft, braucht dafür Tage. Das klingt kompliziert. Müssen sich Konsumenten noch genauer überlegen, was sie tun?

„Das Risiko trägt der Fahrer selbst, aber vor allen Dingen auch die anderen Verkehrsteilnehmer, die er möglicherweise gefährden könnte, wenn er noch bekifft ist. Tatsache ist, es ist nicht nur kompliziert, sondern vor allen Dingen unkalkulierbar.

Es gibt keine verlässlichen Forschungen dazu, wie Cannabis im Blut abgebaut wird. Und deshalb haben wir davon auch dringend abgeraten. Jeder muss dieses Risiko selbst tragen. Leider die anderen Verkehrsteilnehmenden auch.

Und deshalb sagen wir, am besten ist es, man lässt es komplett sein, weil nicht kalkuliert werden kann, wann man wieder außerhalb der Strafbarkeitsgrenze ist.“

Das heißt, es könnte theoretisch der Fall eintreten, dass die Polizei ein Fahrzeug kontrolliert, in dem gerade jemand einen Joint raucht, ohne dass das verboten wäre, wenn nur der Blutwert nachher unterhalb des Grenzwertes liegt?

„Rein theoretisch vorstellbar, und viele andere Fragen sind ja auch noch nicht geklärt. Das heißt, wie sieht es im Operationssaal aus, wie auf der Gebärstation und viele andere Orte mehr, wo wir keine bekifften Leute haben wollen, übrigens einschließlich bei der Polizei.“

Ex-Polizeichef Ulf Küch warnt davor, sich „heranzutrinken“

Epoch Times will wissen, wie es bisher und in früheren Jahrzehnten in der Praxis der Polizeiarbeit gehandhabt wurde. Ulf Küch, Buchautor („Soko Asyl“) und ehemaliger Polizeichef von Braunschweig, erinnert sich an die Promillegrenze beim Autofahren, an die sich viele Autofahrer „herantrinken“ würden, frei nach dem Motto: 0,5 Promille sei soundsoviel Alkohol, um es dann hochzurechnen und ihre Bestellung am Tresen aufzugeben, was allerdings oft genug schiefgehe, so der Ex-Polizeichef.

Diese Gefahr drohe jetzt auch bei Drogen, so Küch. Man könne es selbst gar nicht beeinflussen, weil jeder Körper unterschiedlich reagiere: „Im Grunde genommen muss es heißen: Lass es. Trink nicht, wenn du fährst, und kiff nicht, wenn du fährst. Und nimm auch keine anderen Drogen.“

Was viele nämlich vergäßen, so der Ex-Polizeichef weiter: Beim Alkohol schütze die Einhaltung der Promillegrenze nicht vor einer Teilschuld. Und so werde es auch beim Kiffen sein: „Da sollte man es doch einfach lassen, wenn man fährt.“

Eine Teilschuld gilt auch unterhalb der Grenzwerte

Zur unterschiedlichen Wirkung eines Rauschmittels befragt, antwortete Ulf Küch, es komme immer darauf an, wie ein Körper das aufnimmt und wie er es abbaut:

„Ich habe Leute erlebt, die hatten tatsächlich vier Promille, die haben kerzengerade vor dir gestanden. Und ich habe Leute erlebt, wo ich dachte, derjenige ist ja total betrunken, der hatte aber tatsächlich nur 0,8 oder 0,9 Promille.“

Das Fazit des Ex-Polizeichefs ist eindeutig

„Diese Grenzwerte sind vollkommener Unsinn. Wenn man mit dem Auto fährt oder an Maschinen arbeitet, dann sollte man aus Gründen der eigenen und auch der fremden Sicherheit alles lassen. Es macht keinen Sinn, sich da irgendwie heranzutasten. Das Ergebnis wird einem immer angelastet werden, ganz egal, was ist, wenn irgendwas passiert.“

Polizisten mit Hanfpflänzchen auf dem Balkon

Auf die Frage, ob man zukünftig auch mit bekifften Polizisten rechnen müsste, antwortet Küch, er gehe davon aus, dass sich die ersten Kollegen zu Hause ein Hanfpflänzchen hingestellt haben und schon fleißig am Kiffen sind: „Seit der Freigabe denken doch viele, das sei harmlos und jetzt könne man das machen.“

Auch der medizinische Dienst der Polizei bekommt Mehrarbeit

Ulf Küch erinnert sich noch an Kollegen, die wegen Tablettensucht und Alkohol betreut werden mussten. Jetzt fürchtet er, dass Cannabis das nächste Standbein der regionalen Beratungsstellen und medizinischen Dienste der Polizei werden wird, die Kollegen daraufhin „abzuchecken“, wie es Küch formuliert.

Küch war es auch, der in der Vergangenheit über Braunschweig und Niedersachsen hinausreichend erfolgreich angeregt hatte, Alkohol ganz aus den Polizeien, sprich aus ihren Gemeinschaftsräumen zu verbannen und das Mitbringen von Alkohol ausnahmslos zu untersagen.



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