Bundesregierung hat keine Belege für angebliche UdSSR-Renaissancewünsche Putins

Der deutschen Bundesregierung liegen offenbar keine Belege dafür vor, dass der russische Präsident Putin jemals gesagt habe, die Wiederherstellung der alten Sowjetunion anzustreben. Das geht aus einer Stellungnahme des Auswärtigen Amtes hervor.
Kremlchef Wladimir Putin (Archivbild)
Das Archivbild zeigt den Kremlchef Wladimir Putin.Foto: Vyacheslav Prokofyev/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa
Von 7. August 2024

An dieser Stelle wird ein Podcast von Podcaster angezeigt. Bitte akzeptieren Sie mit einem Klick auf den folgenden Button die Marketing-Cookies, um den Podcast anzuhören.

Immer wieder hört und liest man, dass Russlands Präsident Wladimir Putin gesagt habe, er wolle die Grenzen seines Landes wieder auf das gesamte Territorium der ehemaligen UdSSR ausdehnen.

Die Bundesregierung kann für diese Darstellung offiziell jedoch keine konkreten Belege liefern:

Äußerungen des Präsidenten der Russischen Föderation, Wladimir Putin, wonach eine Wiederherstellung der Sowjetunion beabsichtigt werde, sind der Bundesregierung nicht bekannt.“

Das jedenfalls schrieb Dr. Thomas Bagger, Staatssekretär im Auswärtigen Amt, am 1. August 2024 auf die schriftliche Frage Nr. 07-370 des AfD-Bundestagsabgeordneten Thomas Dietz. Die Antwort liegt der Epoch Times als PDF-Datei vor.

Hoher Militär mit Tatsachenbehauptung

Generalleutnant André Bodemann, seit April 2023 Befehlshaber des Territorialen Führungskommandos der Bundeswehr, hatte trotz des Bekenntnisses der Bundesregierung noch am 1. Juli 2024 anlässlich der Vorstellung des geheimen „Operationsplans Deutschland“ öffentlich ein anderes Bild gezeichnet.

Putin habe gesagt, „dass er das alte Gebiet der Sowjetunion wiederherstellen möchte“, betonte Bodemann im Interview mit dem Nachrichtensender „n-tv“, ohne eine genaue Quelle für seine Aussage anzugeben (Kurzvideo auch auf YouTube).

Generalleutnant Andre Bodemann, Befehlshaber Territoriales Führungskommando der Bundeswehr, spricht vor Beginn der Tagung zum neuen Verteidigungsplan für Deutschland.

Generalleutnant André Bodemann, der Befehlshaber des Territorialen Führungskommandos der Bundeswehr. Foto: Carsten Koall/dpa

Auswärtiges Amt verweist auf Putins „aggressiv-drohende Rhetorik“

Abgesehen von der negativ beschiedenen Stellungnahme der Bundesregierung zu den angeblichen Expansionsplänen Putins hatte Staatssekretär Bagger in seinem Schreiben an den AfD-Abgeordneten Dietz allerdings auch darauf hingewiesen, dass eine „aggressiv-drohende Rhetorik gegen Nachbarstaaten“ inzwischen „integraler Bestandteil der imperialistischen Außenpolitik Wladimir Putins“ sei.

Zu dieser Politik gehörten auch „Versuche, Staatsgrenzen in Russlands Nachbarschaft gewaltsam zu verschieben, bzw. diese Staaten mit anderen Mitteln zu dominieren“. Als „klares Beispiel“ dafür nannte Bagger den „völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine“.

Im Übrigen verwies der Staatssekretär den Fragesteller Dietz auf zwei Teilantworten der Bundesregierung, die bereits am 26. Oktober 2023 auf zwei Teilfragen eines Fragenkatalogs der AfD-Fraktion erfolgt waren (BT-Drucksache Nr. 20/9008, PDF).

Demnach werde die Russische Föderation im Vilnius Summit-Kommuniqué sowie im Strategischen Konzept der NATO als „die größte und unmittelbarste Bedrohung für die Sicherheit der Verbündeten und für den Frieden und die Stabilität im euroatlantischen Raum deklariert“. Die AfD-Abgeordneten hatten seinerzeit eigentlich wissen wollen, welche Fakten die Bundesregierung zur Erkenntnis gebracht hatten, dass „die baltischen Staaten und Polen entlang der NATO-Ostflanke besonders bedroht“ seien. Grundlage für diese Nachfrage war der Tagesbefehl (PDF) zur dauerhaften Stationierung einer Brigade in Litauen vom 28. Juni 2023 durch das Bundesverteidigungsministerium gewesen.

Die zweite Frage, ob „die Bundesregierung kurz-, mittel- oder langfristig einen bewaffneten Konflikt oder bewaffnete Unternehmungen im Baltikum oder an den Grenzen zu Belarus und Russland (Kaliningrad)“ erwarte, ließ die Bundesregierung im Oktober 2023 für die Öffentlichkeit unbeantwortet. Es handele sich um eine Angelegenheit, die „im Hinblick auf das Staatswohl“ die Einstufung als Verschlusssache („VS – Nur für den Dienstgebrauch“) erforderlich mache.

Dietz: „Jede Äußerung steigert die Eskalation“

Doch zurück zum aktuellen Fragesteller Thomas Dietz, der im Herbst 2021 über ein Direktmandat des Erzgebirgskreises I (Sachsen) in den Bundestag eingezogen war. Auf Nachfrage der Epoch Times bezeichnete er sich als „Pazifist bereits zu DDR-Zeiten“, den die Sorge um den Frieden in Europa, insbesondere in Mitteleuropa umtreibe.

„Ich stehe nicht hinter Putin, aber ich stehe fest hinter Vernunft, klarem Verstand und vor allem Frieden“ so Dietz. Er sei überzeugt, dass jede Äußerung die Eskalation steigere. Seine schriftliche Frage habe er gestellt, um Klarheit darüber zu erlangen, wann und ob Putin tatsächlich den häufig kolportierten Wunsch geäußert habe, die Grenzen der alten Sowjetunion wieder herzustellen.

Nach der Antwort des Staatssekretärs sei für ihn nun klar, dass derartige Behauptungen „auf keinem belastbaren Fundament“ stünden. Dennoch würden sie „von einigen Medien, einschließlich „n-tv“, gezielt verbreitet“, schrieb Dietz auf seinem Telegram-Kanal. Auch die Bundesregierung spiele dabei eine Rolle:

Statt diese Falschinformationen entschieden zu unterbinden, scheint die Regierung diese Lügen schweigend willkommen zu heißen. Dieses Schweigen ist nicht nur heuchlerisch, es ist ein stilles Einverständnis mit der eskalierenden Kriegsrhetorik und der gefährlichen Desinformationskampagne, die unser Land in immer tiefere Konflikte treibt.“

Ihn persönlich widere dieses Verhalten an. Vernunft und Frieden seien seiner Meinung nach „im politischen Berlin längst auf der Strecke geblieben“, beklagte Dietz. Doch Frieden und Wahrheit dürften niemals geopfert werden.

Generalleutnant von Sandrart: „zeitnaher russischer Angriff nicht ausgeschlossen“

Erst am vergangenen Samstag hatte auch der Bundeswehr-Generalleutnant Jürgen-Joachim von Sandrart gegenüber „t-online“ erklärt, dass er einen „zeitnahen russischen Angriff“ zwar für unwahrscheinlich, aber nicht für ausgeschlossen halte. Die Bedrohung sei schon jetzt da.

Der Afghanistan-Veteran leitete daraus seine Forderungen ab, „unsere Vorbereitung zu beschleunigen und kriegsnah auszubilden“. Außerdem sprach er sich für einen verpflichtenden Gesellschaftsdienst aus, der unter anderem bei der Bundeswehr geleistet werden können sollte. Von Sandrart befehligt seit November 2021 das Multinationale Korps Nord-Ost der NATO im polnischen Stettin.

Nach Informationen von „t-online“ geht auch Carsten Breuer, der Generalinspekteur der Bundeswehr, von einem Angriff Russlands auf NATO-Territorium aus. Bis dahin werde es aber voraussichtlich noch fünf bis acht Jahre dauern. Deshalb müsse das westliche Militärbündnis ab 2029 abwehrbereit sein.

Woher kommt das Narrativ?

Womöglich beziehen sich Aussagen, die vom Eroberungswillen sämtlicher Ländereien der ehemaligen Sowjetunion künden, auf eine Äußerung Putins, die dieser im Jahr 2005 getätigt haben soll. Damals habe der Ex-KGB-Agent den Zusammenbruch der UdSSR als das „größte geopolitische Unglück des 20. Jahrhunderts“ bezeichnet, wie der MDR und der „Münchner Merkur“ berichteten.

Dass Putin bereits in den 1990er-Jahren die Abspaltungstendenzen in der moldauischen Region Transnistrien unterstützt, 2008 zwei abtrünnige georgische Gebiete als unabhängig anerkannt und 2014 die Halbinsel Krim annektiert habe, wirkte auf den „Merkur“ im September 2022 so, dass Putin „alles daran setzen“ wolle, dieses „Unglück“ zu korrigieren. Der Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 deute darauf hin, dass er vor nichts zurückschrecke.

Der russische Journalist und Militärexperte Pawel Felgenhauer hatte bereits in der 2019 erschienenen MDR-Fernsehdokumentation „Erzfreunde Trump und Putin“ (Video) erklärt, Putin habe schon immer behauptet, dass die Ukraine, Belarus und Russland ein gemeinsamer Kulturraum unter russischer Dominanz gewesen seien.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion