Buschmann: Brüsseler Bürokratie bringt „drastische Mehrbelastungen für die Unternehmen“
Immer wieder verspricht Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP), Bürokratie abbauen zu wollen. Mit dem Nachhaltigkeitsberichtgesetz musste er auf Anweisung der EU den entgegengesetzten Weg gehen. Nun sieht er sich selbst im Dilemma.
„Es ist kein Geheimnis, dass ich über die Regelungen unglücklich bin“, gab Buschmann jüngst in einem Gespräch mit dem „Spiegel“ zu. „Die neuen Regelungen bedeuten vor allem eins: drastische Mehrbelastungen für die Unternehmen.“ Seiner Meinung nach hätte es die ausschlaggebende EU-Richtlinie 2022/2464 „so nicht gebraucht“.
Die Ampelregierung hatte sie vor knapp zwei Jahren dennoch durchgewunken, um das Ziel Nummer 12 der UN-Agenda 2030 sicherzustellen, wie es auf der Website des Bundesjustizministeriums (BMJ) heißt. Demnach sollen „nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster“ weltweit zur Pflicht werden.
Umsetzungstermin 6. Juli 2024 nicht mehr zu halten
Ein Sprecher des BMJ erklärte gegenüber der Epoch Times, dass es keinerlei Möglichkeit gebe, das Gesetz zu vermeiden: Es handele sich bei den Nachhaltigkeitsberichtsvorschriften (Corporate Sustainability Reporting Directive/CSRD) „um eine EU-Richtlinie, die von Deutschland verpflichtend in nationales Recht umzusetzen“ sei.
Die ursprünglich anvisierte und von der EU vorgeschriebene Umsetzungsfrist bis zum 6. Juli 2024 werde „voraussichtlich nicht mehr eingehalten werden“, räumte der Sprecher ein. Die regierungsinternen Abstimmungen würden derzeit noch andauern. „Das BMJ plant – nach Abschluss der regierungsinternen Meinungsbildung – sobald wie möglich eine Kabinettsbefassung“. Sollte das Kabinett zustimmen, müsse der Entwurf noch das parlamentarische Verfahren durchlaufen.
Da die Unternehmen ihre Rechnungslegungsunterlagen über das Geschäftsjahr 2024 aber erst 2025 vorlegen müssten, sei „auch bei einer etwas späteren Umsetzung nicht sofort mit einem Vertragsverletzungsverfahren“ durch die Europäische Kommission zu rechnen. Das Recht dazu besitze die Kommission allerdings durchaus.
CSR-Direktive verlangt Nachhaltigkeitsberichterstattung
Im Kern geht es bei der CSRD laut BMJ darum, bis 2028 schrittweise von immer mehr Unternehmen zu verlangen, „zusammen mit ihrem Jahresabschluss detailliert über ihren Umgang mit sozialen und ökologischen Herausforderungen“ zu berichten.
Das soll auch Investoren auf der Suche nach solchen Partnern anlocken, die im Sinne der „Klimaneutralität“ ihre Innovationskraft in Umwelt- und Klimaschutz stecken, wie das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln berichtet. Die Kontrolle der Nachhaltigkeitsberichte soll durch Wirtschaftsprüfer erfolgen.
Bis zu 15.000 Unternehmen betroffen
Betroffen werden laut BMJ nach und nach über 13.000 Unternehmen in Deutschland sein. Das IW rechnet sogar mit 15.000 Unternehmen. Nach den bisherigen Gesetzen seien bislang nur 500 Unternehmen verpflichtet gewesen, regelmäßig derartige „nichtfinanzielle Erklärungen“ vorzulegen.
Laut Justizminister Buschmann sollen diese Erklärungen, die bisher auf den Handelsgesetzbuch-Paragrafen 289b und 289c beruhen, „künftig durch den Nachhaltigkeitsbericht abgelöst“ werden. Außerdem soll laut BMJ-Gesetzentwurf die Pflicht zu einem Bericht auf Grundlage des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) wegfallen, sobald ein nach den CSRD-Regeln erstellter Nachhaltigkeitsbericht erstellt und veröffentlicht wird. „So verhindern wir zumindest doppelte Arbeit“, erklärte Buschmann gegenüber dem „Spiegel“.
Dennoch seien mit der CSR-Direktive „erhebliche Belastungen für die Wirtschaft verbunden“, hatte Buschmann bereits am 22. März 2024 anlässlich der Veröffentlichung des Referentenentwurfs zum Gesetz (PDF) geschrieben. „Vor diesem Hintergrund war es mir wichtig, dass wir die Richtlinie nur 1:1 umsetzen.“ Einen darüber hinausgehenden „nationalen Regulierungsehrgeiz“ lehne er ab.
Jährlich 1,4 Milliarden Euro Belastung für die deutsche Wirtschaft
Doch auch so rechnet das BMJ mit einem einmaligen Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft in Höhe von rund 748 Millionen Euro „sowie mit einem laufendem Erfüllungsaufwand in Höhe von jährlich ca. 1,4 Milliarden Euro“, wie bereits aus Seite 2 des Referentenentwurfs hervorgeht. Lutz Göbel, der Chef des Normenkotrollrats der Bundesregierung, teilte dem „Spiegel“ (Bezahlschranke) mit, dass „seit Aufzeichnungsbeginn der Bürokratiekosten im Jahr 2006 […] kein anderes Gesetz Kosten in dieser Größenordnung verursacht“ habe.
Viel Arbeit haben auch die Mitarbeiter des BMJ zu leisten: „Zur Umsetzung […] sind Änderungen, vor allem im Handelsgesetzbuch, im Wertpapierhandelsgesetz und in der Wirtschaftsprüferordnung erforderlich“, heißt es im Referentenentwurf. Ein Blick in die 631 Seiten starke Synopse (PDF) zeigt, dass tatsächlich sogar über zwei Dutzend Gesetze und Verordnungen mehr oder weniger stark betroffen sind – vom Aktiengesetz (AktG) bis zum Vermögensanlagengesetz (VermAnlG).
Wirtschaftsprofessor befürchtet „enormen Datenaufwand“
„Das Regelwerk hat in der Wirtschaft für ein großes Durcheinander gesorgt“, betonte Prof. Jörg Rocholl, der Präsident der privaten Berliner Wirtschaftshochschule European School of Management and Technology GmbH (ESMT) und zugleich Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats im Bundesfinanzministerium, gegenüber dem „Spiegel“. Einige der „wichtigsten Bestandteile“ des neuen Gesetzes seien aus Sicht vieler Finanzvorstände zudem „weitgehend irrelevant“. Er selbst befürchte einen „enormen Datenaufwand“.
Nach einer Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft wollen 32 Prozent der Unternehmen mit mehr als 249 Mitarbeitern die Nachhaltigkeitsberichterstattung in die Hände von externen Dienstleistern legen oder haben das bereits getan. 58 Prozent planten, eigene Mitarbeiter dafür extra ausbilden – oder hätten dies bereits erledigt. 31 Prozent erwögen, ihre Mitarbeiter ohne spezifische Weiterbildung damit zu betrauen. Ein gutes Viertel gehe davon aus, dass neues Personal dafür eingestellt werden müsse.
Bei mittleren Unternehmen mit 50 bis maximal 249 Mitarbeitern wollen sich laut IW noch mehr für externe Dienstleister entscheiden, nämlich 40 Prozent. Kleinere Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten können sich das wohl weniger leisten: Sie planen laut IW nur zu 19 Prozent, die Berichtsarbeit auszulagern. Das IW resümiert:
Die Befragungsergebnisse lassen vermuten, dass vor allem kleinere Unternehmen nur begrenzt über die notwendigen Ressourcen verfügen, um neues Personal einzustellen, ihr bestehendes Personal weiterzubilden oder auf externe Dienstleister zurückzugreifen. Neugründungen und Neuansiedlungen können dadurch erschwert werden.“
Eigentlich will Buschmann Bürokratie abbauen
Auf seinem X-Kanal wirbt Justizminister Marco Buschmann immer wieder für Bürokratieabbau, zum Beispiel hier, hier und hier.
Erklärter Gegner ist dabei zumeist Brüssel, wie auch seine Bemühungen für ein Bürokratieentlastungsgesetz IV zeigen. Dieses solle „die Wirtschaft künftig um fast eine Milliarde Euro pro Jahr entlasten“ – mit digitalen Arbeitsverträgen, einem weitgehenden Aus für die Hotelmeldepflicht und mit kürzeren Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege.
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